Grundsätzliches zur Weiterbildung

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Förderung der beruflichen Weiterbildung (FbW), was nun? - wie einem erfolgreichen Reformansatz der Boden entzogen zu werden droht

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Auf einen Blick …
  • Die Reform des Instruments FBW hat gegriffen. Zwar haben die neuen Steuerungsprinzipien innerhalb der BA an manchen Stellen zu einer allzu rigiden, sachlich ungerechtfertigten sozial selektiven Begrenzung der Zugänge zu diesem Instrument geführt, gleichwohl überwiegt der durch die Reform induzierte Qualitätseffekt. So zumindest ist der Tenor des vorliegenden Endberichts.

  • Der für diese Qualitätssteigerung gezahlte Preis ist ein erheblicher Einbruch bei den Zugängen zu FbW bis in das Jahr 2005. Der Endbericht weckt zudem Zweifel an einer möglichen Trendwende im Jahr 2006.

  • Es ist fraglich, ob die Qualitätssteigerung, deren Ursachen in einer systematisch veränderten Planung, Steuerung und Durchführung von FbW zu suchen sind, Nachhaltigkeit besitzt.

  • Ebenso sind Zweifel angebracht, ob sich der betriebene Aufwand für die Installation eines neuen Steuerungsregimes gelohnt hat, solange dieses Regime durch Ausweichprozesse auf andere Instrumente unterlaufen werden kann.

  • Die Abgrenzung von Programmtypen in der Evaluation scheint problematisch. Aussagen über erfolgreiche und weniger erfolgreiche Typen sind daher mit Vorsicht zu genießen. Aus heutiger Sicht spricht daher einiges dafür, die bisherige Vielfalt an Qualifizierungsformen zu erhalten.

  • 1 Wertvolle oder wertlose Evaluationsergebnisse?

    Keines der Ergebnisse aus dem gerade abgeschlossenen Evaluationsprogramm des BMAS zum SGB III wurde - legt man die Vielfalt der Kommentatoren und die Vielzahl an Kommentaren vor und nach der Berichterstattung zu Grunde - mit so großem öffentlichen und politischen Interesse bedacht wie die im Modul 1b enthaltene und durch ein Konsortium aus DIW, IZA und infas durchgeführte Evaluation der „Förderung beruflicher Weiterbildung (FbW)“. Dies galt schon für den Zeitpunkt Anfang 2006, als der Zwischenbericht erschien, und es gilt für das Frühjahr dieses Jahres, auch wenn die Welle an Kommentaren eher kleiner ausfiel als noch ein Jahr zuvor. Mittlerweile ist es noch einmal etwas ruhiger geworden. Dies dürfte nicht zuletzt auch daran liegen, dass – wie bei einem Großteil der übrigen Evaluationen – die wesentlichen Ergebnisse aus dem Zwischenbericht bestätigt erscheinen, nur noch wenig an neuen Ergebnissen geliefert wurden und diese Ergebnisse in der Hauptbotschaft einer „erfolgreichen Reform“, in der sich alle beteiligten Akteure auf die veränderten Rahmenbedingungen eingestellt haben, tendenziell untergehen.

    Auch der „Monitor Arbeitsmarktpolitik“ hat vor einem Jahr eine ausführliche Stellungnahme zum Zwischenbericht formuliert, deren Kern die kritische Auseinandersetzung mit der Anlage der Evaluation und den dadurch bedingten „blinden Flecken“, Hinweise auf erhebliche soziale Selektionseffekte, ungelöste Steuerungsprobleme und eine möglicherweise irreversible Schädigung des Instruments durch Zerstörung einer funktionierenden Bildungsinfrastruktur bildeten. Nun ist es an der Zeit, eine erneute Bilanz zu ziehen. Der Sinn dieser Bilanz ist gleichwohl ein anderer: War die damalige Reanalyse des Zwischenberichts immer auch von der Idee getragen, Konsortien und Auftraggeber für wichtige Fragen zu sensibilisieren, die es in Forschung und Ergebnislegung zu berücksichtigen gilt, so geht es in dieser Bilanz vorrangig um eine inhaltliche Bewertung und Einordnung der Evaluationsergebnisse und deren Nutzen für die weitere Gestaltung von Arbeitsmarktpolitik bzw. arbeitsmarktpolitischer Instrumente.

