Tarifinformationen

Zurück zur Übersicht

Einheitliches Tarifrecht durchgesetzt!



Liebe Kolleginnen,
liebe Kollegen,

Im Februar dieses Jahres verabredeten Geschäftsführung, Betriebsräte und Gewerkschaften eine Zug – um - Zug-Vereinbarung, nach der u.a. ein neuer Haustarifvertrag für die Beschäftigten der SRH Beruflichen Rehabilitation gGmbH abgeschlossen werden sollte. Dieser Vertrag tritt am 1. Januar 2006 in Kraft und hat eine Laufzeit von drei Jahren.

Wir konnten in den Verhandlungen nicht alle unsere Ziele erreichen und mussten zum Teil auch schmerzliche Kompromisse eingehen, aber wir haben wichtige tarifpolitische Ziele erreicht:
  1. Die überlebte Unterscheidung zwischen Arbeiterinnen und Angestellten im Tarifrecht wird überwunden. Künftig gibt es einen gemeinsamen Tarifvertrag mit einer einheitlichen Entgelttabelle. Ortszuschlag und allgemeine Zulage entfallen. Der Kinderzuschlag bleibt für alle bis einschl. 31. Dezember 2005 geborenen Kinder erhalten.


  2. Alle Arbeitsbedingungen, auch die der Kolleginnen und Kollegen, die nach 1999 bzw. 2000 mit zum Teil wesentlichen schlechteren Arbeitsbedingungen eingestellt wurden, sind jetzt vereinheitlicht.


  3. Niemand erleidet im Übergang in die neue Gehaltstabelle finanzielle Einbußen. Auch künftige Gehaltsverbesserungen sind durch die Struktur der neuen Tabelle sichergestellt, da Ortszuschlag und allgemeine Zulage bei der Überleitung eingearbeitet werden.


  4. Die Steigerung in der Tabelle orientiert sich in Zukunft nicht mehr am Lebensalter, sondern an der Betriebszugehörigkeit. In den Gehaltsgruppen 1 bis 8 erreicht man die Endstufe nach 14 Jahren, in den Gehaltsgruppen 9 bis 15 nach 20 Jahren.


  5. Die wöchentliche Arbeitszeit beträgt einheitlich 39 Stunden. Das ist zwar eine halbe Stunde länger als bisher. Mit dem Anspruch auf Arbeitszeitkonten bei Ausnutzung des neuen Arbeitszeitrahmens konnten wir das Tor zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie aufstoßen. Das muss durch Betriebsvereinbarungen noch ausgestaltet werden.


  6. In diesem Zusammenhang ist es wichtig und erwähnenswert, dass die Zuschläge für Sonn-, Feiertags- und Nachtarbeit sowie die Zuschläge für Nacht- und Wechselschicht erhalten geblieben sind. Die können künftig zur Bewirtschaftung dieser Konten verwendet werden.


  7. Erstmals sind tarifvertragliche Regelungen zur Fort- und Weiterbildung sowie zur Qualifizierung vereinbart. Auch hier werden konkrete Ansprüche noch durch Betriebsvereinbarungen formuliert werden.


  8. Lohnfortzahlung bei Krankheit: Für die Dauer von sechs Wochen wird für alle Beschäftigten das Entgelt bei Arbeitsunfähigkeit fortgezahlt. Daran schließt sch die Zahlung eines Zuschusses zum Krankengeld für künftig weitere 20 Wochen bis zum bisherigen Bruttoentgelt an; für Beschäftigte, die noch unter den Firmentarifvertrag vom 16.02. 1996 fielen, findet dieser Ausgleich sogar bis zum bisherigen Netto-Entgelt statt.


  9. Der Erholungsurlaub hängt nunmehr vom Lebensalter ab. Bis zum vollendeten 30. Lebensjahr sind es 26 Arbeitstage, bis zum vollendeten 40. Lebensjahr 28 Arbeitstage und nach dem vollendeten 40. Lebensjahr 30 Arbeitstage. Beschäftigte, die ständig Wechsel- oder Nachtschicht haben, erhalten zusätzlich bis zu 4 Zusatz-Urlaubstage im Jahr.


