Förderung der beruflichen Weiterbildung

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Dokumentation der Fachtagung

Perspektiven für die Weiterbildung trotz ungleicher Beschäftigungsverhältnisse

Prekäre Beschäftigung und ihre Auswirkungen auf die betriebliche Interessenvertretung

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

betriebliche Interessenvertretung war und ist nur partiell erfolgreich.

Auf der einen Seite gab und gibt es Großbetriebe und durchorganisierte Branchen, in denen Interessenvertretung in der Regel gut funktioniert..

Bei großen Unternehmen, Stahl, Kohle, Maschinenbau, Bau etc. war die Interessenvertretung in der Vergangenheit relativ einfach. In der Regel gab es in diesen Unternehmen oder gar Wirtschaftszweigen eine starke Arbeitnehmervertretung, die eine geschlossene und vor allem organisierte Belegschaft vertraten.

Auch heute ist die Interessenvertretung in großen Unternehmen, wie z.B. der Automobilindustrie, der Chemie etc. noch effizient.

Gute Tarifverträge und betriebliche Regelungen konnten und können in solchen Unternehmen oder in Flächentarifverträgen durchgesetzt werden, weil die entsprechende Kampfkraft der Arbeitnehmer, ihrer Vertretungen und ihrer Gewerkschaften vorhanden war.

Das Erfolgsrezept war klar:
Geschlossene Belegschaften mit hohem Organisationsgrad und dem Bewusstsein, dass ausschließlich solidarisches Handeln ihre ureigensten Interessen durchsetzen kann, waren der Garant für den Erfolg.

Auf der anderen Seite gibt es die Klein- und Mittelständischen Betriebe, das Handwerk und den Handel.
Ihren Belegschaften fehlt meist die Kampfkraft zur Durchsetzung ihrer Interessen mehr oder weniger.

Die Beschäftigten dieser Betriebe bilden keine kampfstarke Einheit und dementsprechend sind ihre Einkünfte und Arbeitsbedingungen eher bescheiden.

Als die Arbeitgeber merkten, dass sie gegen starke Belegschaften kaum Chancen haben, handelten sie schnell und nachhaltig. Dabei war das ewige Getöse bei Tarifverhandlungen und in der Lobby der jeweiligen Bundesregierungen nur ablenkendes Geplänkel. Die eigentliche Strategie, die, die uns heute zunehmend in Bedrängnis bringt, war eine Andere und sie kam auf leisen Sohlen daher.

Zunächst ist sicher zu stellen, dass die Anzahl der Stellenbewerber deutlich größer ist, als die Zahl der benötigten Arbeitnehmer. Mit einer gewissen Arbeitslosenquote werden Arbeitnehmer und ihre Vertretungen willfähriger und billiger. Bei dieser Aufgabe hat auch die Politik geholfen.

Dann musste es in aller Vorsicht gelingen, die Belegschaften zu spalten, die starken, kampfkräftigen Einheiten zu zersplittern und die Solidarität der Beschäftigten zu zerbrechen.


Ausgründungen:

Aus einem Unternehmen, z.B. mit den Abteilungen Einkauf, Verkauf, Maschinenbau, Elektrotechnik, Service, Logistik und Instandsetzung wurden viele, voneinander unabhängige Unternehmen. Aus dem Verkauf wurde die X-Trade GmbH, gefolgt von der Maschinenbau GmbH und der Elektrotechnik GmbH, die Logistik wurde an ein Dienstleistungsunternehmen vergeben, der Service ebenfalls. Die Instandhaltung wurde auf die diversen GmbHen aufgeteilt. Alle neuen Unternehmen hatten mit dem Tarifvertrag der ehemaligen Stammgesellschaft nichts mehr zu tun. Das Spiel war wieder offen.

Die neuen Unternehmen waren auch nicht mehr Mitglieder des bisherigen Arbeitgeberverbandes, so dass die alten Tarifverträge, abgesehen von der Möglichkeit einen Betriebsübergang nach § 613a BGB geltend zu machen, für die Belegschaften nicht mehr angewendet werden mussten.

Das hat schon prima funktioniert, aber auch die ausgegründeten Einheiten waren nur wirtschaftlich, wenn sie eine gewisse Größe hatten. Dort konnte sich dann schnell wieder eine geschlossene Belegschaft bilden, die einen Betriebsrat wählt und die gewerkschaftlich organisiert war, so dass dann schon bald mit den nächsten Tarifverhandlungen zu rechnen war.


Leiharbeit:

Jetzt kam der Gedanke der Leiharbeit ins Spiel. Wenn man einen Teil der Belegschaft entlässt und dann, dem Gedanken der Flexibilisierung folgend, Zeitarbeitsunternehmen mit der Gestellung der benötigten Fachkräfte beauftragt, hat man zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen. Zunächst kauft man Fachpersonal billiger ein, denn die Zeitarbeitsunternehmen unterliegen nicht dem entsprechenden Flächentarifvertrag. (z.B. Metall) Außerdem hat man zwei Belegschaften, die nicht mehr miteinander solidarisch sind. Durch die Gesetzgebung der AGENDA 2010 sind die Leiharbeiter zudem in einer so bescheidenen Position, dass die nackte Angst sie vor Arbeitskampfmaßnahmen zurückschrecken lässt.

