Berufliche Weiterbildung

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Die Zwei-Klassen-Gesellschaft

DGB-Analyse zur sozialen Spaltung in der Weiterbildung

Der DGB zieht aus den Ergebnissen der Berichterstattung zur Weiterbildung folgendes Fazit:

Die Zielmarken der Europäischen Union sowie des Dresdner Bildungsgipfels zur Stärkung der Weiterbildung beinhalten nur eine pauschale Zielzahl. Soziale Unterschiede beim Zugang zur Weiterbildung oder die Qualität der Maßnahmen werden überhaupt nicht betrachtet. Dennoch bleibt festzuhalten, dass Deutschland das Ziel der EU für das Jahr 2010 bereits deutlich verfehlt hat, im Jahr 2010 die Weiterbildungsbeteiligung auf 12,5 Prozent zu erhöhen. Die aktuellen Zahlen zeigen, dass dieser Wert sowohl im EU-Durchschnitt als auch von Deutschland im Jahr 2011 nicht erreicht wurde. So lag der Durchschnittswert der 27 Mitgliedsstaaten bei 8,9 Prozent und damit deutlich unter der anvisierten Zielmarke. Auch Deutschland riss mit 7,8 Prozent die angestrebte Messlatte. Der deutsche Anteil, lag damit nicht nur unterhalb der EU-Benchmark, sondern auch unter dem EU-Durchschnitt.

Auch die Vorgaben des Dresdner Bildungsgipfels wurden bisher – wenn auch nur knapp – verfehlt. Dennoch ist eine signifikante Steigerung der Weiterbildungsbeteiligung (von 42% auf 49% in 2012) zu verzeichnen. Bei der Betrachtung der Zielvorgaben von EU und Dresdner Bildungsgipfel ist darauf zu achten, dass andere Indikatoren genutzt wurden (siehe Kapitel 2).

Ein Blick auf den „Trendbericht Weiterbildung“ der Bundesregierung zeigt aber weiterhin eine starke soziale Spaltung im Weiterbildungssystem. Auch bei der Weiterbildung gilt das Prinzip: Wer hat, dem wird gegeben. Gut ausgebildete junge Männer mit Vollzeitstellen können ihr Wissen ständig auffrischen. Wer Teilzeit arbeitet, geringfügig beschäftigt ist, wenig verdient und keinen guten Schulabschluss hat, bekommt auch später deutlich weniger die Chance zur Weiterbildung. Dabei werden Betriebe angesichts des demographischen Wandels darauf angewiesen sein, gerade die bisher benachteiligten Gruppen zu qualifizieren, um ihren Fachkräftebedarf zu decken.

Die Gesamtschau der Daten ergibt gravierende Unterschiede beim Zugang zur Weiterbildung entlang folgender Merkmale:

Migrationshintergrund: Menschen mit Zuwanderungsgeschichte werden im Weiterbildungssystem zunehmend abgehängt. Bei ihnen stagnierte die Quote der Weiterbildung bei 33 Prozent, während sie bei den Menschen ohne Zuwanderungsgeschichte von 45 (2010) auf 52 Prozent im Jahr 2012 gestiegen ist.

Schulabschluss: Junge Menschen mit maximal einem Hauptschulabschluss (32%) nehmen deutlich seltener an Weiterbildung teil, als die Erwerbstätigen mit hohem Schulabschluss (64%).

Berufsabschluss: Grundsätzlich gilt auch hier: Je höher der berufliche Abschluss, desto eher profitieren die Beschäftigten von Weiterbildung. Von den Menschen ohne Berufsabschluss haben sich 37 Prozent weitergebildet, bei den Menschen mit Hochschulabschluss waren es 68 Prozent.

Un- und Angelernte: Führungskräfte (77%) haben eine deutlich höhere Chance als An- und Ungelernte (37%) an Weiterbildung teilzunehmen.

Einkommen: Die Weiterbildungsbeteiligung ist eng gekoppelt an das Einkommen der Beschäftigten. Beteiligten sich von den Beschäftigten mit einem Bruttoeinkommen von mehr als 4.001 Euro noch 78 Prozent an Weiterbildung lag die Quote bei einem Einkommen von 401 bis 1.000 Euro nur bei 43 Prozent.

Erwerbsstatus: Auch Arbeitslose (29%) nehmen deutlich seltener an Weiterbildung teil als Erwerbstätige (56%).

Teilzeit-Beschäftigte: Teilzeit-Beschäftigte (36%) schneiden bei der betrieblichen Weiterbildung deutlich schlechter ab als Vollzeit-Beschäftigte (48%).

