Förderung der beruflichen Weiterbildung

Zurück zur Übersicht

Bundesagentur für Arbeit (BA): Es bewegt sich etwas bei der Vergabepraxis von Arbeitsmarktdienstleistungen

1. Umfang der Vergaben von Arbeitsmarktdienstleistungen

Mit der Reform der Bundesagentur für Arbeit wurde auch die Vergabe von Arbeitsmarktdienstleistungen neu geregelt.

Kern der Neuregelung ist, dass auch Arbeitsmarktdienstleistungen grundsätzlich nach der Verdingungsordnung für Leistungen (VOL/A) ausgeschrieben werden und nach einem wettbewerblichen Verfahren vergeben werden. Die technische Abwicklung der Vergabe wurde BA intern bei Regionalen Vergabezentren gebündelt und so die Durchführung der Vergabe den örtlichen Agenturen entzogen. Vorher haben die Agenturen in eigener Verantwortung die Maßnahmen vergeben, dabei erfolgte die Vergabe häufig „freihändig“ nach Richtpreisen, die sich aus Durchschnittswerten ergaben.

Über ein Vergabeverfahren werden folgende Maßnahmen vergeben: Trainingsmaßnahmen, Sprachförderung, die Beauftragung Dritter mit Vermittlungsleistungen, PSA, Berufsvorbereitende Bildung, Ausbildungsbegleitende Hilfen sowie Berufsausbildung in außerbetrieblichen Einrichtungen. Zurzeit wir daran gearbeitet, auch Maßnahmen der Rehabilitation über Ausschreibungen zu vergeben. Das Beschaffungsvolumen des Einkaufs betrug im Bereich der Arbeitsmarktdienstleistungen im Jahre 2005 rund 1,4 Mrd. Euro. Nicht enthalten sind Maßnahmen der Weiterbildung, die über den Bildungsgutschein belegt werden. In diesem Fall entsteht keine direkte Rechtsbeziehung zwischen der BA und den Trägern, sondern die Teilnehmer suchen sich den Träger selbst. Die Bezahlung erfolgt über den von der BA vorher ausgegebenen Bildungsgutschein. Die Zulassung dieser Träger erfolgt durch eine externe Zertifizierung.

2. Auswirkungen der neuen Praxis

Die Neuregelung hat den Preiswettbewerb unter den Trägern deutlich verstärkt. Hinzu kam die Reduzierung des Mittelvolumens für aktive Arbeitsmarktpolitik. Dies hat nicht nur zu einer hohen Zahl von Insolvenzen geführt, sondern die Arbeitsbedingungen der noch Beschäftigten bei den Weiterbildungsträgern erheblich verschlechtert. Von den Gewerkschaften wurde zudem kritisiert, dass die Bürokratie deutlich zugenommen hat und vielerorts ein Qualitätseinbruch der Maßnahmen beobachtet wurde. Erfolgreiche Maßnahmen, die sich durch eine regionale Vernetzung auszeichneten bzw. bessere Standards beinhalteten, die aber teuer waren, sind oftmals vom Markt verschwunden. Durch die Ausschreibungsverfahren wurden Maßnahmen standardisiert, so dass kreative Träger mit maßgeschneiderten Konzepten nicht mehr zum Zuge gekommen sind. Insgesamt wird das Vergabeverfahren von den Gewerkschaften als ungeeignet angesehen.

Auch die von der Bundesregierung in Auftrag gegebene Begleitforschung zu den Hartz-Gesetzen sieht die Vergabepraxis eher kritisch. So schreiben das Wissenschaftszentrum Berlin und das Institut Infas, die diesen Teil bearbeitet haben: „ Zwar werden Kosteneinsparungen in Bezug auf die Maßnahmepreise wahrgenommen, die aber in nicht wenigen Fällen auch zu erheblichen Verlusten in Bezug auf Prozess- und Ergebnisqualität geführt haben.“

In einer umfangreichen Studie im Auftrag der Hans-Böckler-Stiftung kommt das Wissenschaftszentrum zu einer ähnlichen Bewertung: „Mit der Einführung des zentralen Einkaufs folgt die BA dem internationalen Trend zur Nutzung marktförmiger Instrumente, insbesondere dem Contracting Out (vgl. Mosley und Sol 2005; OECD 2003). Die Umsetzung der schönen Idee, durch Bündelung und Standardisierung von Produkten (hier: Arbeitsmarktdienstleistungen) in durch eine spezielle Einrichtung gesteuerten Ausschreibungsverfahren die Arbeitsagenturen von Arbeit zu entlasten, und den Einkauf durch Skaleneffekte zu verbilligen, konnte empirisch soweit noch nicht überzeugen.

