Lebenslanges Lernen

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Fraktion DIE LINKE fordert die Bundesregierung auf, für die berufliche Weiterbildung ein Bundesrahmengesetz auf den Weg zu bringen.

Zukunftsaufgabe Weiterbildung

Der Antrag und die Begründung im Wortlaut:

Der Bundestag wolle beschließen:

"I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:


Die laufende Evaluation der „modernen Dienstleistungen am Arbeitsmarkt“ („Hartz-Reformen“) kommt zu dem Ergebnis, dass ein erheblicher Handlungsbedarf besteht, um die Wirksamkeit von Instrumenten der Arbeits- und Beschäftigungsförderung zu erhöhen. Obwohl von der „Hartz-Kommission“ nicht vorgesehen, sind in den Jahren 2002/2003 erhebliche Korrekturen in der Förderung der beruflichen Weiterbildung vorgenommen worden, die nunmehr ihrerseits auf den Prüfstand gehören.

Neben der beruflichen sind allgemeine, politische und kulturelle Weiterbildung ein Schlüssel für individuelle Lebenschancen, für berufliche Entfaltung, für kulturelle Teilhabe und gesellschaftliche Innovation. Weiterbildung sichert Qualifikation und schützt damit vor dem Verlust des Arbeitsplatzes. Der Ausbau der Weiterbildung ist zentrale Voraussetzung um Lebenschancen realisieren und verbessern zu können und notwendiges Element in einer Strategie gegen einen schon heute in Teilbereichen absehbaren Fachkräftemangel.

Dringend zu klären ist die Kompetenzverteilung im Bereich der Weiterbildung, da nur (über Artikel 74 Abs. 1 Nr. 11 Grundgesetz) die berufliche Weiterbildung eindeutig der Kompetenzsphäre des Bundes zugeordnet werden kann.

Um Offenheit, Lernbereitschaft und Lernfähigkeit generationenübergreifend zu fördern, tritt der Deutsche Bundestag dafür ein, die Weiterbildungsbeteiligung in Deutschland – entgegen dem seit 1997 feststellbaren Trend – wieder deutlich zu erhöhen.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung daher auf,

ein Gesamtkonzept für die Weiterbildung mit bundeseinheitlichen Rahmenregelungen („Zukunftsprogramm Weiterbildung“) vorzulegen, um
  • das Recht auf Weiterbildung für alle Bürgerinnen und Bürger zu garantieren,
  • die ausreichende Finanzierung eines bedarfsgerechten Angebots sowie Lernzeitansprüche vorzusehen,
  • eine hohe Qualität der Angebote zu sichern, einschließlich der Qualifizierung und Professionalisierung des in der Weiterbildung tätigen Personals,
  • mehr Verbindlichkeit, Verlässlichkeit und Planungssicherheit für alle Beteiligten (sowohl die Bildungsteilnehmerinnen und Bildungsteilnehmer als auch für die Beschäftigten in der Weiterbildung) herzustellen.

In der 16. Wahlperiode des Deutschen Bundestages ist es an der Zeit, ein breites Weiterbildungsangebot für alle Interessierten zu schaffen und diese Angebote vom freiwilligen Anhängsel des Bildungssystems zu dessen vierten Säule auszubauen. Ein Bundesrahmengesetz für die berufliche Weiterbildung ist dafür ein geeignetes Instrument.

Dem Ausbau der beruflichen Weiterbildung durch Betriebe, Kommunen, Landeseinrichtungen und zahlreiche freie Träger kommt daher in den nächsten Jahren ein wachsender Stellenwert zu; diese kann nicht nur in der Herstellung von Beschäftigungsfähigkeit bestehen, sondern umfasst
  • die Weiterbildung im Beruf sowie im Interesse der betroffenen Menschen, um den Anforderungen der wissensbasierten Dienstleistungen besser entsprechen zu können;
  • die berufsbezogene Weiterbildung zur Erhöhung von Professionalität, zur Absicherung des beruflichen Aufstiegs sowie ggf. zur Begleitung eines beruflichen Abstiegs;
  • die Erschließung neuer beruflicher Perspektiven, um ein belastendes Arbeitsverhältnis zu wechseln oder sich vom Status Erwerbslosigkeit zu befreien.

