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Optimierung der Vergabepraxis arbeitsmarktpolitischer Maßnahmen

Das aktuelle Vergabeverfahren der Bundesagentur für Arbeit auf dem Prüfstand

Auf der Tagung referierte u. a. Walter Würfel vom Internationaler Bund (IB) über:

Das aktuelle Ausschreibungsverfahren.
Berichte aus der Praxis



Walter Würfel stellte zunächst fest, worum es in der Debatte gehe: „Die Vergabe von Arbeitsmarktdienstleistungen, die allerdings treffender als Bildungs- beziehungsweise Ausbildungsdienstleistungen bezeichnet werden müssten.“ Die Ausschreibungen werden seit 2004 nach der VOL durchgeführt. Ein Hauptproblem sei die VOL selber: „Die VOL ist ausschließlich für technische Aufträge und Produkte gemacht und entsprechend formuliert, das kann man nachweisen.“ Ob eine auf die Beschaffung technischer Produkte ausgerichtete Ausschreibungspraxis geeignet ist, Bildungsmaßnahmen „einzukaufen“, könne sehr wohl bezweifelt werden.

“Die Maßnahmen und Projekte, um die es geht, sind Bildungsmaßnahmen: Berufsorientierung für benachteiligte Jugendliche, die noch nicht ausbildungsreif sind, Berufsausbildung für Jugendliche, die sozialpädagogische Unterstützung brauchen, weil sie aufgrund ihrer sozialen Situation oder aufgrund von Lern- und Leistungseinschränkungen eine Berufsausbildung ohne Unterstützung noch nicht erfolgreich absolvieren können – diese Jugendlichen haben übrigens in der Regel mit dem erfolgreichen Abschluss der Ausbildung auch ihre Benachteiligung abgelegt.“

Wie funktioniert die Ausschreibung?

“Bei der Auswertung der Ausschreibung wird mit Hilfe einer Formel das Leistungsangebot (also der Text des Anbieters) mit Punkten bewertet und zum Preis ins Verhältnis gesetzt. Der Anbieter, der hier den besten Wert erzielt, erhält den Zuschlag. Liegt allerdings ein Anbieter deutlich unter dem Preisniveau der Mitbewerber, so gewinnt er die Maßnahme, weil dann der Preis ein höheres Gewicht hat. Ebenso gewinnt tendenziell der billigste Anbieter, wenn alle Angebote qualitativ, also in ihrem Text, ähnlich bewertet werden.“

Dabei ist ein Angebot im Gegensatz zu einem technischen Produkt mehr als Versprechen anzusehen. Ein Versprechen, deren Einlösung sehr ungewiss ist und bei dem im Gegensatz zum technischen Produkt der Nachweis der mangelhaften Lieferung kaum möglich sei.: „Ein Angebot ist die Behauptung, dass der Anbieter in einer bestimmten Art und Weise vorgehen wird. Die Qualität einer personalen Dienstleistung entsteht aber erst in ihrer Realisierung. Das heißt: Wenn beispielsweise der Jugendliche gar nicht erst zum Lehrgang erscheint, nützt mein pädagogisches Konzept gar nichts“

„Wenn ein Bildungsträger, um die Maßnahme zu gewinnen, mit schlecht qualifiziertem Personal arbeitet, wenn er schlichtweg pädagogisch inkompetent ist, aber gute Konzepte schreiben kann, dann fällt dies erst auf, nachdem er die Maßnahme gewonnen hat, dann ist es aber für die Jugendlichen, die das Maßnahmeziel nicht erreichen können, zu spät.“

Das nach seinen Worten „aberwitzige Vergabeverfahren“ sei bisher lediglich „dazu genutzt wird, Kosten zu sparen, die sich wegen der hohen Personalanteile und einer geforderten intensiven pädagogischen Betreuung sofort auf die Gehälter der Beschäftigten durchschlagen.“ Die Wirkungen des Vergabeverfahrens für die Beschäftigten in der Weiterbildung seien verheerend.

“Der Vorsitzende des Verwaltungsrates der Bundesagentur für Arbeit, Peter Clever von der BDA, der gewiss nicht im Ruf steht, ein Vertreter von Besitzstandswahrern oder gar ein Gewerkschafter zu sein, hat gesagt „Das Vergaberecht ist ein bürokratisches Monstrum“ und: „Es kann nicht sein, dass ein Vergabeverfahren dazu führt, dass Menschen mit akademischen oder Fachhochschulabschlüssen weniger verdienen als die Kassiererin bei Aldi“. Wörtlich.