Hauptdefizite bisher:
  • Vergabekriterien: bisher erfolgte die Vergabesteuerung maßgeblich über Preis, zu wenig über Qualität, was häufiger zuungunsten nachgewiesen fähiger örtlicher Anbieter ausging; auf der anderen Seite vielerorts Umsetzungsschwächen und -ausfälle von zum Teil deutlich mit Ressourcen (inkl. Akteursnetzwerken) und Marktkenntnissen nicht hinreichend ausgestatteten Dritten.
  • Organisatorische Ineffizienz der Vergabepraxis: …
  • Organisatorische Ineffizienz der Planung….“
3. Untergesetzliche Initiativen der BA

Erste kritische Einwände der Arbeitnehmergruppe im Verwaltungsrat, Protest von Betriebsräten und auch Einwände von Abgeordneten des Deutschen Bundestages führten dazu, dass die Agenturen zunächst technische Veränderungen vornahmen. So wurden z. B. die Losgrößen verändert und Vertreter der örtlichen Agenturen an der Vergabe beteiligt um so Fehlentscheidung zu vermeiden. Zudem wurde die Einbindung der Träger in örtliche Netzwerke und die Kontakte in den Arbeitsmarkt als zusätzliches Kriterium aufgenommen werden. Dies konnte jedoch die grundsätzlichen Mängel des Vergabeverfahrens nicht beheben.

Nach einer gemeinsamen Initiative von Arbeitnehmergruppe und Arbeitgebergruppe im Verwaltungsrat fand im Februar ein Workshop unter Einbeziehung von Vertretern von Weiterbildungsträgern statt. Aus der Sicht der Praxis wurden die grundsätzlichen Mängel der Vergabe noch einmal bestätigt. Da aktuelle Gesetzesänderungen als schwer umsetzbar eingeschätzt wurden, wurde zunächst versucht, auf der Basis des geltenden Rechts Verbesserungen zu erreichen.

In diesem Workshop wurden insbesondere folgende Punkte diskutiert:
  • Verlängerung der Vertragslaufzeiten. Eine jährliche Neuausschreibung wurde sowohl unter technischen als auch pädagogischen Aspekten als nicht sinnvoll angesehen und wird auch vom Gesetz nicht verlangt. Generell sollten deswegen längere Vertragslaufzeiten vereinbart werden. Bis zu 5 Jahre erscheinen möglich.

  • Größe der Lose. Die Lose sollten so zugeschnitten sein, dass sie dem örtlichen Bedarfe besser gerecht werden und auch kleinere Träger zum Zuge kommen.

  • Beauftragung von Subunternehmen. Die Weitergabe von Maßnahmen an Subunternehmer wurde insbesondere unter dem Aspekt Qualitätskontrolle als kritisch angesehen. Sowohl Arbeitnehmer- als auch Arbeitgebergruppe plädierten dafür, die Vergabe an Subunternehmen zu unterbinden.

  • Qualitätskontrolle der Maßnahmen. Eine Qualitätskontrolle der laufen Maßnahmen findet nicht statt. Deswegen könne nicht garantiert werden, dass die vertraglich zugesagten Vereinbarungen auch tatsächlich umgesetzt werden. Die mangelnde Qualitätskontrolle wurde inzwischen von der BA eingestanden. Auch die neu eingerichteten „Fachkundigen Stellen“ können hier keine Abhilfe schaffen. Nach Lösungen wird weiter gesucht.

  • Beschränkte Ausschreibung. Anstatt bundesweit auszuschreiben, sind auch beschränkte Ausschreibungen gesetzlich zulässig. Hiervon sollte stärker Gebrauch gemacht werden.

  • Rahmenverträge. Mit Anbietern können Rahmenverträge gemacht werden. Innerhalb dieser Rahmenverträge können konkrete Maßnahmen oder Teilnehmer zugewiesen werden. Dies schafft für die Träger eine höhere Rechtssicherheit.

