Berufliche Weiterbildung

Zurück zur Übersicht

Initiative Bundesregelungen für die Weiterbildung

Impulse für die Finanzierung der beruflichen Weiterbildung



Weiterbildung ist in Deutschland nicht systematisch rechtlich geregelt. Sie ist zu einem großen Teil marktförmig organisiert. Die Regelungen von Weiterbildung, z.B. deren Finanzierung, Ausgestaltung und Teilnahmemöglichkeiten, ist in verschiedenen Bundesgesetzen - wie dem SGB III, dem Betriebsverfassungsgesetz, dem Berufsbildungsgesetz oder dem Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz -, und Landesgesetzen - den Weiterbildungsgesetzen und Bildungsurlaubsgesetzen der Länder – geregelt und führt im Ergebnis zu Überlappungen aber auch zu Lücken. Vor dem Hintergrund eines steigenden Qualifikationsbedarfs – der einzelnen Menschen, um beispielsweise ihre Beschäftigungsfähigkeit abzusichern und der Unternehmen, um ihre Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten – ergibt sich die Notwendigkeit, eine Weiterbildung mit System zu etablieren, die transparent ist, Regelungslücken beseitigt und dadurch Teilhabechancen erhöht, wie dies auch in der Koalitionsvereinbarung von CDU/CSU und SPD vom November 2005 vereinbart wurde.

Ziel ist es, die Bedeutung von Qualifizierung in den Köpfen von Akteuren der Politik, Unternehmensleitungen und Vorgesetzten aber auch den Beschäftigten zu verankern. Ein ausreichendes Set an Qualifikationen ist Voraussetzung für die Qualität der Arbeit, sie hilft die Innovationsfähigkeit zu steigern. Sie sind keineswegs nur Betriebsausgaben. Flankierend zu diesem Prozess bedarf es einer Reform der derzeitigen Weiterbildungsfinanzierung, die einerseits die materiellen Voraussetzungen für eine Erhöhung der Weiterbildungsbeteiligung schafft und andererseits signalisiert, welchen Stellenwert die Gesellschaft dem vielzitierten lebensbegleitendem Lernen beimisst. Dies gilt umso mehr, als die Weiterbildungsbeteiligung am Arbeitsstandort Deutschland in den vergangenen Jahren trotz der anspruchsvollen europäischen Ziele gesunken ist.

Aufgrund der Heterogenität des Weiterbildungsbereiches kann es die eine Weiterbildungsfinanzierung nicht geben. Vielmehr bedarf es eines Sets von Instrumenten für die Weiterbildungssegmente: „betriebliche Weiterbildung“, „individuelle berufliche Weiterbildung“ und die „Weiterbildung für Erwerbslose“. Wesentliches Kriterium für die vorgeschlagenen Regelungen sind die Interessen der Beteiligten in Bezug auf die mit der Weiterbildung verfolgten Ziele.

Die verschiedenen Weiterbildungsformen mit unterschiedlichen Finanzierungsarrangements zu hinterlegen, widerspricht nicht dem Gedanken eines einheitlichen zukunftsfähigen Weiterbildungssystems für Deutschland. Wichtig ist vielmehr, die drei Bereiche der beruflichen Weiterbildung nicht getrennt für sich stehen zu lassen und einzeln zu reformieren, sondern sie zu einem Gesamtkonzept zu entwickeln, dass keine Lücken entstehen lässt.

Ein solches Gesamtkonzept für die Weiterbildungsfinanzierung betont die öffentliche Verantwortung für lebenslanges Lernen. Dies bedeutet nicht notwendig eine Finanzierungsverpflichtung der öffentlichen Hand für alle Formen der Weiterbildung, so, wie sie etwa für die allgemeine Bildung und die Erstausbildung gilt. Daraus folgt aber, dass der Staat bestehende Lücken schließt, indem er sich an der Finanzierung beteiligt oder andere Akteure, wie z.B. die Unternehmen, aber in bestimmten Fällen auch die Individuen, in die Pflicht nimmt. Hinsichtlich der öffentlichen Finanzierungsanteile können Ressourcen auch zum Teil effizienter genutzt werden, so z.B. indem die Kapazitäten verstärkt auch für Weiterbildung genutzt werden.