So begann die Schwächung der Arbeitnehmervertretungen und wir haben sie lange Zeit ignoriert und auch keine Mittel gefunden, dieser Entwicklung entgegenzutreten. Im Gegenteil, auch Betriebsräte und Gewerkschaften sahen in der Leiharbeit eine Möglichkeit die Betriebe flexibel zu halten und dabei die Stammbelegschaften zu schützen. Der Leiharbeitsanteil nahm jedoch beständig zu und die Stammbelegschaften wurden dezimiert und ihre Einkommen stagnierten. Die Instrumente, die Belegschaften zu spalten und letztlich handlungsunfähig zu machen sind dann weiter entwickelt und verfeinert worden und der Gesetzgeber hat durch die „Liberalisierung der Arbeitsmärkte“ den Weg in die Sklavenhaltung geöffnet.


Befristete Arbeitsverträge:

Wir kennen sie alle, die Kolleginnen und Kollegen, die nur für eine bestimmte, in der Regel kurze Zeit, einen Arbeitsplatz in unseren Unternehmen haben.

Sie leben von einem kurzfristig garantierten Einkommen und leben mit der Angst, ihren Arbeitsplatz in Kürze zu verlieren. Ihnen werden Arbeitssituationen zugemutet, bei denen Festangestellte auf die Barrikaden gehen würden. Aber, sie können sich ja nicht wehren, die nächste Vertragverlängerung steht an, und dann???

Die Arbeitgeber finden viele Wege das Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) zu ihren Gunsten auszulegen und zu umgehen.

Viele dieser Kolleginnen und Kollegen befinden sich seit vielen Jahren in dieser Situation( Kettenarbeitsverträge). Ein befristeter Arbeitsvertrag jagt den nächsten. Sie fühlen sich der Stammbelegschaft nicht zugehörig. Einen Arbeitskampf zu unterstützen würden sie nicht wagen.


In der Weiterbildung:

Die Weiterbildungsunternehmen sind Spiegel der Gesellschaft und für sie gilt das eben gesagte analog. Die Krise in der Weiterbildung, ausgelöst durch den vermeintlichen Skandal bei der Bundesanstalt für Arbeit und durch die modernen Gesetze für den Arbeitsmarkt (Hartz) hat die Beschäftigten daselbst jedoch schneller und härter getroffen als die übrigen Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen.

Während Betriebsräte und Belegschaften der größeren Unternehmen oft mit ihren Geschäftsführungen aufgrund der Monostrukturierung ihrer Unternehmen und die fast ausschließliche Ausrichtung ihrer Geschäftstätigkeit auf die öffentliche Hand haderten und nachhaltig die Diversifizierung ihrer Unternehmen einforderten, haben die Unternehmen die Diversifizierung schon eingeleitet. Allerdings nicht bei den Geschäftsfeldern sonder bei den Belegschaften.


Diversifizierung der Belegschaften:

Fast alle Bildungsträger haben ihre Strukturen verändert. Die Belegschaften haben das bezahlt und leiden bis heute darunter.

Beispiel: Bildungsträger A:
Die ehemals starke Belegschaft wurde zunächst, wie übrigens ausnahmslos alle anderen Belegschaften auch, um ca. 50% und mehr reduziert. Dann wurden neue Bildungsunternehmen gegründet und die Reste der alten Belegschaft erhielten das Angebot, zu reduziertem Gehalt in die neuen Gesellschaften einzutreten. Die Gehaltsniveaus spotten jeder Beschreibung aber auch das ist eher branchentypisch. Das alte Unternehmen zahlte früher BAT. Heute ist in 36 Gesellschaften und 8 Fachschulen davon nichts mehr übrig. Aus einer Stammbelegschaft wurden x Teilbelegschaften, Solidarität, gemeinsames Handeln und Kampfkraft sind dahin.

Beispiel: Bildungsträger B:
Dieser Träger hat seine Belegschaft abgeschafft. Er hat diverse eigene Zeitarbeitsunternehmen gegründet aus denen er ihren Personalbedarf zu Dumpinglöhnen deckt. Andere Tochtergesellschaften, so heißt es auf der seiner Web-Site, sind im Bereich „Human Ressources“ tätig. Wo es keine geschlossene Belegschaft gibt, gibt es auch keine Solidarität, Kampfkraft schon gar nicht.

Beispiel: Bildungsträger C
Dieser Bildungsträger hat alte Tarifverträge für ungültig erklärt und christliche Tarifverträge, zu christlichen Hungerlöhnen mit den christlichen Gewerkschaften vereinbart. Die Belegschaft hat ihre Einheit, ihre Kampfkraft verloren, vollständig.

