Der Kommentar

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Monster-Bürokratie – mit etlichen Pferdefüßen

Schildern möchte ich an dieser Stelle meine Erfahrungen mit einem kleineren Bildungsträger, der in der Pflegelandschaft tätig ist.

Gekommen bin ich zu diesem Bildungsträger über die Empfehlung eines Kollegen, der mir erzählte, dass dieser Träger dringend einen EDV-Dozenten suchte. Ich stellte mich vor und fest, dass gar kein EDV-, sondern ein Deutsch- bzw. Bewerbungsdozent gebraucht wurde. Kein Problem – ist ja auch meine Linie.

Dieser Bildungsträger hat sich von seiner größeren Mutter als eigenständige Pflegeschule abgenabelt, was sich in einem anderen Erscheinungsbild und Anspruch deutlich macht. Schon beim Entree ein „gehobener“ Eindruck: Mit Großbildschirmen, Logo, Werbefotos von zufrieden aussehenden „TeilnehmerInnen“ und professionell anmutender Gestaltung wird der Besucher willkommen geheißen.

Die Rezeption ist mit gleich mehreren Kräften besetzt. Die Begrüßung ist „professionell“ – höflich, aber etwas steif.

Mein Gespräch mit der stellvertretenden Schulleitung verläuft angenehm, und bald kommt ein erster Einsatz zustande – mit allerdings einem mehrtägigen Vorlauf.

Zunächst soll ich einen halben Tag unentgeltlich „hospitieren“, um zu sehen, wie Unterricht an dieser Schule gehandhabt wird. Im zweiten Schritt soll dann eine erfahrene Kraft aus dem Hause in meinem Unterricht „hospitieren“, um zu sehen, wie ich unterrichte. Auch dieser Tag wird nicht vergütet.

Meine erste Unterrichtshospitation findet statt, auch das Thema „Diabetes“ ist interessant, eine Hospitation seitens der Schule in meinem Unterricht erfolgt mangels Lehrerkapazitäten nicht – mir soll es recht sein.

Nun kann ich mit meiner ersten Unterrichtseinheit beginnen. Noch nicht ganz – davor stehen noch einige höhere bürokratische Hürden.

Zum einen reicht es der Leitung nicht, dass ich nur meinen Lebenslauf und mein Anschreiben, aus denen zur Genüge hervorgeht, was ich gemacht habe, welche Zertifikate ich habe, was ich unterrichten will, einreiche, sondern ich muss eine umfangreiche Excel-Tabelle ausfüllen, in der ich Daten aus dem Lebenslauf wiederhole und detailliert schildern muss, was ich wo und wie unterrichtet habe, welche Zertifikate ich habe und was ich en dĂ©tail unterrichten möchte.

Dann kommt ein Hammer: Ich soll sämtliche Unterrichtsinhalte 48 Stunden vor dem Beginn der Unterrichtseinheit per E-Mail einreichen und jeder Inhalt zu jeder Stunde muss von der Leitung freigegeben werden. Begründung: Ich könnte ja politisch nicht korrekte Inhalte in dem Kurs verbreiten. Nun gut, das ist noch nachvollziehbar, obwohl ich mich, sollte ich dies tatsächlich machen, keine Woche mehr in dem Bereich halten und keine Aufträge auch bei anderen Trägern mehr bekommen würde.

Damit nicht genug: Ich werde dazu genötigt, meine von mir entwickelten Inhalte in das Corporate Design des Bildungsträgers einzupflegen – beispielsweise eine PowerPoint-Präsentation zu schriftlichen Bewerbungen im Umfang von zwölf Folien.

Im Umgang mit den Office-Programmen schon allein aus beruflichen Gründen versiert, brauchte ich für den Umbau dieser Präsentation inklusive Anpassung an geforderte Schriftarten und -größen zwei bis drei Zeitstunden. Jedes weitere Handout musste ich – etwas weniger zeitaufwändig, aber immerhin noch mit rund 10 bis 15 Minuten – in die CI-Vorlage einpassen. Alles selbstverständlich ohne Vergütung.

Mein © durfte zwar in der Fußzeile auftauchen (vermutlich aus Haftungsgründen), aber mein Design durfte ich nicht verwenden. Wo bleibt da mein Copyright? Und: Werden die Unterlagen im Unternehmen etwa noch anderweitig verwendet? Ich hätte gerne Unterlagen erstellt und in ihr Corporate Design eingepflegt, aber dann bitte vergütet. Und dann hätte ich gerne mein Copyright abgetreten.

Service des Hauses: Zumindest wurden meine Unterlagen vor der jeweiligen Kursstunde kopiert. Das will ich als Information nicht unterschlagen.

