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Reiches Land, arme Bildung

DozentInnen an der VHS Hamburg fordern höhere Honorare

„Gut, dass Kursleiter nie krank werden.“ Das steht auf 3.000 Postkarten, die zwischenzeitlich verteilt und dem Hamburger Schulsenator Ties Rabe (SPD) zugesandt wurden. Denn Honorarkräfte erhalten kein Geld, wenn sie krank sind. In der kursfreien Zeit gibt es kein Urlaubsgeld. Außerdem tragen sie das wirtschaftliche Risiko, wenn Kurse nicht stattfinden. Dann gibt es eben kein Geld.



Die deutschen Volkshochschulen gehen davon aus, dass Honorarkräfte ihren Unterricht im Nebenjob machen. Die Realität sieht inzwischen anders aus. „In 2010 betrug die Zahl der freiberuflich tätigen Kursleitenden der VHS 1.377, davon waren 974 Frauen (70,7 Prozent). Der maximale Umfang einer Tätigkeit im Jahr 2010 betrug 1.120 Unterrichtseinheiten (UE), das Minimum betrug eine UE, der Durchschnitt liegt bei 127 UE.“ (Antwort auf eine Kleine Anfrage DER LINKEN an den Hamburger Senat, Drucksache 20/1889) Nach Ansicht der Kursleiter Vertreterin Claudia Dorothee Otten gibt es im Bereich Sprachen und Deutsch für Einwanderer an der VHS Hamburg fast nur Kursleiter, die den Job in Vollzeit erbringen. Etwa 300 KollegInnen seien betroffen. Dabei müsste auch dem Hamburger Senat klar sein, dass bei einer Unterrichtsbelastung von 1.120 Stunden nicht mehr von einem Nebenerwerb gesprochen werden kann.

Mit dem Argument, Honorarkräfte seien Selbstständige und damit für ihre soziale Absicherung allein verantwortlich, versucht sich der Senat aus seiner Verantwortung zu stehlen. Auf die Frage, was sie „zur sozialen Absicherung ihrer Kursleiter/innen“ beiträgt, erklärt der Senat: „Bei freiberuflicher Tätigkeit obliegt die soziale Absicherung den Auftragnehmern. Gleichwohl bietet die VHS die Möglichkeit an, kostengünstig eine freiwillige Unfallversicherung abzuschließen.“ Wobei für den Senat klar ist, dass selbst die „kostengünstige Unfallversicherung“ von den DozentInnen selbst zu bezahlen ist.

Schließlich dienen die miserablen Honorarsätze in großen Teilen der Weiterbildung und bei Volkshochschulen im Umland von Hamburg als Argument, nach 16 Jahren die Honorarsätze nicht anzuheben: „Bei der Beurteilung der Honorarsätze der VHS sind die in der Weiterbildungsbranche üblichen Sätze zu berücksichtigen. Die VHS zahlt im Rahmen ihrer Finanzierungsmöglichkeiten (im Vergleich zu anderen Volkshochschulen und insbesondere zu kommerziellen Bildungsträgern) durchaus höhere Honorarsätze. Die Honorarsätze zum Beispiel der Volkshochschulen in der Metropolregion Hamburg liegen in der Regel zwischen 15 und 21 Euro.“ (Antwort auf die Kleine Anfrage)

Der SPD-Senat ist tatsächlich der Ansicht, dass zum Lebensunterhalt nicht ausreichende Honorare gerechtfertigt sind, weil andere eben noch schlechtere Honorare zahlen. Sozial ging und geht anders! Warum muss die Hamburger Volkshochschule bei der Honorargestaltung die „üblichen Sätze berücksichtigen“, die in der Region gezahlt werden? Warum geht sie nicht als gutes Beispiel voran und zahlt die Honorarsätze, die für Vollzeitkräfte zum Leben reichen und die sich an Einkommen orientieren, die bei einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung üblich sind?