  10. Die bisher geltende Unkündbarkeit wurde für alle Beschäftigten, die unter den Geltungsbereich des Vorgänger-Formentarifvertrags fielen, erhalten geblieben. Die längeren Kündigungsfristen nach zwei Jahren Betriebszugehörigkeit sind künftig nur noch für den Arbeitgeber, aber nicht mehr für die Beschäftigten bindend.


  11. Die Arbeitzeitvorschriften für Dozenten und Praxistrainer (bisher Ausbilder) auf dem Campus ein Heidelberg wurden völlig neu gestaltet. Für Dozenten wird die 39-Stunden-Woche in 30 im Betrieb gebundene Zeitstunden und 9 Zeitstunden für Vor- und Nachbearbeitungszeit, die nicht an Ort und Zeit gebunden ist, umgesetzt. Für Praxistrainer gilt diese Regelung allerdings mit der Einschränkung, dass nach dem 1. Januar 2006 eingestellte neue Beschäftigte keine Festschreibungen mehr innerhalb der 30-Stunden-W0che haben.


  12. Über den tarifvertragliche vereinbarten Urlaub hinaus erhalten Dozenten und Praxistrainer auf dem Heidelberger Campus, für die der Arbeitsvertrag Ausbildung vom 6.5.1997 galt, eine zusätzliche Arbeitsbefreiung von acht Tagen. Alle anderen Dozenten und Praxistrainer erhalten statt dieser acht Tage künftig fünf Tage. Für den Standort Karlsbad-Langensteinbach gibt es im Wege der Besitzstandswahrung eine Sonderregelung.

Ungünstige Rahmenbedingungen

Wir mussten das neue Tarifrecht unter äußerst schwierigen betrieblichen und politischen Rahmenbedingungen verhandeln. Die anhaltende Massenarbeitslosigkeit wird von der Arbeitgeberseite und politisch interessierten Kreisen dazu genutzt, um erreichte Tarifstandards zurückzudrehen bzw. zu verändern. Das hatte sich auch im Forderungspaket niedergeschlagen, das im Juni diesen Jahres vom Vorstand der Learnlife AG als „Orientierungsrahmen“ vorgelegt wurde.

So kam es in diesem Tarifabschluss auch zu schmerzlichen Zugeständnissen von unserer Seite, die zum Teil schmerzlich waren, aber unter dem Eindruck des gesamten Erreichten beurteilt werden sollten.

Im einzelnen heißt das:
  • Statt des bisherigen Urlaubs- und Weihnachtsgelds gibt es künftig eine so. Jahressonderzahlung. Die besteht aus einem fixen und einem variablen Anteil. Der fixe Anteil beträgt ab 2006 für alle einheitlich 1.300 € und wird mit der November-Vergütung aus-bezahlt. Der variable Anteil beteiligt die Beschäftigten mit der Juli-Vergütung am Erfolg des Unternehmens. Dafür werden 7,5% des durch einen Wirtschaftsprüfer festgestellten Jahresüberschusses zur Verfügung gestellt.


  • Neueinstellungen im SGB II- und SGB III-Geschäftsfeld können mit bis zu 15% Tabelleneinkommen bezahlt werden, sonst gelten allerdings alle anderen Bestimmungen des Tarifvertrags.


  • Für alle Neueinstellungen wurde in der Gehaltstabelle eine sog. Probezeit- bzw. Einarbeitungsstufe festgelegt, die für sechs Monate gilt.


  • Die nächste regelmäßige Gehaltserhöhung findet in drei Jahren (2008) mit dem ersten Stufensprung statt. Der Verzicht auf die Einmalzahlungen wird als Beitrag zur Sanierung gewertet. Künftige prozentuale Gehaltserhöhungen folgen nicht mehr automatisch denen des öffentlichen Dienstes; wir müssen sie selbst aushandeln und durchsetzen. Im übrigen wurde in diesem Zusammenhang sichergestellt, dass sich diejenigen Kolleginnen und Kollegen, die sich wegen der Besitzestandwahrung bei der Überleitung in den obersten Stufen der Tabelle befinden, noch an der Gehaltsentwicklung beteiligt werden.