    Diese Bewertung ist bei weitem nicht so eindeutig, wie uns die Kommentare von Gewerkschaften, Bildungsträgern oder auch die in anderen Veröffentlichungen nachgereichten Empfehlungen von Wissenschaftlern aus dem beteiligten Konsortium Glauben machen. Das hat – wie gezeigt werden soll – vor allem damit zu tun, dass sich der Gegenstand FbW in mehrfacher Hinsicht verändert hat: Dies betrifft nicht nur seine relative Bedeutung im Konzert aller (und teilweise neuer) arbeitsmarktpolitischer Instrumente, sondern auch seine Verankerung im Bereich des SGB II. Schließlich betrifft diese Veränderung auch die sukzessive, teilweise unter der Hand erfolgende Außer-Kraft-Setzung wesentlicher Steuerungs- und Qualitätsprinzipien. Doch bleiben wir zunächst einmal bei den zentralen Ergebnissen der Evaluation.


    2 Soziale Selektivität und Qualitätsverbesserung als zwei Kehrseiten einer Medaille

    In der vom BMAS Ende 2006 vorgelegten Zusammenfassung der abgeschlossenen SGB III-Evaluation wird an prominenter Stelle und unter Rückgriff sowohl auf die Ergebnisse von Benchmarking und Makroanalysen (Modul 1f) als auch die Evaluation des Moduls 1b (Förderung beruflicher Weiterbildung und Transferleistungen“) darauf verwiesen, dass FbW eines der wenigen Instrumente aktiver Arbeitsmarktförderung mit einer positiv evaluierten Performanz ist (BMAS 2006).

    Tatsächlich kommt das Evaluationskonsortium zum „FbW-Modul“ auf Basis seiner mikroökonometrischen Analysen zu dem Ergebnis, dass sich die Chancen von Teilnehmern auf Arbeitsmarktintegration durch die Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben durchgängig verbesserten, und dass die betriebswirtschaftliche Kosten-Nutzen-Bilanz günstiger wurde. Diese positive Bewertung der Reform wird gleichwohl mit folgenden Anmerkungen versehen:

    Schon im Zeitraum vor In-Kraft-Treten der Hartz-Gesetze hat demnach die Teilnahme an FbW–Maßnahmen die Chancen Arbeitsloser auf Integration in Erwerbstätigkeit deutlich verbessert; eine Ausnahme bildeten Maßnahmen ohne Abschluss, bei denen anfänglich positive Effekte später verpufften. Nach der Reform lassen sich über alle Maßnahmetypen hinweg nachhaltige Verbesserungen der Chancen auf Teilhabe am Erwerbsleben beobachten; dies scheint nun auch für Maßnahmen ohne Abschluss zu gelten.

    Soweit in dem kurzen Beobachtungszeitraum erkennbar, hängen diese Wirkungen im Großen und Ganzen vor allem mit der Verbesserung der Qualität im Sinne höherer Passgenauigkeit der Maßnahmen zusammen, sehr viel weniger mit Veränderungen der Teilnehmerstruktur.

    Die betriebswirtschaftliche Kosten-Nutzen-Bilanz hat sich verbessert, bleibt gleichwohl bei allen Programmtypen im negativen Bereich. Ungeklärt sind in diesem Zusammenhang noch mögliche positive Langfristbilanzen (IZA et al. 2006).

    Fassen wir zusammen: Die mit den Hartz-Gesetzen verbundenen Änderungen in der Maßnahmenplanung, -steuerung und -durchführung (Bildungsgutschein, Bildungszielplanung, Zertifizierung von Trägern und Maßnahmen durch fachkundige Stellen) haben gemäß der mikroökonometrischen Analysen also eine weitere Verbesserung der Integrationswirkungen zur Folge gehabt. Ein Großteil der verbesserten Wirkung geht nicht auf Selektionseffekte (Veränderungen in der Teilnehmerstruktur), sondern auf Qualitätseffekte (höhere Passgenauigkeit der Maßnahmen) zurück. Mit anderen Worten: Die Wirkungen der Maßnahmen sind besser, als allein durch die realen Selektionen zu erwarten gewesen wäre. Von daher werden die von den Fachkräften in den Agenturen aufgrund ihrer subjektiven Einschätzung (Eingliederungsprognose) vorgenommenen Selektionen kritisch beurteilt, da sie in größerem Maße auch Personengruppen (Langzeitarbeitslose) ausgeschlossen haben, die über die Teilnahme an FbW ihre Eingliederungschancen wesentlich hätten verbessern können (IZA et al. 2006).