  • Letztentscheidungsrecht des jeweiligen Agenturleiters. Die örtliche Agentur sollte einen höheren Einfluss auf die Entscheidung der Vergabe haben. Das Letztentscheidungsrecht des Agenturleiters leitet sich auch aus dessen Verantwortung für die Ergebnisse der Vermittlung her. Wer Ergebnisse verantworten muss, muss auch über die Wahl der Mittel entscheiden können.

  • Mindestpreise. Anbieter, die zu Dumpingpreisen anbieten, sollten generell von der Vergabe ausgeschlossen werden. Dumpingpreise würden letztendlich die Qualität der Maßnahmen mindern.

Über diese Vorschläge konnten bei dem Workshop mit der BA zunächst keine verbindlichen Vereinbarungen erreicht werden. Die BA hat aber eine weitere Prüfung zugesagt. Gleichzeitig wurde vereinbart, dass auch gesetzliche Änderungen angeregt werden sollten, um spezielle Regelungen für Arbeitsmarktdienstleistungen zu erreichen.

Die Ergebnisse wurden im März in einer kleinen Arbeitsgruppe erneut erörtert. Die BA machte hier deutlich, dass sie von den Trägern nicht die Festsetzung von Mindestlöhnen oder die Anwendung konkreter Tarifverträge verlange. Ebenso wurden Mindestpreise als unrealistisch angesehen. Die im ersten Workshop diskutierten Vorschläge wurden noch einmal ausführlich erörtert.

Der DGB kritisiert, dass die BA eine Orientierung an Tarifverträgen bzw. zur Festsetzung von Mindestpreisen ablehnt. Beide Instrumente sind möglich und werden auch in der Praxis angewendet. Es gibt zum Beispiel in den Bundesländern Vergabegesetzte, die vorsehen, dass Aufträge nur dann vergeben werden dürfen, wenn das im Tarifvertrag vereinbarte Arbeitsentgelt gezahlt wird. So heißt es z.B. im § 1 des Vergabegesetzes des Landes Bremen: “Das Gesetz wirkt Wettbewerbsverzerrungen entgegen, die auf dem Gebiet des Bauwesens und des öffentlichen Personennahverkehrs durch den Einsatz von Niedriglohnkräften entstehen, und mildert Belastungen für die sozialen Sicherungssysteme. Es bestimmt zu diesem Zweck, dass öffentliche Auftraggeber Aufträge über Baumaßnahmen und im öffentlichen Personennahverkehr nur an Unternehmen vergeben dürfen, die das in Tarifverträgen vereinbarte Arbeitsentgelt am Ort der Leistungserbringung zahlen.

Dies zeigt, dass es keinesfalls gesetzlich ausgeschlossen ist, wenn Standards, die die Beschäftigungsbedingungen betreffen, auch in Ausschreibungen aufgenommen werden. Es mangelt zurzeit aber am politischen Willen dies umzusetzen.

Die Aufnahme einer Tariftreueklausel war auch im Koalitionsvertrag der vorherigen Bundesregierung vereinbart worden. Dieser Punkt konnte wegen der vorzeitigen Bundestagswahl nicht mehr umgesetzt werden.

Auch hierdurch wird deutlich, dass Tariftreueklauseln möglich sind, wenn sie denn gewollt sind.

4. Erste Ergebnisse

Dennoch hat der Druck auf die BA Inzwischen einiges bewegt. In einem Schreiben an die SPD-Fraktion im Deutschen Bundestag hat die Bundesagentur zugesagt:
  1. Die örtlichen Agenturen entscheiden über Bedarf, Lose und die fachliche Bewertung der Maßnahmen.

  2. Je nach lokaler Situation werden auch kleinteilige Lose eingeführt.

  3. Über den Preis hinaus werden zahlreiche Bewertungskriterien als Mindestqualitätsstandards festgelegt.

  4. Die bisherigen Integrationserfolge, bzw. die Schlüssigkeit und Erfolgsfähigkeit des Integrationskonzepts werden als Bewertungskriterium zusätzlich eingeführt.

  5. Besonders gewertet werden soll die Einbindung in regionale Netzwerke, bzw. Erfolgsaussichten der dargelegten Strategie einer Netzwerkbildung.

  6. Erfolgsorientierte Vergütungselemente sollen in die Leistungsbeschreibung aufgenommen werden. Darüber hinaus soll stärker überwacht werden, ob die in den Ausschreibungen zugesagten Angebote und Konzepte auch tatsächlich umgesetzt werden.