Die Finanzierung der betrieblichen Weiterbildung

Betriebliche Weiterbildung wird vom Arbeitgeber initiiert, damit z.B. die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens erhalten bleibt oder die Innovationsfähigkeit erhöht wird. Hierzu gehört die Erhaltungs- und Anpassungsqualifizierung für das eigene Aufgabengebiet sowie die Umqualifizierung für eine gleich- oder höherwertige Aufgabe im Betrieb, wenn bisherige Arbeitsaufgaben wegfallen. Sowie die Entwicklungsqualifizierung, die es den Beschäftigten ermöglicht, eine höherwertige Arbeitsaufgabe zu übernehmen. In der betrieblichen Weiterbildung übersteigt das unmittelbare Interesse der Unternehmen das der Beschäftigten bei weitem. Es sollte daher selbstverständlich sein, dass sie von diesen in ausreichendem Umfang durchgeführt und finanziert wird. Die Realität sieht jedoch anders aus. Auch wenn in einer ganzen Reihe von Unternehmen intensiv in die Qualifikation ihrer Beschäftigten investiert wird, so bleibt auch festzustellen, dass dies bei der Mehrzahl der Unternehmen in Deutschland nicht der Fall ist: Es wird insgesamt zu wenig in Weiterbildung investiert, es nehmen nicht alle Beschäftigtengruppen an Weiterbildungsmaßnahmen in gleichem Umfang teil und schließlich erfolgt diese häufig unstrukturiert, weil Weiterbildung nicht in eine systematische Personalentwicklung integriert ist. Dies wird bestätigt durch zahlreiche Untersuchungen: Die Weiterbildungsaktivitäten der Unternehmen insgesamt sind seit mehreren Jahren rückläufig und im europäischen Vergleich liegt Deutschland bei der Weiterbildungsbeteiligung auf einem der hinteren Ränge.

Für diese Unterfinanzierung der betrieblichen Weiterbildung machen viele Unternehmen primär den Kostendruck aufgrund des gestiegenen globalen Wettbewerbs verantwortlich. Die gleichen Unternehmen akzeptieren ohne weiteres die Notwendigkeit der ständigen Investition in Kapital, also in Maschinen und Anlagen. Hier ist ein Umdenken dringend erforderlich; denn nur durch erhöhte Investitionen in Weiterbildung, in die Innovationskraft und Leistungsfähigkeit der Beschäftigten, können deutsche Unternehmen im globalen Wettbewerb bestehen. Ein weiterer Hemmschuh für den Ausbau betrieblicher Weiterbildung ist der Primat kurzfristiger Gewinnorientierung. Eine Weiterbildungsinvestition „zahlt“ sich für die Unternehmen erst mittel- bis langfristig aus, zumindest dann, wenn diese über eine Anpassungsmaßnahme hinausgeht. Daher kann es für ausschließlich kurzfristig orientierte Unternehmen durchaus rational sein, nicht in Weiterbildung zu investieren, da dann – im Vergleich zur Konkurrenz – höhere Kosten anfallen würden. Die Unternehmen befinden sich damit in einem Dilemma: Investieren sie in die Qualifikationen ihrer Beschäftigten, entstehen ihnen kurzfristig höhere Kosten im Vergleich zu Unternehmen, die nicht in Weiterbildung investieren. Damit kann kurzfristig die Wettbewerbsfähigkeit verringert werden. Investieren sie aus diesem Grund nicht in Weiterbildung, verringert sich ihre langfristige Wettbewerbs- und Innovationsfähigkeit und ihr Bestehen wird gefährdet.

Dieses Dilemma, das aus der einzelbetrieblichen Finanzierung der Weiterbildung resultiert, kann vermieden werden, wenn auf ein kollektives Finanzierungskonzept abgestellt wird. Weiterbildungsfonds entkoppeln die Weiterbildungsteilnahme von den dabei entstehenden Kosten, da die Arbeitgeber sich an der Finanzierung beteiligen, unabhängig davon, ob sie „ihren“ Mitarbeitern Weiterbildung ermöglichen oder nicht. Der Erfolg, den solche Fonds erreichen können, ist hinreichend belegt.