    Dieses auf den ersten Blick sympathische Votum der Autoren ist freilich weniger gegen soziale Selektivität im Einsatz dieses arbeitsmarktpolitischen Instruments gerichtet als gegen die Anwendung subjektiver Kriterien. Von daher wäre erst einmal zu prüfen, in welchem Maße sich im Falle FbW tatsächlich die berüchtigten „creaming“-Prozesse einer Auslese entfaltet haben. Das Konsortium selbst weist darauf hin, dass angesichts der Aussagen von Vermittlungsfachkräften zur „Auslese“ eigentlich ein hohes Maß an sozialstruktureller Diskriminierung (nach Alter, Geschlecht und Bildungsstand zu erwarten gewesen wäre; eine solche Diskriminierung wird nach Ansicht der Autoren durch die Daten zur Teilnehmerstruktur aber nicht belegt.

    Freilich ist durch diese Wertung das Thema sozialer Diskriminierung nicht vom Tisch. Auf seine Bedeutung verweist schon der zusammenfassende Bericht des BMAS, wenn er darauf zu sprechen kommt, dass Formen und Intensitäten des Wettbewerbs unter den Maßnahmeanbietern und deren Interesse an möglichst leicht vermittelbaren Arbeitslosen auf das Interesse der Agenturen stößt, schwierige Fälle - allerdings unter der Maßgabe eines zielkonformen Einsatzes von Finanzmitteln - unterzubringen und dass dieses Konstellation sich auf den Zugang zu arbeitsmarktpolitischen Instrumenten auswirkt: „Insgesamt führt dies bei Maßnahmen mit relevantem Trägerwettbewerb tendenziell dazu, dass Selektionsprozesse zugunsten leichter vermittelbarer Arbeitsloser unter den grundsätzlich Förderfähigen auftreten (Creaming).“(BMAS 2006: 68f.) Diese generelle Aussage zielt auch auf das Instrument FbW. Und sieht man sich die realisierte Förderpraxis an, so verstärkt sich das Bild erheblicher „creaming“-Effekte: Gemessen an ihren Anteilen an den Zugängen (in Arbeitslosigkeit und in FbW)
    • sind vor allem Ältere, d.h. über 50-Jährige Arbeitslose nach der Reform bei der Förderung beruflicher Weiterbildung deutlich unterrepräsentiert; während diese Gruppe im Jahr 2005 17% der Zugänge in Arbeitslosigkeit ausmacht, stellt sie nur 7% der Zugänge in FbW; Ähnliches gilt in abgeschwächter Form für ausländische Personen (BMAS: 79, Tabelle 7).

    • Hat sich die Förderung mit dem Instrument FbW für arbeitslose Frauen gegenüber dem Jahr 2000 nachweisbar verschlechtert. Allerdings waren sie in 2000 mit einer Zugangsquote von 49% deutlich überrepräsentiert. Mit einer Zugangsquote zu FbW von 41% sind sie im Jahr 2005 nun unterrepräsentiert (BMAS: 72ff, Tabellen 5 und 6).

    Nun sind Selektionen sicherlich unvermeidlich bzw. sogar sinnvoll, da ein Instrument in unterschiedlichen regionalen/lokalen Arbeitsmarktkontexten sowie bei differierenden Risikolagen und Bedürfnissen der Adressaten jeweils auch unterschiedliche Wirkungen entfalten dürfte. Entscheidend ist jedoch, nach welchem Kriterium selektiert wird und ob die Entscheidungen über den Einsatz gegen die Bedarfslagen und Bedürfnisse der Adressaten fallen.