Inzwischen hat die BA auf dieser Basis das Einkaufssystem weiter entwickelt. Konkret wurde festgelegt:
  • Trägerprüfungen werden durch alle beteiligten Dienststellen deutlich stärker intensiviert,

  • vor Maßnahmebeginn muss der Träger nachweisen, dass er über die notwendige Ausstattung verfügt,

  • bereits bei Maßnahmebeginn sollen gezielte Außenprüfung in Einzelfällen vorgenommen werden,

  • - die Kontrolle der Maßnahmen erfolgt durch Mitarbeiter der Einkaufszentren und der Agenturen bzw. ARGEn,

  • Erkenntnisse aus den Prüfungen werden für spätere Vergabeverfahren ausgewertet,

  • Träger müssen einen Nachweis über ihre Einbindung in den regionalen Arbeitsmarkt vorlegen,

  • Integrationserfolge aus vergangenen Maßnahmen werden bei der Bewertung berücksichtigt,

  • es werden Anreize für eine höhere Integrationsquote durch erfolgsabhängige Bezahlungskomponenten geschafften, soweit dies rechtlich zulässig ist,

  • für den Einkauf wird Wirkungscontrolling eingeführt,

  • Niedrigpreisangebote sollen einer besonderen Prüfung unterzogen werden, um sicherzustellen, dass eine auftragskonforme Dienstleistung gewährleistet ist,

  • für berufsvorbereitende Bildungsmaßnahmen werden erstmalig zweijährige Verträge mit einer zusätzlichen einjährigen Option vergeben. Hierdurch soll die Kalkulations- und Planungssicherheit der Träger erhöht werden.

5. Vorschläge des DGB:

Diese Vorschläge machen aber die Diskussion über gesetzliche Änderungen nicht überflüssig. Der DGB ist der Auffassung, dass das Vergaberecht mehr an die speziellen Bedürfnisse bei der Vergabe von Arbeitsmarktdienstleistungen angepasst werden muss. Der DGB hat hierzu bereits im Februar 2005 Vorschläge vorgelegt und wird die Entwicklung im Vergaberecht weiter verfolgen.

Generell stellt sich die Frage, ob die Anbietung von Weiterbildung und die Förderung von Benachteiligten überhaupt über Ausschreibungen und Vergabe erfolgen sollten. Besser wäre generell eine institutionelle Förderung anzustreben und damit auch die Weiterbildung einer höheren staatlichen Qualitätskontrolle zu unterwerfen. Wenn dennoch politisch entschieden wird, an der Vergabe festzuhalten, müssen die Verfahren aber verbessert werden.

Der DGB formuliert hierfür folgende Anforderungen.

Einführung eines „Präqualifikationsystem“Die Vergabe wird durch ein qualitativ geprägtes Vorauswahlsystem möglicher und geeigneter Bieter ergänzt. Nur diese Anbieter, die vorgegebene Standards erfüllen, können sich am Hauptverfahren beteiligen. Ein derartiges System ist bisher nur angedacht für Bauaufträge. Das „Präqualifikationsystem“ bei Arbeitsmarktdienstleistungen muss Mindeststandards an die Leistungserbringung öffentlicher Aufträge setzen, die eben gerade nicht von jedem beliebigen Unternehmen (also etwa Briefkastenfirmen) zu erfüllen sind.

Mindeststandards

für arbeitsmarktpolitische Dienstleistungen sind unter anderem:
  • das Vorhandensein einer funktionierenden Infrastruktur (räumliche und technische Voraussetzungen),

  • die Einbindung in die Strukturen des örtlichen und regionalen Arbeitsmarktes („ortsnahe Leistungserbringung“; Beteiligung an regionalen Netzwerken, Kontakte zu Arbeitgebern)

  • Existenz und Anwendung eines pädagogischen wie arbeitsmarktpolitischen Gesamtkonzepts beim Anbieter,

  • das Vorhandensein festangestellten qualifizierten Personals, und die Anwendung des jeweiligen ortsüblichen Tarifs seitens der Anbieter.

  • die Fähigkeit und Bereitschaft, zielgruppenspezifische Fördermaßnahmen anzuwenden und schnellstmöglich zu implementieren,

  • die Existenz einer zielgruppenspezifischen zeitgemäßen sozialpädagogischen Betreuung,

  • Darlegung bisheriger arbeitsmarktpolitischer Ergebnisse/ Erfolge in der Region,

  • die Anwendung eines erprobten Qualitätsmanagementsystems.