Ältere: Erfreulich ist die gestiegene Weiterbildungsquote von Menschen im Alter von 60 bis 64 Jahren (2007: 18%; 2012: 32%). Im Vergleich zu den 45- bis 49-Jährigen (54%) schnei-den sie aber immer noch deutlich zu schlecht ab.

Frauen: Männer beteiligen sich im Jahr 2012 etwas häufiger (51%) als Frauen (47%). Im Jahr 2010 gab es praktisch keinen Unterschied zwischen Männern (43%) und Frauen (42%). Der Zuwachs in der Weiterbildung erfolgte somit deutlich stärker bei den Männern als bei den Frauen.

Betriebsgröße: Mit zunehmender Betriebsgröße steigen auch die Teilnahmequoten an Weiterbildung. Hierbei war im Jahr 2012 die Spanne zwischen der Weiterbildungsquote in Kleinstbetrieben (36%) und Großbetrieben (63%) besonders hoch.

Anhand dieser Daten muss man von einer Zwei-Klassen-Gesellschaft in der Weiterbildung sprechen. Von einer echten Weiterbildungskultur ist Deutschland weit entfernt. Mangelnde Transparenz, fehlende Beratung und eine unklare Finanzierung erschwert den Zugang zur Weiterbildung für diese abgehängten Menschen.

Um die Chancen der Weiterbildung für Beschäftigte und Betriebe zu erhöhen, müssen An-gebot und Nachfrage gestärkt werden. Ein neues und besseres Weiterbildungssystem kann nur vom Staat, den Tarifvertragsparteien und den Betrieben gemeinsam gestaltet werden. Nötig sind eine innovative betriebliche Weiterbildung, mehr Tarifverträge und Betriebsverein-barungen sowie eine aktive staatliche Weiterbildungspolitik.

Wenn es um eine bessere Finanzierung der Weiterbildung geht, brauchen wir einen Mix aus drei Komponenten:

Erstens: Die Beschäftigten benötigen eine finanzielle Absicherung während der Weiterbildung. Es ist höchste Zeit, dass ein Erwachsenen-BAföG nach schwedischem Vorbild eingeführt wird. So wird es für Erwachsene leichter, ihren Bildungsabschluss später nachzuholen.

Zweitens: Wir müssen die Betriebe stärker in die Pflicht nehmen, um die berufliche Weiter-bildung ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu finanzieren. Letztlich profitieren die Unter-nehmen von der steigenden Qualifizierung ihrer Belegschaften. Sie sollten daher branchen-bezogene Weiterbildungs-Fonds einrichten.

Drittens: Wer die Weiterbildung in Deutschland voranbringen will, muss – wie im Berufsbildungsgesetz für die Ausbildung – klare Strukturen schaffen, die für mehr Verbindlichkeit, Verlässlichkeit und Planungssicherheit für alle Beteiligten sorgen. In einem Bundesgesetz muss deshalb der Rahmen gesetzt werden für ein Recht auf Weiterbildung, für rechtlich garantierte Lernzeiten, für eine sichere Finanzierung, mehr Beratung und Transparenz, für bessere Qualitätssicherung und Zertifizierung.

Die Gewerkschaften engagieren sich im Übrigen ganz konkret für bessere Bildungschancen der Beschäftigten – zum Beispiel im Rahmen des ESF-Programms „weiter bilden“. Insgesamt werden 194 Vorhaben in rund 2.500 Unternehmen gefördert. Rund 100.000 Beschäftigte profitieren von diesem Programm. Nicht zuletzt auf Initiative der Gewerkschaften wurden in diesem Programm in zwei Jahren 43 Qualifizierungs-Tarifverträge befördert und 68 neue Sozialpartner-Vereinbarungen zur besseren Weiterbildung der Beschäftigten abgeschlossen.


Quelle: DGB Bundesvorstand, 24. September 2013,
Matthias Anbuhl
Leiter der Abteilung Bildungspolitik und Bildungsarbeit beim DGB-Bundesvorstand


Sie können die vollständige Expertise des DGB hier als pdf-Datei herunterladen.

Verweise zu diesem Artikel:
Schlagworte zu diesem Beitrag: Berufliche Weiterbildung, Betriebliche Weiterbildung
Dieser Beitrag wurde zuletzt aktualisiert am 09.10.2013

Quelle: www.netzwerk-weiterbildung.info
Druckdatum: 28.03.2024