    Ein Gegengewicht gegen derart einseitige Selektionsprozesse stellt der Versuch dar, die Beteiligungsrechte der Adressaten zu stärken. Hierauf zielte die Ausgabe von Bildungsgutscheinen – mit dem gleichzeitigen Ziel, die Kontrolle über die auflaufenden Kosten zu behalten bzw. diese Kosten zu senken. Ob diese betriebswirtschaftliche Überlagerung des Ziels der Stärkung von Beteiligungsrechten sinnvoll war und nicht eine nachrangige Behandlung des inhaltlichen Ziels „Beteiligung“ durch Agenturen und ihre Fachkräfte nahelegt, darüber lässt sich trefflich streiten. Fakt ist: Während das letztgenannte Ziel erreicht worden ist – die Ausgaben für FbW sind dramatisch gesenkt worden – , bleibt unklar, ob das Beteiligungsziel erreicht oder erheblich verfehlt worden ist. Dies liegt vor allem daran, dass weder Angaben zum sozialen Hintergrund derjenigen existieren, die einen Bildungsgutschein erhalten haben, noch dass man genügend sowohl über den Ablauf der Vermittlungs- und Beratungsprozesse und über die in ihnen ablaufenden Entscheidungsprozesse über die Vergabe von Bildungsgutscheinen und den Umgang der Betroffenen mit den Bildungsgutscheinen weiß. Auch wenn wir heute wissen, dass über die sogenannten „Handlungsprogramme“ BA der Kreis der potenziellen Nutznießer von FbW eingeengt wird, ist nicht auszuschließen, dass die realisierten Zugänge in FbW in beträchtlichem Umfang auf Selbstselektionsprozesse zurückzuführen sind. Solche Selbstselektionen könnten darin begründet sein, dass das Instrument FbW (mit seiner starken Ausrichtung auf formalisierte, arbeitsferne Bildungsprozesse) nur bestimmte Lernbedürfnisse und -voraussetzungen als auch Integrationsvorstellungen bedient, die nicht bei allen Adressaten gegeben sein dürften.


    3 Kehrtwende in der Bewilligungspraxis? Zur abnehmenden Bedeutung von FbW

    Die Förderung beruflicher Weiterbildung war einstmals eines der größten Instrumente aktiver Arbeitsmarktpolitik in Deutschland. Man muss sicherlich in Rechnung stellen, dass die in den 90er Jahren erreichten Teilnehmerzahlen oberhalb der Millionengrenze (Biewen et al. 2006: 383) eine „Sonderkonjunktur“ arbeitsmarktpolitischer Instrumente abbilden, die sehr viel mit der De-Industrialisierung der Neuen Bundesländer und der „Fallschirmfunktion“ der AMP im Transformationsprozess zu tun hatte. Dennoch handelte es sich auch danach noch um ein breit genutztes Instrument, für das vor In-Kraft-Treten der Hartz-Gesetze erhebliche finanzielle Ressourcen eingesetzt wurden. Allein in den Jahren 2000 bis 2002 betrug die Zahl an Personen, die in eine FbW-Maßnahme einmündeten, um die 470.000, wobei der Höchststand der Zugänge mit 522.900 im Jahr 2000 lag. Ihren vorläufigen Tiefststand erreichte die Zahl der Zugänge mit 131.500 im Jahr 2005, wobei die Talsohle im Herbst 2005 lag. Seitdem gibt es laut den von der BA vorlegten Daten einen spürbaren Wiederanstieg, eine Entwicklung, die vom Konsortium selbst aufgrund von Zweifeln an der Validität nur vorsichtig kommentiert wird. (IZA et al. 2006 b: M7f.) der seit 2005 ermittelten Zu- und Abgangsdaten nur vorsichtig kommentiert wird. (IZA et al. 2006 b: M7f.) (Der Bericht verweist auf wenig plausible Monatsangaben über die Bewegungsvorgänge in und aus FbW (ebenda: M7, Fußnote 2) und rekurriert auf die Lieferprobleme statistischer Daten von kommunalen Trägern des SGB II.)