Die Stadt hat kein Geld

Hamburg ist verschuldet. Prestige-Projekte verschlingen Geld. An der Bildung jedoch spart der Senat seit längerer Zeit. So stiegen die Einnahmen der VHS, die von den Kursteilnehmern bezahlt werden von 1998 bis 2010 kontinuierlich von 4,317 Millionen Euro auf 5,763 Millionen Euro an. In derselben Zeit sank der Zuschuss der Stadt an die VHS von 5,823 Millionen Euro auf 5,041 Millionen Euro.

Dabei ist Hamburg eine reiche Stadt. Die Steuerkraft je Einwohner betrug 2008 knapp 5.000 Euro. Ostdeutsche Bundesländer haben dagegen nur um die 1.000 Euro je Einwohner an Steuern erhalten. Da könnte man annehmen, dass der Hamburger Senat in die Förderung der Weiterbildung mehr investiert als ostdeutsche Flächenländer. Die Realität sieht anders aus. Mit einer Förderung von 2,84 Euro je Einwohner rangiert Hamburg mit Sachsen und Brandenburg bei der Förderung der Volkshochschulen am unteren Ende aller Bundesländer (Volkshochschulstatistik 2010). Nur Sachsen und Brandenburg geben noch weniger Geld für die Volkshochschulen aus.



Allein die Anhebung der Förderung auf den bundesdeutschen Durchschnitt von 4,93 Euro je Einwohner würde der Volkshochschule gut 3,6 Millionen Euro jährlich bringen. Mit diesem Geld wäre es leicht möglich, die Honorare nach 16 Jahren wieder den gestiegenen Kosten anzugleichen.

Stattdessen wurde durch den vorherigen Senat beschlossen, die Zuschüsse zu kürzen. „Für die Haushaltsjahre 2005 und 2006 wurde unter anderem ein Beitrag der VHS zur Haushaltskonsolidierung beschlossen, der zu einer Absenkung der Zuschüsse 2005 und 2006 führte (siehe Drs. 18/1300).“ (Kleine Anfrage) Da wäre es an der Zeit, dass der neue SPD-Senat zumindest diese Kürzungen zurücknimmt.

Bisher hat der Senat die Volkshochschule regelmäßig bei den Haushaltsberatungen mit der Forderung nach höheren Zuschüssen abblitzen lassen. Vielleicht hilft die Postkartenaktion, einen Prozess des Umdenkens im Hamburger Senat und in der Hamburger SPD anzuschieben. Die Honorare müssen Vollzeitkräfte, die als DozentInnen arbeiten, angemessen entlohnen. So könnte die VHS in Hamburg sich am Berliner Modell orientieren. Dort erhalten DozentInnen, die wirtschaftlich von der VHS abhängig sind, 50 % der Sozialversicherungsbeiträge von der VHS erstattet. Zusätzlich zum Honorar.

Die Hamburger SPD könnte es sich aber auch viel einfacher machen. Sie könnte sich einfach am Manifest „Gute Arbeit – Gute Weiterbildung“ der SPD-Bundestagsfraktion vom Juni 2009 orientieren. Dort heißt es unter der Überschrift „Honorarkräfte müssen von ihrer Arbeit leben können“: „Die Stundensätze (müssen) auf ein Niveau angehoben werden, das eine vergleichbare Vergütung mit der von festangestellten Beschäftigten ermöglicht.“ Und nicht mit der von Umlandgemeinden, liebe Genossinnen und Genossen. Nehmt doch endlich eure eigenen Beschlüsse ernst.

Dann klappt es auch mit einer Erhöhung der Honorarsätze an der Hamburger Volkshochschule.


Verweise zu diesem Artikel:
Schlagworte zu diesem Beitrag: Volkshochschule, Honorar, Freiberufler/Selbstständige
Dieser Beitrag wurde zuletzt aktualisiert am 23.12.2011

Quelle: www.netzwerk-weiterbildung.info
Druckdatum: 28.03.2024