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Informationen zur aktuellen Lage in der beruflichen Aus-, Fort- und Weiterbildung

Experten sprechen sich für Weiterbildung aus

Es ist inzwischen Allgemeinwissen, dass lebenslanges Lernen im Zeitalter der Globalisierung zur Wettbewerbsfähigkeit von Menschen, Unternehmen und Volkswirtschaften beiträgt. Die Expertenkommission „Finanzierung Lebenslangen Lernen“ spricht sich für eine finanzielle Förderung und Transparenz der Weiterbildung aus. Wer einmal als Arbeitnehmer oder Arbeitnehmerin den Anschluss verliert, für den ist es in besonderem Maße schwierig, wieder ins Erwerbsleben einzusteigen.

Die sogenannte „Modernisierung der Sozialpolitik“, die durch das Hartz – Konzept des „Forderns und Förderns“ vorangetrieben wird, verfolgt eine grundlegende Umsteuerung der deutschen Arbeitsmarktpolitik. Damit ist auch das zentrale Instrument der beruflichen Weiterbildung betroffen.

Die neuen Zahlen der BA belegen weiteren dramatischen Rückgang der
Förderung von beruflicher Weiterbildung


Im August waren 156.200 Teilnehmer in Maßnahmen der beruflichen Weiterbildung (- 30 Prozent weniger als vor einem Jahr). Seit Jahresanfang traten 123.100 Personen in solche Maßnahmen ( - 23 Prozent) ein. Der Trend der Verschiebung von beruflicher Weiterbildung zu Trainingsmaßnahmen hat sich fortgesetzt. Im Monat August wurden 82.200 Teilnehmer (+4 Prozent) und seit Januar 811.700 Eintritte Eignungsfeststellungs- und Trainingsmaßnahmen ( + 25 Prozent) gezählt.

Im ersten Halbjahr betrugen die Zuschüsse der BA zu den Kosten der beruflichen Weiterbildung in den Monaten Januar bis Juni dieses Jahres 791.825 Euro. Gegenüber der Vergleichszahl des Vorjahreszeitraumes in Höhe von 1.114.142 Euro ist das ein Rückgang von 29 Prozent Im Gesamtjahr 2003 betrugen die Zuschüsse der BA zu den Kosten für berufliche Weiterbildung 2.028.617 Euro, im Jahre 2002 noch 2.704.718. Sollte sich der Rückgang in der ersten Hälfte des Jahres 2004 in gleichem Umfang in der zweiten Hälfte fortsetzen, werden die Zuschüsse der BA zu den Kosten für die berufliche Weiterbildung für das Gesamtjahr 2004 bei ca. 1.441.700 Euro liegen. Im Vergleich zu 2002 dürften sich die Ausgaben damit nahezu halbieren.

Bildungsgutscheine sind als Steuerungsinstrument für individuelle und gesellschaftlich wünschenswerte Weiterbildung nicht tauglich

Jeder fünfte Bildungsgutschein wird nach Angaben der BA nicht eingelöst. Mit den Erwerbslosen ist ausgerechnet die schwächste Gruppe von Weiterbildungsnachfragern zu Versuchskaninchen für ein neues Finanzmodell gemacht, das m. E. angesichts der Intransparenz der Entscheidungsmöglichkeiten scheitern muss.

Die willkürlich gesetzte Verbleibsquote entzieht pauschal und ohne Berücksichtigung von spezifischen Handycaps der einzelnen Zielgruppen und regionalen Besonderheiten die notwendigen Bildungsmaßnahmen die Grundlage.

Zentrale Ausschreibungs- und Vergabeverfahren führen ausschließlich zu einem Preisdumping und ordnen Qualität unter

Erste Auswertungen der BVB – (Berufsvorbereitende Bildungsmaßnahmen) Ausschreibungsverfahren zeigen, dass es zu einer Umstrukturierung dieses Teils der Trägerlandschaft kommt. Die Entscheidungen der regionalen Einkaufszentren REZ) der BA werden in vielen Fällen als nicht transparent bezeichnet.

Aufgrund unserer Abfrage zu den BvB Ergebnissen gehen wir von einem 30 - 40prozentigen bundesweiten Trägerwechsel aus. Auch wenn der Vertreter der Bundagentur, Hans-Uwe Stern, auf der ver.di Veranstaltung „Für gleichberechtigte Teilhabe – Berufliche Reha sichern und fördern“ am 15. September 2004 erklärte, es seien ca. 90 Prozent der zugeschlagenen Lose an Weiterbildungsträger mit Erfahrungen vergeben worden. Die Aussage entkräftet nicht unsere Annahme. Da zwar der einzelne Träger Erfahrungen an den Standorten A und B haben kann – die muss er aber nicht an dem jeweiligen Orten C und D oder bei den jeweils zugeschlagenen Losen haben.