    Man wird sicherlich sehr vorsichtig mit Prognosen sein müssen, wie sich das Instrument FbW in Zukunft entwickeln wird. Zweifellos spielt bei den jüngeren Entwicklungen auch eine Rolle, dass dieses Instrument inzwischen auch vermehrt Eingang in die arbeitsmarktpolitische Förderung des SGB II gefunden hat: Immerhin entfallen laut Statistik der BA inzwischen (d.h. im Jahr 2006) knapp 44% der erfassten Zugänge auf den Rechtskreis des SGB II. Auch wenn die darin sichtbare Öffnung dieses Instruments für den Kreis von Leistungsbeziehern nach dem SGB II positiv zu bewerten ist, verbindet sich damit eine nicht unproblematischen Entwicklung in der Instrumentensteuerung (s. Abschnitt 4).

    Zunächst einmal bleibt jedoch festzuhalten, dass der Stellenwert von FbW im Konzert jener arbeitsmarktpolitischen Instrumente, mit denen berufliche Bildungs- bzw. Qualifizierungsprozesse eingeleitet und vermittelt werden, eindeutig und – wenn wir es richtig sehen – irreversibel verringert worden ist. Während etwa die Zugänge bei Trainingsmaßnahmen zwischen 2002 und 2006 rechtskreisübergreifend um insgesamt etwa 12 Prozent auf etwa 978.000 zugelegt haben, haben sich die zu FbW fast halbiert. Dies allein ist zwar noch kein Indiz für einen verringerten Stellenwert von Bildung und Qualifizierung in der Arbeitsmarktpolitik, aber zumindest ein problematisches Signal, was den Stellenwert von Qualitätsstandards solcher Prozesse anbelangt.


    4 Reformentwertung durch Redefinition des Instruments?

    Erinnern wir uns: Mit der Reform des Instruments FbW war ein ehrgeiziges Projekt auf den Weg gebracht worden, das eine deutliche Qualitätssteigerung – und zwar nicht nur im Hinblick auf Effekte in der unmittelbaren Arbeitsmarktintegration – im Bereich arbeitsmarktpolitischer Qualifizierung zum Ziel hatte. Der Endbericht zur Evaluation kommt in dieser Hinsicht zu einem durchaus differenzierenden Resümee, in dem „Anlaufschwierigkeiten bei der Umsetzung der Reform in den Agenturen“, kostensenkungsinduzierter Qualitätsverlust von Maßnahmen sowie Reibungsverluste bei der Durchsetzung des neuen Qualitätssicherungssystems eingeräumt werden (IZA et al. 2006a: 225ff).

    Ob die dann doch insgesamt, im Wesentlichen auf die Ergebnisse der mikroökonometrischen Analysen gestützte, optimistische Einschätzung einer Reform, die gegriffen hat, aus heutiger Sicht aufrecht erhalten werden kann, darf allerdings bezweifelt werden:

    Erstens: Im Evaluationsbericht wird selbst darauf hingewiesen, dass sich die SGB II-Träger stärker an jenen, tendenziell angebotsorientierten Steuerungsmodus gebunden fühlen (IZA et al. 2006a: 228f.), dessen Überwindung ein erklärtes Ziel der Reform war. Im Klartext: Im Regelkreis des SGB II finden wir heute also die Praxis wieder, dass Bildungsträger Angebote machen, die dann durch ARGEn und Optionskommunen beschickt werden. Selbst wenn im Bereich der Agenturen bislang kein überzeugendes Steuerungsmodell von Angebot und Nachfrage gefunden worden zu sein scheint, so ist das in den ARGEn beobachtbare Festhalten am „alten“ Modus schon deswegen keine Lappalie, weil dadurch ein Steuerungsmodell wiederbelebt wird, das in einer zwanzigjährigen Qualitätsdebatte immer wieder – und zurecht – kritisiert worden ist.

    Zweitens: Inzwischen ist die im Bericht enthaltene Behauptung, nach der die Bildungszielplanung ein zentrales Steuerungsinstrument bei FbW darstellt (IZA et al. 2006a: 225), faktisch dadurch widerlegt, dass die Erstellung solcher Pläne inzwischen nicht mehr obligatorisch ist. Die Gründe dafür liegen offenbar in dem ungelösten Problem einer verlässlichen regionsspezifischen Feinprognose. Wie nunmehr eigentlich in den Agenturen gesteuert wird und wie insbesondere der Ausgleich von Angebot und Nachfrage geschieht, ist ungeklärt.

