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Lehrkräfte in Integrationskursen fordern Festanstellung und Bezahlung wie reguläre Lehrkräfte an öffentlichen Schulen

Sehr geehrte Damen und Herren des Deutschen Bundestags,

die sogenannte Erfolgsgeschichte der Integrationskurse geht weiter. Im Juli letzten Jahres berichtete Report Mainz darüber, dass einige Bildungsträger das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) um geschätzte 100 Millionen Euro betrogen haben, indem sie zu viele Kreuze auf die Anwesenheitslisten gesetzt haben. Nun ist herausgekommen, dass einige Träger die B1-Zertifikate verkauft haben. Das Landeskriminalamt NRW ermittelt.

Die Lehrkräfte lehnen solche kriminellen Machenschaften ab, wir sehen aber auch, dass sie vom System der permanenten Unterfinanzierung begünstigt werden. Der Staat hat sich aus seiner Verantwortung für die öffentliche Weiterbildung weitgehend verabschiedet. Er meint, dass mit der Zahlung einer Pauschale sämtliche Zuständigkeiten auf den Träger übergegangen sind. Die Träger sind für die Höhe und die Auszahlung der Honorare und der Fahrtkosten der TeilnehmerInnen zuständig, stufen die TeilnehmerInnen selber ein usw. Dahinter steht die Idee: je weniger Staat, desto besser für den Markt. Tatsächlich leidet darunter die Qualität der Kurse und die Motivation der Lehrkräfte. Auch die Träger sind damit nicht glücklich.

Da der Staat die Träger finanziell an der ganz kurzen Leine hält ist es nicht verwunderlich, dass einige Träger die Grenzen des Legalen überschreiten. Wir wissen auch von Fällen, in denen die Träger keine Fahrtkosten an die TeilnehmerInnen ausgezahlt haben, obwohl den TeilnehmerInnen das Geld zusteht. Fast immer wurden die Fahrtkosten erst mit einer monatelangen Verspätung ausgezahlt, weil nach Angaben der Träger das Geld viel zu spät vom BAMF überwiesen wurde. Es gibt heute auch Träger, die von den KursteilnehmerInnen für jeden Fehltag eine Strafgebühr erheben, mit dem Argument, dass ein Fehltag für den Träger einen Verdienstausfall bedeutet. Es gibt weiterhin Träger, die Dumpinghonorare von 12 € pro Unterrichtseinheit zahlen.

Für uns Lehrkräfte ist die Frage von besonderem Interesse, ob wir in den Kursen selbstständig oder abhängig beschäftigt arbeiten. Wir sind der Meinung, dass wir gemäß Â§ 7 SGB IV abhängig beschäftigt sind, weil wir in den Betriebsablauf des Trägers eingegliedert sind und nach Anweisungen arbeiten. Das bedeutet, dass nach unserer Auffassung alle Träger dazu verpflichtet sind, rückwirkend und zukünftig die hälftigen Sozialversicherungsbeiträge abzuführen. Die Bundesregierung hat auf die Anfrage der Linksfraktion, ob sie sich daran beteiligen würde, schon geantwortet, dass sie keine Arbeitsverträge mit den Lehrkräften abgeschlossen hat. Nach Ansicht der Bundesregierung ist das ein alleiniges Problem der Träger. Die Bundesregierung lässt Lehrkräfte, Träger und KursteilnehmerInnen im Stich und erzeugt dadurch Armut mit all ihren negativen Auswirkungen wie z.B. der künftigen Altersarmut.

Den Lehrkräften steht dieselbe Bezahlung wie den Lehrkräften an öffentlichen Schulen zu. Sie haben die gleiche Qualifikation (Hochschulstudium) und Zusatzqualifizierungen. Jede Lehrkraft aus den Integrationskursen kann ohne Probleme eine Vertretungsstelle an einer öffentlichen Schule antreten und wird dort selbstverständlich als abhängig Beschäftigte/r bezahlt. Die Erfahrungen aus den Integrationskursen werden einkommenssteigernd berücksichtigt. Manche Schulen suchen ausdrücklich Lehrkräfte mit DaZ-Erfahrung.

Einige Gerichte beschäftigen sich mit der Frage, ob es einen Unterschied zwischen der methodisch-didaktischen Freiheit der Unterrichtsgestaltung in Integrationskursen und der methodisch-didaktischen Freiheit von Lehrkräften an öffentlichen Schulen gibt. Sie beschäftigen sich auch mit der Frage, ob die Auswahl von Lehrbüchern "in Abstimmung" zwischen den kursleitenden Lehrkräften und der Programmbereichsleitung erfolgt, und was genau unter "in Abstimmung" zu verstehen ist. Es wird auch gerichtlich untersucht, ob die Pflicht zur Führung von Kursheften mit Eintragung der Unterrichtsthemen sowie fehlender SchülerInnen vergleichbar mit der Führung von Klassenbüchern ist. Der Sinn hinter alldem ist, Indikatoren dafür zu finden, ob es sich um ein Beschäftigungsverhältnis im Sinne des § 7 SGB IV handelt oder nicht, und ob die Arbeit in Integrationskursen mit der Arbeit an öffentlichen Schulen vergleichbar ist.

Wir Lehrkräfte wissen, dass bei fast allen Trägern die Arbeitszeiten, der Arbeitsort und die Unterrichtsinhalte vorgegeben sind und die Lehrkräfte nach den Anweisungen des BAMF arbeiten. Das BAMF hat in seinem Rundschreiben an alle Träger vom 27.07.2011 geschrieben: "Die Lehrkräfte sind umgehend nochmals anzuweisen, die Anwesenheitslisten korrekt zu führen. Diese Anweisung gegenüber den Lehrkräften ist in Ihren Geschäftsunterlagen zu dokumentieren." Viele Träger veröffentlichen im Internet, wann und wo ihre Integrationskurse stattfinden und welches Lehrbuch verwendet wird. Das Stundenhonorar ist nicht verhandelbar und die Lehrkräfte sind schon deshalb in den Betriebsablauf eingegliedert, weil sie die Anwesenheitslisten erstellen, die der Träger benötigt, um mit dem BAMF abzurechnen. Alles spricht für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis im Sinne des § 7 SGB IV.

Die Integrationskurse haben sich dem staatlich reglementierten Kontrollsystem in der Praxis angeglichen, was auch durchaus sinnvoll ist. Nun muss die Angleichung in der Bezahlung erfolgen, die Lehrkräfte müssen also gemäß den für Lehrkräfte an öffentlichen Schulen geltenden Tarifverträgen bezahlt werden.

Bitte beachten Sie auch die Kommentare der Lehrkräfte auf der Seite www.dialog-ueber-deutschland.de der Bundeskanzlerin. Wie Sie sehen, beschweren sich auch zunehmend die Lehrbeauftragten an den Unis, die Lehrkräfte in den SGB II-Kursen und die Lehrkräfte in der frühkindlichen Sprachförderung. Im Bildungsbereich zu arbeiten stellt heute ein Armutsrisiko dar, deshalb gilt für alle Bildungsbeschäftigten:

"Schluss mit der Lüge von der Selbständigkeit der Lehrkräfte, sie müssen in ein festes und gesichertes Arbeitsverhältnis übernommen werden!"


Schlagworte zu diesem Beitrag: Freiberufler/Selbstständige, Honorar, Integrationskurse
Dieser Beitrag wurde zuletzt aktualisiert am 25.02.2012

Quelle: www.netzwerk-weiterbildung.info
Druckdatum: 29.03.2024