Ähnlich wie die Anerkennung von „freien Trägern der Jugendhilfe“ nach § 75 SGB VIII könnte als Voraussetzung für die Beteiligung am Vergabeverfahren, die Anerkennung von „Trägern der Arbeitsförderung“ gemäß Â§ 21 SGB III vorgesehen werden. Bei der Anerkennung können dann die oben genannten Qualitätskriterien zur Anwendung kommen.

Bei arbeitsmarktpolitischen Dienstleistungen muss auch die Verankerung des „sozialrechtlichen Dreiecksverhältnisses“ (u. a. mit Wunsch- und Wahlrecht der Betroffenen bei der Auswahl sozialer Dienstleistungen wie in § 5 KJHG/ § 9 SGB IX) in Betracht gezogen werden. Dabei ist klar(er) festzulegen, wo eine Vergabe über Konzessions- und Dienstleistungsverträge mit bestimmten Anbietern erfolgen kann oder soll. Das bedeutet, dass den dort genannten gemeinnützigen und freien Einrichtungen und Diensten (der freien Wohlfahrtspflege) ein Vorrang bei der Erbringung von sozialen Dienstleistungen im Wege des Abschlusses von Leistungsverträgen mit dem öffentlichen Auftraggebern zukommt, der rechtlich dem Wettbewerbsprinzip (und damit allen Vergabeverfahren nach GWB und VOL/A) vorgeht.

Der Gedanke beruht auf der Erwägung, dass nach dem deutschen Sozialstaatsverständnis keineswegs alle beliebigen Unternehmen soziale Dienstleistungen im Rahmen der Sozialgesetz-Bücher erbringen können und sollen (wie dies das europäische Wettbewerbsrecht nahe legt). Den Trägern der Wohlfahrtspflege, aber auch langjährig tätigen, auf Landesebene anerkannten Einrichtungen sowie kommunalen Einrichtungen, die der Grundversorgung im sozialen und Bildungsbereich dienen, müsste somit ein „Vorgriffsrecht“ auf zu beschaffende Arbeitsmarktdienstleistungen von den mit ihnen zusammenarbeitenden Arbeitsagenturen eingeräumt werden, aber auch sie müssen die präqualifizierenden Standards erfüllen.

6. Vorschläge der BA für gesetzliche Änderungen

Auch die Bundesagentur hat inzwischen in einem Schreiben an die Bundesregierung gesetzliche Änderungen angeregt. Diese Änderungsvorschläge sind bisher nicht mit der Selbstverwaltung abgestimmt. Darin werden folgende Punkte vorgeschlagen:
  • Im Vergaberecht sollen Möglichkeiten für die Anwendung der freihändigen Vergabe erweitert werden. Dadurch soll flexibler auf örtliche Arbeitsmarktbedarfe reagiert werden.

  • Bei einem Missverhältnis zwischen Preis und Leistung soll der Ausschluss eines Trägers rechtssicher ermöglicht werden. Die derzeitige Rechtslage bietet zwar theoretisch die Möglichkeit, derartige Angebote auszuschließen, in der Praxis führt dies jedoch zu Nachprüfverfahren und zunehmender Rechtsunsicherheit.

  • Da die BA zunehmend an Grenzen stößt, Leistungsbeschreibungen für Arbeitsmarktdienstleistungen so eindeutig und erschöpfend abzufassen, wie es derzeit die VOL/A vorsieht, sollte gesetzlich ermöglicht werden, vereinfachte Beschreibungen zuzulassen, um die Flexibilität am Arbeitsmarkt zu erhöhen.

  • Darüber hinaus fordert die BA auch, dass von der in der VOL/A enthaltenen Vorschrift, für eine festgelegte Anzahl von Teilnehmern eine festgelegte Vergütung zu zahlen, abgewichen werden kann. Hierdurch soll kurzfristig wechselnden quantitativen Anforderungen bei den Maßnahmedurchführungen Rechnung getragen werden.

  • Der BA soll das Recht eingeräumt werden, selbst dann, wenn ein Nachprüfverfahren anhängig ist, mit der Maßnahme zu beginnen, um zeitliche Verzögerungen, z. B. bei berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen zu verhindern. Hierdurch soll die Verfahrenssicherheit erhöht werden.