    Drittens: Noch gravierender erscheint jedoch das Regulationsgefälle zwischen dem Instrument FbW und anderen Instrumenten, die Qualifizierung enthalten bzw. bieten (können), wie etwa den Eingliederungszuschüssen oder den Trainingsmaßnahmen. Insbesondere in der Gegenüberstellung von FBW- und Trainingsmaßnahmen werden Extreme sichtbar: Hier auf der einen Seite in ihrer Qualität tendenziell hoch regulierte und teure, dort ungeregelte, im Vergabeverfahren auf Billigangebote zielende Maßnahmen (die in Teilen ausschließlich auf den Test der Arbeitsbereitschaft zugeschnitten scheinen als dass sie noch ernsthaft auf einen Qualifizierungskern abstellen). Auf der jüngsten Fachtagung des Monitor Arbeitsmarktpolitik wurden die Auswüchse deutlich, die durch dieses Regulationsgefälle möglich sind, und damit auch der mögliche „Verschiebebahnhof“ umrissen. Bringt man das darin aufscheinende Dilemma einer einzelinstrumentbezogenen Reform auf den Punkt, dann könnte man es so formulieren: Dort ein teures und qualitativ gut gesteuertes Instrument, mit dem die durch Selektion ausgewählten gut informierten und selbstbewussten Adressaten tendenziell gut umgehen können, dort ein kostengünstiges und wenig standardisiertes Instrument, dessen souveräne Handhabung durch eine weniger gut über den Bildungsmarkt informierte Klientel erheblicher Unterstützung durch Vermittlung und Beratung bedarf.

    Immer unterstellt, dass der Qualifizierungsgedanke bei Trainingsmaßnahmen und anderen verwandten Instrumenten nicht nur rein rhetorischer Natur ist: Auch die ehr-geizigste Reform des Instruments FbW bleibt unvollständig, wenn sie nicht durch zweierlei flankiert wird: Zum einen durch die Etablierung von Mindeststandards für andere Instrumente und eines entsprechenden QM-Systems, zum anderen durch die Suche nach einem wirklich neuen, praktikablen Steuerungsmodus jenseits von Markt und Hierarchie. Die derzeitigen sichtbaren Schwächen, insbesondere aber die Aufgabe des Ziels einer verlässlichen Planung und Steuerung des lokalen Qualifizierungsangebots stellt die Kapitulation eines Modells dar, das mitnichten „markt- bzw. oder gar Nachfrage-gesteuert war. Blickt man genauer hin, dann handelte es sich bei dem nun gescheiterten Modell ebenfalls um eines der „Angebotsorientierung“, nur dass dieses Angebot von den Agenturen „virtuell“ bereitgestellt wurde (durch Definition geförderter Ziele). Die Nachfrageseite – Betriebe wie Arbeitslose – spielten in diesem Modell eine allenfalls nachrangige Rolle – ebenso wie die eigentlichen Bildungsanbieter. Will man aus dem Scheitern dieses Modells lehren ziehen, so ist institutionelle Phantasie ebenso gefragt wie kalkuliertes Experimentieren mit neuen Lösungen, in denen die Beteiligung der Nachfrageseite ebenso berücksichtigt wird wie die Notwendigkeit, bei einer stärker nachfrageorientierten Steuerung eine gewisse Bildungs- und Lerninfrastruktur aufrecht zu erhalten und zu finanzieren.


    5 Was wurde da eigentlich evaluiert? – Zurückhaltung im Umgang mit bestimmten Ergebnissen ist angebracht

    In der Einleitung wurde nach dem Wert der Evaluationsergebnisse gefragt. Sicherlich gilt, dass die Evaluationsstudie zu FbW einen – und in Teilen sogar erheblichen – Erkenntnisgewinn gebracht hat. Es zeigen sich aber auch die Grenzen einer wenig kontextualisierten Evaluationsanlage. Diese schon in einem früheren Kommentar geäußerte Kritik, die sich auf eine zu geringe Integration der unterschiedlichen methodischen Verfahren und ihrer Ergebnisse bezog, hat ihre Gültigkeit nicht verloren. Wie sehr Befunde eine Momentaufnahme darstellen können, deren Relevanz schon im nächsten Augenblick in Bedeutungslosigkeit umschlagen kann, zeigt das Beispiel der Bildungszielplanung. Von daher erscheint die Schlussfolgerung des Konsortiums, das die Reform gegriffen hat, allzu riskant oder in ihrer Allgemeinheit belanglos.