  • Die Wochenarbeitszeit wurde von 38,5 Stunden auf 39 Stunden verlängert. Die 5-Tage-Woche bleibt erhalten, es kann aber an bis zu 13 Samstagen gearbeitet werden.


  • Normale Reisezeiten werden künftig nur noch während der Arbeitszeit vergütet.


  • Für einen der beiden Vorfesttage (Heiligabend oder Sylvester) müssen die Arbeitnehmerinnen künftig Urlaub nehmen.


  • Der Katalog der Arbeitsbefreiung (Sonderurlaub) wurde gestrafft.


  • Bei den Überstundenzuschlägen gibt es künftig eine gesplittete Regelung: Von der VG 1 bis zur VG 9 betragen sie 30 %, ab der VG 10 bis 15 10%.

  • Mit dem Begriff „Praxistrainer“ wurden wir erst in der abschließenden Schlichtung in Weinheim konfrontiert. Hinter diesem Begriff verbirgt sich der Versuch der Arbeitgeberseite, den Ausbilder in der bisherigen Form abzuschaffen. Es gilt in Zukunft auf Betriebsebene wegen dieser Entwicklung wachsam zu sein.

Nach der Bewertung der Fakten und der Betrachtung der Ausgangspositionen können wir feststellen, dass wir diesen Tarifabschluss insgesamt positiv sehen.

Er bietet dem Unternehmen und den Beschäftigten wieder neue Perspektiven und das geht sogar so weit, dass wir mit einer neuen Lohngruppe auch den Versuch unternehmen können, fremd vergebene Tätigkeiten wieder ins Unternehmen und damit in unseren Tarifvertrag zurück zu holen.

Und die Zukunft, was bringt sie?

Die Zukunft in der beruflichen Rehabilitation wird eher von den politischen Rahmenbedingungen als von den tarifvertraglichen Regeln bestimmt. Freilich ist mit dem Tarifvertrag dem stärker werdenden Wettbewerbs- und Kostendruck gegengesteuert worden. Die Produktivität wurde in den kunden-orientierten Bereichen stark verbessert. Auch damit wurden in Zukunft die Personalkosten pro Unterrichtseinheit deutlich gesenkt.
Durch den Abschluss des Tarifvertrags ist auch der Weg frei geworden für Verhandlungen, mit denen die Sanierung bis Ende 2006 begleitet werden kann. In einem ersten Schritt wird der Tarifvertrag bewertet und die Kostenvorteile, die durch den Tarifvertrag entstanden sind, dem Arbeitnehmerbeitrag für 2006 zugerechnet. Der bereits erstelle Forecast für 2006 wird überarbeitet. Dabei werden unmittelbare (z.B. Sonderzuwendung, Verzicht auf Einmalzahlungen in 2005, 2006 und 2007), aber auch mittelbare Kostensenkungen (z.B. Produktivitätsverbesserungen durch Flexibilisierung der Arbeitszeit, Festlegung von zwei Dritteln des Erholungsurlaubs auf die Heimfahrtzeiten) berücksichtigt.

Der neue Tarifvertrag soll in den nächsten Tagen unterschrieben werden und wird dann in gedruckter Form allen zur Verfügung gestellt.

Über die nun anstehenden Verhandlungen über eine Verlängerung der Arbeitszeitverkürzung für 2005 und den Teil des Sanierungstarifvertrags bis Ende 2006 werden wir gesondert berichten.



Eure
ver.di-GEW-Tarifkommission

Angela Bartelsen-Clos
Barbara Caroli-Buch
Gerhard Heil
Richard Mogel
Peter Müller
Heinz Sold
Bernd Harth

Tarifinfo Nr. 14, Heidelberg, den 13. Oktober 2005

Sie können das Tarifinfo auch als doc-Datei hier herunterladen.

Verweise zu diesem Artikel:
Dieser Beitrag wurde zuletzt aktualisiert am 12.10.2005