Der erste Unterricht mit den TeilnehmerInnen lief sehr gut und brachte Spaß. Hinterher musste ich allerdings in zwölf Leitz-Ordnern Eintragungen machen – Anwesenheitslisten und detaillierte Inhalte, da mein Bewerbungskurs aus je sechs Vollzeit- und Teilzeit-Gesundheits- und Pflegeassistenzkursen zusammengewürfelt war. Für diese Eintragungen brauchte ich 20 Minuten – nach Feierabend. Netterweise bot mir die stellvertretende Leiterin im Anschluss daran an, die Ordner zum Lehrerzimmer mit mir zurückzutragen.

Neben den schon geschilderten bürokratischen Aufgaben, die ich in dieser gesammelten Form trotz meiner langjährigen Unterrichtserfahrung noch bei keinem anderen Träger erlebt hatte, kamen noch die angeblich bei den TeilnehmerInnen beliebten „Montagsfragen“ hinzu – drei Fragen zum Unterrichtsstoff der Vorwoche, die die Dozenten nach ihrem Unterricht einreichen und die TeilnehmerInnen dann am darauf folgenden Montag beantworten sollten.

Insgesamt ein Aufwand jenseits Vorbereitung und Unterrichtszeiten, den ich nirgendwo sonst erlebt habe. Hochgerechnet auf meine anderen Tätigkeiten hieße das, ich könnte bei entsprechendem Aufwand bei anderen Trägern definitiv nicht mehr kostendeckend arbeiten. Diese Kröten habe ich anfangs trotz Bauchschmerzen geschluckt – dachte, einmaliger Aufwand für mich, bei regelmäßigen Aufträgen mit gleichen Materialien vertretbar.

Dann bekam ich einen Unterricht, den ich einen Tag im Voraus rund zwei bis drei Stunden vorbereiten musste. Am Vorabend des Unterrichts um 18 Uhr bekam ich einen Anruf der stellvertretenden Leiterin, dass der Unterricht nicht stattfinden würde. Als Ausgleich bot sie mir an, dass ich als erster benachrichtigt werden würde, falls ein anderer Unterricht ausfallen würde – somit ein sicherer Verlust für mich gegen unsichere Entschädigung, denn wer weiß, wann eine solche Kompensation tatsächlich erfolgen könnte.

In diesem Moment riss mir die Hutschnur und ich schrieb drei „Hass-E-Mails“, in denen ich meiner aufgestauten Wut Ausdruck verlieh und sagte, dass ich am liebsten die Brocken hinschmeißen würde. Dies zeigte Wirkung: Am nächsten Morgen begrüßte sie mich freundlich, bot mir als erstes einen Kaffee an und versicherte mir, wie wichtig es ihrer Schule sei, dass die Dozenten sich wohlfühlten. Gleichzeitig bat sie mich zu einem klärenden Gespräch ein paar Tage später.

In diesem Gespräch zeigte sie sich verwundert über die Wucht meiner Reaktion, hatte wohl auch nicht meine Besorgnis wegen des Copyrights verstanden. In dem wichtigen Punkt der Vergütung für den kurzfristigen Unterrichtsausfall biss ich auf Granit. Sie sagte, so etwas würde äußerst selten passieren – dann wäre es doch mehr als eine symbolische Geste, mir diesen Unterrichtsausfall zu vergüten.

So hätte ich mich gleich viel wohler gefühlt, woran ihr ja nach ihrer Aussage so gelegen war. Bei einem anderen Träger hatte ich eine Regelung, dass Unterrichtsabsagen innerhalb von 48 Stunden vor dem Unterricht für den Träger kostenpflichtig waren – eine, wie ich finde, faire Regelung, da ich innerhalb dieser Zeit kaum Ersatz organisieren kann.

So sollte sich dieser Bildungsträger einmal einem von bestellten Handwerker gegenüber verhalten. Warum gelten für selbstständige Dozenten andere Regeln als für selbstständige Handwerker? Immerhin wird in jedem zweiten Satz des von der Pflegeschule ausgehändigten Dozentenvertrages die Selbstständigkeit des Dozenten ausdrücklich betont.

Nach zweitägiger Bedenkzeit willigte ich zähneknirschend ein, da ich zu diesem Zeitpunkt auf diesen Auftrag dringend angewiesen war und die Bezahlung mit 24,50 Euro pro Zeitstunde verglichen mit anderen Aufträgen in Ordnung war – bis auf die Pferdefüße mit der vorherigen Zusendung meines Materials, der Nichterstattung des Unterrichtsausfalls, dem aus meiner Sicht zu großem organisatorischen Aufwand und der Copyright-Frage.

Was lerne ich daraus: Bei zukünftigen Aufträgen werde ich hoffentlich etwas genauer hinschauen und auch meine Position besser vertreten.

ein Beitrag aus der ver.di-AG Freie und Honorarkräfte Hamburg


Schlagworte zu diesem Beitrag: Freiberufler/Selbstständige
Dieser Beitrag wurde zuletzt aktualisiert am 10.02.2016

Quelle: www.netzwerk-weiterbildung.info
Druckdatum: 28.03.2024