Als die Benachteiligtenförderung, damals noch als Sonderprogramm des BMBF, 1980 entwickelt wurde, bat die Arbeitsverwaltung die Träger, doch nach BAT zu bezahlen, der BAT sei geläufig und damit besser abrechenbar. Heute haben wir für Lehrer, Sozialpädagogen oder Ausbilder Gehälter von 1.450 € brutto.“


Was ist zu tun?

Das entscheidende Kriterium für die Vergabe einer Bildungsmaßnahme muss die Qualität sein. Entgegen der Behauptung der BA passiere hier zu wenig in der Qualitätskontrolle der Maßnahmen.

„Wenn klar ist, dass sich die Qualität erst in der Durchführung der Maßnahme realisiert, dann muss eine intensive qualitätsorientierte Begleitung der Maßnahme durch die Agentur vor Ort stattfinden, und zwar über die gesamte Maßnahme hinweg. Träger und Agentur haben eigentlich beide ein Interesse daran, dass die Maßnahme erfolgreich durchgeführt wird. Im Moment werden Prüfgruppen durchs Land geschickt, die aber in erster Linie nachprüfen, ob die Höhe der Arbeitstische den Bestimmungen entspricht, oder ob die Anzahl der Luxwerte in der Beleuchtung der Werkstätten den Normen entspricht – und das in Maßnahmen, bei denen die sozialpädagogische Qualität in erster Linie über den Erfolg entscheidet.“

Gibt es Alternativen?

Wenn alle wieder die Arbeitsmarktpolitik als Teil der Sozialpolitik verstehen, gebe es überhaupt keinen Grund, die Maßnahmen nach der VOL auszuschreiben. Denn die Sozialpolitik in der EU liegt in der alleinigen Macht der Mitgliedsstaaten!

“Wir haben hier das österreichische Beispiel, in dem interessanterweise gerade die Bildungsmaßnahmen für Jugendliche, wie wir gehört haben, zu 95% freihändig vergeben werden, mit der Begründung, dass man damit den konkreten Bedingungen und Bedarfen der Zielgruppe besser gerecht werden kann – dem wäre aus meiner Sicht nichts hinzuzufügen, so etwas halte ich für sinnvoll.

Ein gegensätzlich Beispiel seien Australien und Neuseeland. Die dortige Praxis sei vor einigen Jahren der gegenwärtigen Vergabepraxis bei uns vergleichbar. „Die Vergabepraxis hat dort dazu geführt, dass zwar die Preise immer niedriger wurden, aber auch die Qualität der Maßnahmen inakzeptabel nach unten gegangen ist, weil die Träger sich gegenseitig niederkonkurriert haben.“ Dort habe man aus den Fehlern gelernt und sei zur Zahlung von Pauschalen übergegangen. Die Auswahl der Maßnahme geschehe dann nur noch nach Qualitätskriterien.

Die Zahlung von Fallpauschalen ähnlich dem System im Gesundheitswesen hält er für einen gangbaren Weg. Für Personal- und Sachkosten würde eine feste Summe an den Träger gezahlt, der gegenwärtige Preiswettbewerb würde damit zu einem Qualitätswettbewerb. Dagegen könne niemand etwas haben, denn „dass Wettbewerb belebend und teilweise auch qualitätsverbessernd wirken kann, eben wenn es ein Qualitätswettbewerb und kein Preiswettbewerb ist,“ werde von alen Beteiligten anerkannt.


Die Dokumentation der Fachtagung enthält die ausführlichen Beiträge mit den

Erfahrungsberichten über die gegenwärtige Vergabepraxis,

einer ausführlichen Diskussionsrunde mit Vertretern von Bildungsträgern, der BA, Gewerkschaften und der GRÜNEN-Bundestagsfraktion

und einem

Ausblick auf Handlungsoptionen bzw. Alternativen zur aktuellen Vergabepraxis


Weitere Veröffentlichungen der Bundestagsfraktion der Grünen können Sie mit dem Bestellformular (pdf-Datei) anfordern, das sie hier herunterladen können.

Sie können die Tagungsdokumentation hier als pdf-Datei herunterladen.

Verweise zu diesem Artikel:
Dieser Beitrag wurde zuletzt aktualisiert am 03.08.2006

Quelle: www.netzwerk-weiterbildung.info
Druckdatum: 29.03.2024