Förderung der beruflichen Weiterbildung

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Die FAZ trommelt gegen einen Mindestlohn in der Weiterbildung

Sehr geehrte Damen und Herren,

wir bitten um Veröffentlichung des nachfolgenden Leserbriefes in der nächsten Ausgabe Ihrer Zeitung.

„Die Ausführungen in diesem Artikel werden den Bedingungen der Branche sachlich und fachlich in keiner Weise gerecht. Will man der Autorin nicht von vornherein polemisierende Absichten unterstellen, so muss man zumindest geringe Branchenkenntnisse und schlechte Recherche konstatieren.

Richtig ist: der bestehende Mindestlohntarifvertrag gilt für Träger der beruflichen Bildung, die überwiegend Aus- und Weiterbil-dungsdienstleistungen nach den Zweiten und Dritten Buch des So-zialgesetzes durchführen.

Der darin beschriebene Aufgabenkatalog ist vielseitig und komplex. Zu den Arbeitsmarktdienstleistungen gehören exemplarisch:
  • Ausbildung für behinderte Menschen mit Förderbedarf §102 SGB III)

  • Ausbildungsbegleitende Hilfen (§241 SBG II)
  • Behindertenspezifische berufsvorbereitende Bildungs-maßnahmen (§102 i. v. m. §61 und 61a SGB III)

  • Berufsausbildung in außerbetrieblichen Einrichtungen
    (§242 SGB III)

  • Berufsvorbereitende Bildungsmaßnahmen (§ 61 u. §61a SGB III)

  • Aktivcenter (§ 16 (1) SGB II)

u.a.m.

Schon diese Aufzählung muss jedem unvoreingenommenen Inte-ressenten verdeutlichen, dass die damit verbundenen Tätigkeiten weit über „morgendliches Wecken“ und „Verfassen fehlerfreier Le-bensläufe“ hinausreichen.


Kernbereiche der meisten seriösen Bildungsanbieter der Branche sind die Berufsvorbereitung (BVB) sowie die Berufsausbildung in außerbetrieblichen Einrichtungen (BaE).

Die Berufsvorbereitung etwa richtet sich nach einem differenzierten Fachkonzept der Bundesagentur für Arbeit, die überbetriebliche Berufsausbildung erfolgt nach Ausbildungsrahmenplänen und Prü-fungsrichtlinien der zuständigen Kammern.

Jugendliche und junge Erwachsene, die im regulären Ausbildungs-system keinen Erfolg hatten und mit schwierigsten gesundheitlichen und sozialen Problemen belastet sind, in den Ausbildungs- und Arbeitsmarkt zu integrieren, ist eine ebenso wichtige wie schwierige Aufgabe. Nicht zuletzt vor dem Hintergrund des bestehenden Fachkräftemangel erhält sie ein verstärktes Gewicht.

Daher sind an die fachlichen und pädagogischen Befähigungen der Mitarbeiter hohe Anforderungen gestellt. Obligatorisch reicht das Qualifikationsspektrum vom Facharbeiter mit Ausbildereignung über Handwerksmeister und Techniker bis hin zu Hochschulabsolventen (Sozialpädagogen, Lehrer, Diplompädagogen, Psychologen). Viele Kolleginnen und Kollegen verfügen über Zweit- und Zusatz-ausbildungen, wie sie etwa für die Arbeit mit Lernbehinderten und Rehabilitanden vorgeschrieben sind.

Bildungsträger mit sozialer Verantwortung investierten daher ei-nerseits in gesellschaftlich notwendige, aber kostenintensive Berei-che (Werkstattausstattung, Maschinenpark), sowie andererseits in den Erhalt hoher Qualitätsstandards in Aus- und Weiterbildung.
Durch eine der gesellschaftlichen Bedeutung angemessene Entloh-nung konnte der Fluktuationsgrad gering und die erforderliche Be-ziehungsqualität zwischen Ausbildern und Auszubildenden hoch gehalten werden.

In Folge der veränderten Ausschreibungspraxis der Hartz-Gesetzgebung sind die hochqualifizierten Mitarbeiter der seriösen Anbieter nun einem Unterbietungswettbewerb ausgesetzt, in dem „Billigheimer“ Druck auf die hohen Sozial- und Qualitätsstandards ausüben.

Im Gegensatz zu allen andern Bereichen des Bildungssystems setzt man seither in diesem wichtigen Segment der beruflichen Bildung allein auf die Kräfte eines unechten Marktes, auf dem der Staat als Nachfragemonopolist agiert. Anstelle eines förderlichen Qualitätswettbewerbes zu Gunsten der Teilnehmer, ist ein uner-bittlicher Preiskampf getreten, in dem die Mitarbeiter, und letzten Endes vor allem die Teilnehmenden auf der Strecke bleiben. Es ist eine ideologische Verblendung wenn davon ausgegangen wird, dass Bildung eine Ware sei wie jede andere und mehr Markt schlauer macht.

Bei Löhnen von heute 1700 € für eine pädagogische/r Mitarbeiter/in (West) bei einer 39 –Stunden-Woche, und seriellen befristeten Beschäftigungsverhältnissen kann kein hochqualifizierter Fach-arbeiter, Meister oder Akademiker seine Motivation dauerhaft auf-recht erhalten. Im Hinblick auf die oben skizzierte Aufgabenstellung wäre dies aber unabdingbar erforderlich. Stattdessen reift eine neue Klasse pädagogischer Wanderarbeiter heran, die keine Perspektiven geben kann, da sie selbst immer mit einem Bein in der Arbeitslosigkeit steht.

Ohne Einziehung einer allgemeinverbindlichen Lohnuntergrenze können die Qualitätsstandarts der seriösen Anbieter langfristig nicht gehalten werden. Das genaue Gegenteil ist aber sachlich geboten und in allen politischen Sonntagsreden auch gefordert.

Es ist überfällig, dass den schwarzen Schafen der Branche ohne soziale Verantwortung, ohne Tarifbindung, ohne betriebliche Mit-bestimmung, und all jenen „Geschäftemachern“, die das Wort „Bil-dung“ nur im Firmenlogo führen, ohne zu realisieren, welcher ge-sellschaftliche Anspruch damit verknüpft ist, durch die Einführung von Mindestlöhnen das Handwerk gelegt wird.

Mit diesen möchten die Mitarbeiter der Kolping-Bildungszentren Westfalen nicht in einen Topf geworfen werden. Unsere Arbeit ver-dient Vertrauen und Wertschätzung und eine Entlohnung, von der sich eine Existenz aufbauen und erhalten lässt.

Wir sind empört über die undifferenzierte und verzerrte Darstellung unserer Arbeit und unserer Arbeitsbedingungen, von der die Öffentlichkeit wenig Kenntnisse hat und für die die Mitarbeiter wenig Anerkennung erfahren.“

Im Namen der Belegschaft und des Betriebsrates


Stefan Sander
Betriebsratsvorsitzender

Hier geht es zum Artikel der FAZ.


Dieser Beitrag wurde zuletzt aktualisiert am 28.03.2011

Quelle: www.netzwerk-weiterbildung.info
Druckdatum: 28.03.2024