Unberücksichtigt in diesem Verfahren bleibt, dass die Weiterbildung ihre Qualität im Wesentlichen durch das Wissen und das Engagement des beauftragten Lehrpersonals entwickelt. Das Lehrpersonal, das Know-how der Weiterbildungsträger, die Erfahrung und die didaktische Konzeption sind entscheidend für die Qualität der Maßnahme. Anstatt dieses Gut zu pflegen, wird durch den überzogenen Wettbewerb des Ausschreibungsverfahrens genau das Gegenteil erreicht.

Geschäftspolitische Ziele des BA-Vorstandes lassen ein weiteres dramatisches Jahr 2005 für den SGB III Bereich erwarten

Der Vorstand der BA beabsichtigt, das SGB III Budget inklusive der Anteile berufliche Rehabilitation zu senken. Gründe sind der in § 46 Absatz 4 SGB II normierte Aussteuerungsbetrag – der für das Jahr 2005 ca. 6,7 Mrd. EUR beträgt – und die beabsichtigte Kürzung des Bundeszuschusses um 1,7 Mrd. EUR. Gerechnet wird im Jahre 2005 mit einer Stagnation der Gesamteinnahmen der Bundesagentur bei gleichzeitigen vergleichbaren Ausgaben für Lohnersatzleistungen.

Wir lehnen den Aussteuerungsbetrag ab. Es werden Beitragsmittel statt Steuergelder zur Finanzierung von Fürsorgeleistungen herangezogen.

In der berufliche Rehabilitation bedeutet Stagnation Abbau

Im Budget für berufliche Rehabilitation sollen im Jahre 2005 deutliche geringere Kosten „bei gleicher oder besserer Wirkung“ erreicht werden. Bereits in den letzten Jahren gab es Minus- bzw. Nullrunden in der beruflichen Reha. Diese Politik wird aller Voraussicht nach mit anderen Mitteln und Instrumenten in den kommenden Jahren fortgesetzt.

Auf der ver.di Veranstaltung „Für gleichberechtigte Teilhabe – berufliche Reha sichern und fördern“ am 15. September 2004 erklärten der Vertreter des Bundesministeriums für Gesundheit und Soziales, Manfred Rombach, und der Vertreter der Bundesagentur für Arbeit, Hans-Uwe Stern, dass die BvB Maßnahmen für „Einrichtungen nach § 35 SGB IX“ nicht ausgeschrieben werden, sondern diesen Einrichtungen zugewiesen. Einzelheiten müssten aber noch geklärt werden.

Die rot-grüne Bundesregierung und die Praxis der Bundesagentur zerschlagen die berufliche Weiterbildung

Wir haben es in der beruflichen Weiterbildung mit einer Entwicklung zu tun, die, wenn sie anhalten sollte, bald nicht mehr existiert und damit das immer noch das erfolgreichste Instrument der aktiven Arbeitsmarktpolitik zerschlägt.

Es werden bundesweit Weiterbildungsstrukturen zerschlagen! Wir schätzen einen Arbeitsplatzabbau von 15 000 im letzten Jahr und von weiteren mehren Tausenden Arbeitsplätzen in diesem Jahr! Die, die früher Arbeitslose weitergebildet haben, werden selber arbeitslos.

Der zusätzliche Wettbewerb geht zu Lasten der Qualität der Maßnahmen.

Mangelnde Investitionen in Weiterbildung werden schnell zu einem wirtschaftspolitischen Bumerang.

Verschlechterung der Einkommens- und Arbeitsbedingungen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer (Abbau von Entgelten bis zu 25 Prozent). Für die verbliebenen Träger und Beschäftigten verschärft sich der Druck auf die Arbeitsbedingungen. Der Trend zu prekären Arbeitsverhältnissen nimmt zu.


Forderungen

Die Arbeitsagenturen müssen ihre Nachfrage verstetigen. Weiterbildung muss im Katalog der Arbeitsmarktpolitik einen festen Platz haben.

Kein Finanztransfer zu Lasten des Eingliederungstitels.

Die Praxis der Vergabe von Bildungsgutscheinen dringend zu überprüfen.

Die pauschalierte 70%ige Verbleibsregelung aufzuheben und zu Gunsten einer differenzierten Zielgruppenregelung unter Berücksichtigung regionaler Besonderheiten zu ersetzen.

Arbeitsmarktdienstleistungen können nicht im Rahmen von wettbewerblichen Ausschreibungs- und Vergabeverfahren vergeben werden.

Berlin, 20. September 2004

Hans-Jürgen Sattler
ver.di - Bundesvorstand
Bildung, Wissenschaft und Forschung (Weiterbildung)

Sie können die Information zur aktuellen Lage hier auch als pdf-Datei herunterladen.


Verweise zu diesem Artikel:
Dieser Beitrag wurde zuletzt aktualisiert am 22.09.2004

Quelle: www.netzwerk-weiterbildung.info
Druckdatum: 29.03.2024