Der Deutsche Bundestag bekräftigt den Wert und die Bedeutung der Weiterbildung für Beschäftigte und besonders auch für erwerbslose Bürgerinnen und Bürger. Die Bundesagentur für Arbeit muss zu einer Korrektur ihrer Geschäftspolitik bewegt werden, die in den letzten drei Jahren zu erheblichen Kürzungen der finanziellen Mittel für die nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch geförderte Weiterbildung geführt hat; Bund und Länder müssen ihre Zurückhaltung bei der Förderung der Weiterbildung ebenfalls aufgeben."

Berlin, den 15. Februar 2006
Antrag der Abgeordneten Volker Schneider (Saarbrücken) Cornelia Hirsch Dr. Petra Sitte Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion DIE LINKE

Begründung

"Die Realität der allgemeinen, kulturellen, politischen und beruflichen Weiterbildung steht in deutlichem Gegensatz zu denjenigen Reformvorstellungen, die seit den siebziger Jahren (über Ländergesetze zur Freistellung für Bildungszwecke, Länderfinanzierungsgesetze) das Ziel der „Vierten Säule des Bildungswesens“ für diesen Bereich proklamierten:

Die einschlägigen Aktivitäten des Bundesministeriums für Bildung und Forschung der letzten Jahre zur Weiterbildung u. a. zu „Lernende Regionen“, Lebenslangem Lernen, Abgabe von Kompetenzen der Qualitätssicherung an das ehemalige Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit waren punktuelle Programmelemente ohne nachhaltige Reformeffekte und – speziell im Falle der Anerkennungs- und Zertifizierungsverordnung für die Weiterbildung (AZWV) bürokratisierende Auswirkungen. Das eigentlich zuständige Fachministerium hat dem Abbau und der Infrastrukturbeschädigung der Weiterbildung durch die Bundesagentur für Arbeit weitgehend tatenlos zugesehen.

Die im Gutachten der Sachverständigen-Kommission „Finanzierung Lebens- langen Lernens“ im Winter 2004 präsentierten Vorschläge sind nicht ausreichend aufgegriffen und genutzt worden.

Die neue Konzeption der Integrationskurse für Zugewanderte (Bundesministerium des Innern, Bundesamt für Migration und Flüchtlinge) haben ein zu geringes Unterrichtsvolumen und sind restlos unterfinanziert; sie kranken zudem an fehlender sozialpädagogischer Kinderbetreuung.

Die Situation der Dozenten und wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Weiterbildung ist durch hemmungslose Ausdehnung von ungesicherter und unterwertiger Beschäftigung einschließlich Zahlung von Dumpinglöhnen für Honorardozenten gekennzeichnet.

Gegen die berufliche Weiterbildung wird seit einigen Jahren eine öffentliche Kampagne geführt, die das Ziel hat, die entsprechenden Anbieter zu diskreditieren und die Tauglichkeit beruflicher Weiterbildung infrage zu stellen. Dabei ist die Weiterbildung nach wie vor ein taugliches Instrument der Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik, wenn die Langfristwirkungen betrachtet werden. Seriöse Untersuchungen belegen, dass die Wahrscheinlichkeit, arbeitslos zu werden (oder zu bleiben) mit zunehmender Qualifikation deutlich abnimmt. Aktuelle Untersuchungen etwa des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit zeigen, dass die Förderung der beruflichen Weiterbildung höchst effizient ist: „Bildungsförderung bleibt – langfristig – die beste Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik“ (IAB-Kurzbericht 9. Juni 2005). Die gilt insbesondere für die hohe Zahl gering Qualifizierter unter den Erwerbslosen. Für sie sind nachhaltige Weiterbildungsmöglichkeiten oft die einzige Alternative zu einer sonst drohenden lebenslangen Alimentierung durch die Steuerzahler.

Deshalb muss die berufliche Weiterbildungsförderung gerade auch für Erwerbslose eine dringende öffentliche Aufgabe bleiben. Nur wenn die dafür benötigten Ressourcen verlässlich zur Verfügung gestellt und zweckmäßig ein- gesetzt werden, können die für eine qualitativ hochwertige Weiterbildung notwendigen Trägerstrukturen aufrechterhalten werden."

Quelle: Deutscher Bundestag Drucksache 16/785
16. Wahlperiode 16. 02. 2006

Dieser Beitrag wurde zuletzt aktualisiert am 30.04.2006