    Unter anderem mit Blick auf die Ergebnisse ihrer eigenen Evaluationsstudie haben Eichhorst und Zimmermann kürzlich den Vorschlag einer radikalen Bereinigung des Katalogs arbeitsmarktpolitischer Instrumente unterbreitet und in diesem Zusammenhang dafür plädiert, das Instrument FbW als eines von insgesamt 4 Instrumenten beizubehalten. In diesem Zusammenhang ist es sicherlich von nicht zu unterschätzender Bedeutung, dass die in der Evaluation erfolgte Sortierung nach Programmtypen von FbW ohne genauere Kenntnis dessen erfolgt zu sein scheint, was in diesen Maßnahmen tatsächlich passiert.* Ob das die Ergebnisse der mikroökometrischen Evaluation grundsätzlich in Frage stellt, lässt sich nicht beurteilen. Wichtiger erscheint, dass es die differenzierte Bewertung der einzelnen Programmtypen in Frage stellt und damit das Urteil, das im Zuge der Reform weniger erfolgreiche Programme überproportional abgebaut wurden. Im Lichte dieser Skepsis muss der Vorschlag von Eichhorst und Zimmermann einer Vereinfachung ebenfalls skeptisch beurteilt werden. Wenn wir nicht sicher sein können, was unterschiedliche Qualifizierungsformen und Maßnahmetypen wirklich leisten, dann spricht nichts gegen Vereinheitlichung, soweit sie auf die regulativen Standards zielt – und viel für die Aufrechterhaltung von Vielfalt. Ob man dann Instrumente unter einem neuen Begriff zusammenfasst, ist vielleicht eher von nachrangiger Bedeutung.


    6 Fazit

    Die FbW-Reform ist weder vollständig gelungen noch kann man sie als misslungen bezeichnen. Dies ist im Prinzip die eigentliche, aber eher geheime Botschaft des Evaluationsberichts. Kontextualisiert man diese Befunde, d.h. stellt man sie in den Zusammenhang der Entwicklung der Förderpraxis in den beiden Regelkreisen wie auch den der unterschiedlichen Regulierungsqualität von Instrumenten aus dem Kanon arbeitsmarktpolitischer Qualifizierungsinstrumente, ergibt sich freilich ein deutlich durchwachseneres Bild eines Füllhorns an Problemen. Es ist eben nicht alles im Lot und ohne energische Gegensteuerung droht der durchaus mögliche Reformeffekt eines Qualität steigernden Umbaus arbeitsmarktpolitischer Instrumente zu verpuffen. Eine Diskussion hierüber – hier wiederholt sich der Autor - sollte so schnell und so breit wie möglich begonnen werden. Des Weiteren wird gerade am Beispiel FbW klar, dass man Evaluation und Qualitäts-Monitoring als einen ständigen, gleichwohl flexiblen Prozess anlegen muss, mit dem man auf Änderungen der Rahmenbedingungen und neu sich ergebende Problemstellungen reagieren kann.

    * Diese Annahme begründet sich aus der Präsentation der Projektergebnisse auf der vom IZA ausgerichteten Fachtagung in Bonn im Februar dieses Jahres. In der Präsentation wurde erwähnt, dass den Programmtypen 5 und 6 (Einzel- bzw. Gruppenmaßnahmen mit Abschluss) auch Maßnahmen mit einer Laufzeit, die kürzer als 6 Monate waren, zugeordnet worden waren. FbW-Maßnahmen mit einer Laufzeit von weniger als 6 Monaten können jedoch definitionsgemäß mit keinem anerkannten Abschluss enden.


    Quelle: monitor-arbeitsmarktpolitik.de, Juli 2007

    Sie können die Stellungnahme mit den Literaturangaben hier als pdf-Datei herunterladen.


    Verweise zu diesem Artikel:
    Dieser Beitrag wurde zuletzt aktualisiert am 23.07.2007

    Quelle: www.netzwerk-weiterbildung.info
    Druckdatum: 19.03.2024