Dies sind nur einige Beispiele aus der Branche, symptomatisch für die meisten anderen Bildungsträger.

Die Betriebsräte und Gewerkschaften haben es mit einer deprimierten und verängstigten Belegschaft zu tun, die das Vertrauen in die Handlungsfähigkeit ihrer Interessenvertretungen weitgehend verloren hat.

Sie haben jetzt in den Betrieben mehrer Arbeitnehmergruppen zu vertreten. Das sind noch in Teilen die alten Stammbelegschaften, dezimiert und desillusioniert. Das sind Belegschaften aus nicht tarifgebundenen Gesellschaften des Trägers. Das sind Belegschaften neu gegründeter Gesellschaften. Das sind vermehrt Leiharbeitnehmer. Das sind Belegschaftsanteile der ewig befristet Beschäftigten und letztlich die Anzahl der Freiberufler die Freiberufler sind, weil sie keine Chance auf eine feste Anstellung haben.

Betriebsräte gibt es fast ausschließlich in den alten Stammbelegschaften oder dort, wo es gelungen ist, Gemeinschaftsbetriebe durchzusetzen. Der Anteil der Stammbelegschaften jedoch ist letztlich nur noch unbedeutend und reicht nicht mehr aus, die Interessen der Arbeitnehmer durchzusetzen. Käme es bei den Stammbelegschaften z.B. zu einem Streik, so könnte der Ausbildungsbetrieb mit den anderen Belegschaften, den zeitbefristeten, den Leiharbeitern und den Freiberuflern mühelos aufrecht erhalten werden.

Darüber hinaus ist es ein Leichtes für den Arbeitgeber, die anderen Beschäftigten gegen die Stammbelegschaften aufzubringen. Nach dem Motto, „da verdienen die schon Tausende Euro mehr als ihr und nun müsst ihr auch noch für die schuften, weil sie den Hals nicht voll kriegen und noch mehr verdienen wollen als ihr.“

Dazu kommt auch noch, dass bedeutende Teile der Belegschaften von Gewerkschaften nichts wissen wollen. Das liegt sicher zum Teil in gesellschaftlichen Entwicklungen und im Zeitgeist begründet. Aber vor allem diejenigen, die auf den Billigjobs arbeiten sagen sehr deutlich, dass ihnen von dem bisschen Geld das sie verdienen, 1% Gewerkschaftsbeitrag vom Brutto, der Netto zu zahlen ist, zu viel ist. Schließlich, so heißt es mancherorts, halten manche Gewerkschaftsbosse die AGENDA 2010 immer noch für richtig, zumindest wenn sie das richtige Parteibuch haben.

Wie dieser Knoten zu lösen ist, diese Frage ist nicht in einem Satz zu beantworten. Ansätze zur Lösung solcher Probleme, wie Tarifverträge mit Equal Pay und Equal Treatment Elementen sind sicher ein erster Schritt. Aber sie werden derzeit bei einigen Unternehmen der Metall- Industrie abgeschlossen, in Betrieben, in denen Geld verdient wird.

In der Weiterbildung wird aber Geld ausschließlich mit dem Lohnverzicht der Arbeitnehmer und durch strategisches Lohndumping verdient.

Die Arbeitnehmer müssen aber wieder zu der Einsicht kommen, dass nur solidarisches Handeln ihnen hilft. Sie dürfen sich nicht weiter durch geschickte Parolen der Arbeitgeberseite und interessengesteuerter Politik davon abhalten lassen, sich zusammenzuschließen. Die Interessenvertretung der Arbeitnehmer, Betriebsräte und Gewerkschaften, sind kein Relikt vergangener Zeiten, sie werden in Zukunft notwendiger sein als in den letzen 50 Jahren. Das Kapital und die Politik werden den Beschäftigten nicht helfen, ein Leben in Würde, mit ausreichendem Einkommen zu leben. Dafür wird zu kämpfen sein, leider.

Die betrieblichen Interessenvertretungen und die Gewerkschaften haben sich noch nicht wirklich auf diese Herausforderung eingestellt.

Wir sind, liebe Kolleginnen und Kollegen, noch sehr in den alten Mechanismen der Arbeitswelt gefangen. Aber diese Welt hat sich geändert, langsam und fast unmerklich. (Oder haben wir das nur ignoriert?) Wir brauchen andere Strategien, um dieser für Arbeitnehmer schädlichen Entwicklung, entgegenzutreten.

Gehen wir es an!

Helmuth M. Kramer
GBR- Vorsitzender der
Berufsfortbildungswerk, Gemeinnützige
Bildungseinrichtung des DGB GmbH (bfw)


Sie können die Dokumentation der Fachtagung hier als pdf-Datei herunterladen.

Verweise zu diesem Artikel:
Schlagworte zu diesem Beitrag: Berufsfortbildungswerk, Freiberufler/Selbstständige
Dieser Beitrag wurde zuletzt aktualisiert am 14.04.2009

Quelle: www.netzwerk-weiterbildung.info
Druckdatum: 28.03.2024