7. Bewertung:

Mit den beiden Schreiben an die SPD Fraktion und an die Bundesregierung ist letztendlich Bewegung in die Sache gekommen. Offensichtlich wird auch von der BA inzwischen eingesehen, dass das jetzige Vergaberecht zu Fehlentwicklungen geführt hat, die letztendlich die Qualität der Maßnahmen beeinträchtigen und die Integrationserfolge mindern. Die neuen Regeln sollen bereits bei den zurzeit laufenden Ausschreibungen für ausbildungsbegleitende Hilfen angewendet werden. Ob die Probleme aber tatsächlich gemindert werden, hängt auch davon ab, ob die neuen Regelungen in der Praxis auch tatsächlich richtig angewendet werden, oder ob im Zweifel wieder der niedrigste Preis entscheidet.

Aber immer noch ist die Bürokratie für die Träger hoch. Auch die Frage, wie besonders kreative Leistungen der Träger besser geschützt und letztendlich auch vergütet werden können, ist noch ungeklärt. Hier sollte ein gewisser Experimentierraum geschaffen werden, damit individueller auf die Situation am örtlichen Arbeitsmarkt reagiert werden kann.

Aus gewerkschaftlicher Sicht sind die Änderungsvorschläge 1 - 3 zum Vergabegesetz positiv zu beurteilen. Aber dies kann nur ein erster Schritt sein. Bei der Diskussion über gesetzliche Neuregelungen kann auch ein Blick in andere Länder helfen. Dort liegen zum Teil schon längere Erfahrungen mit der Vergabe vor. Der Trend geht dahin, die Dienstleister stärker als Partner zu begreifen und umfassender in den gesamten Vermittlungsprozess einzubeziehen. Dies kann natürlich nicht erfolgreich sein, wenn die Träger laufend wechseln. So können zum Bespiel Leistungspunkte vergeben werden, die erfolgreiche Träger bei der Vergabe bevorzugen.

Die Punkte 4 und 5 sind kritisch zu beurteilen. Mit dem Vorschlag 4 werden Risiken auf die Träger verlagert, die diese letztendlich nicht zu vertreten haben. Der Träger muss unabhängig von der Anzahl der Teilnehmer in der Maßnahme eine bestimmte Mindestausstattung an Räumen, Personal und Material vorhalten, für die er auch kostendeckende Preise erhalten muss. Das Risiko, dass Teilnehmer ausfallen, bzw. nicht ausreichend Teilnehmer in die Maßnahme zugewiesen werden können, darf nicht auf den Träger verlagert werden. Zumindest müsste noch klar gestellt werden, wie hier nicht zumutbare Risiken für die Träger vermieden werden können.

Problematisch ist auch der Vorschlag 5. Wenn schwerwiegende Mängel bei der Vergabe festgestellt werden und deswegen ein Träger Beschwerde einlegt, kann nicht dadurch Rechtssicherheit geschaffen werden, dass mit der Maßnahme begonnen wird. Im Extremfall kann dies zu Lasten der Teilnehmer gehen, wenn nach Beginn der Maßnahme Vergaben aufgehoben werden müssen. Wenn es nicht zu einer Aufhebung der Maßnahme kommt, droht der BA Schadenersatzpflicht.

Wenn die zugesagten Maßnahmen greifen, werden einige Probleme, die sich aus den Ausschreibungen ergeben, gemindert. Dies ist auch ein Erfolg der zahlreichen Aktivitäten von Gewerkschaften und Betriebsräten. Für die Träger ergeben sich damit Chancen, sich zu stabilisieren und sich wieder verstärkt auf die Durchführung der Maßnahmen zu konzentrieren. Aber auf die ersten Schritte müssen weitere folgen.

Quelle: Arbeitsmarkt aktuell Nr. 3/2006, April 2006, Deutscher Gewerkschaftsbund

Sie können diese Ausgabe von Arbeitsmarkt aktuell hier als pdf-Datei herunterladen.

Über die aktuelle Rechtslage und die Vergabekriterien der Fördermöglichkeiten im Rahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik informiert Sie die anhängende Tabelle als doc-Datei.

Verweise zu diesem Artikel:
Dieser Beitrag wurde zuletzt aktualisiert am 09.05.2006

Quelle: www.netzwerk-weiterbildung.info
Druckdatum: 16.04.2024