In Frankreich gilt die berufliche Weiterbildung seit 1971 als eine nationale Verpflichtung, indem Unternehmen auf der Grundlage eines Gesetzes verpflichtet sind, in einen Weiterbildungsfonds einzuzahlen. Die Finanzierung der verschiedenen Kategorien von Weiterbildungsmaßnahmen erfolgt nach unterschiedlichen Prozentsätzen der Bruttolohnsumme, die von den Betrieben an Fonds abzuführen sind. Betriebliche Ausgaben für Maßnahmen im Rahmen des Bildungsplanes und der Eingliederungsmaßnahmen können sich die Betriebe jedoch auf ihre Zahlungsverpflichtung an die Fonds anrechnen lassen. Die Erfahrungen in Frankreich zeigen, dass die gesellschaftliche Notwendigkeit für einen Modernisierungsprozess, der auch das Qualifizierungssystem beinhaltet, zu einer erheblichen Ausweitung der Ressourcen, die für Weiterbildung zur Verfügung gestellt wurden, geführt hat. Flankiert wird diese Entwicklung durch einen Mix aus gesetzlichen und tarif-vertraglichen Regelungen.

In den Niederlanden sind seit Mitte der 80er Jahre in Tarifverhandlungen verstärkt Sozialfonds vereinbart worden, eine Form davon stellen die O & O Fonds (Aus- und Weiterbildungsfonds) dar. Im Jahr 2002 existierten 99 Branchenfonds, die ungefähr 40 % der Beschäftigten erreichten. Branchenfonds stellen in den Niederlanden ein wichtiges Instrument zur Förderung der betrieblichen Weiterbildung in kleinen und mittleren Unternehmen dar.

In Deutschland bestehen tarifvertragliche Fonds vor allem für die Berufsausbildung im Baugewerbe. Auch hier sorgt die Fondsfinanzierung dafür, dass in dieser Branche mehr in Qualifizierung investiert wird als in anderen Branchen.


Unser Vorschlag zur Finanzierung der betrieblichen Weiterbildung

Grundsätzlich müssen alle Betriebe, auch die öffentlichen Unternehmen, in einen Weiterbildungsfonds einzahlen, aus denen die Kosten für betriebliche Weiterbildungsmaßnahmen refinanziert werden. Aufgrund der Heterogenität der Branchen schlagen wir Branchenfonds vor, die effiziente Lösungen ermöglichen. Damit werden an den spezifischen Bedürfnissen der Branchen angepasste Regelungen verwirklicht. Die Aufgabe des Gesetzgebers besteht darin, die rechtlichen Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass in Tarifverhandlungen branchenspezifische Fondsmodelle vereinbart werden. Hierzu gehört, dass der Gesetzgeber festlegt, zu welchen Punkten die Tarifpartner Regelungen treffen müssen und zudem die Formulierung einer Auffanglösung für den Fall, dass sich die Tarifparteien nicht einigen können, bzw. für den Fall, dass Betriebe nicht tarifgebunden sind. Eine solche Auffanglösung muss die folgenden Punkte enthalten:
  • Festlegung eines Mindestprozentsatzes, der von den Betrieben in die Fonds eingezahlt werden muss. Ob als Bemessungsgrundlage der Umsatz, der Gewinn, die Beschäftigtenzahl, die Wertschöpfung oder die Lohnsumme eines Betriebes gewählt wird, ist noch zu klären. Entscheidend ist, eine Bemessungsgrundlage zu wählen, die relativ leicht zu ermitteln ist, um Verwaltungskosten zu senken.

  • Finanziert werden sollen aus den Fonds die Kosten strukturierter Weiterbildungsmaßnahmen. Hierzu sind z.B. Gebühren, Fahrtkosten, Kosten der Freistellung und Übernachtungskosten zu zählen. Nichtstrukturierte Qualifikationsprozesse, die beispielsweise am Arbeitsplatz stattfinden, sollen dagegen nicht von den Fonds finanziert werden, da die Ermittlung der damit verbundenen Kosten einen erheblichen Aufwand verursachen würde und die Gefahr von Missbrauch erhöht.

  • Regelungen über die Verwaltung der Fonds, hierbei muss sichergestellt werden, dass diese paritätisch aus Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertretern zusammengesetzt werden.

  • Weitere Aufgaben, die neben der Mittelverwaltung von den Fondsverwaltungen ausgeführt werden sollten, z.B. Bildungsberatung und Qualitätssicherung oder die Förderung der Weiterbildung in kleinen und mittleren Unternehmen.

  • Regelungen, wie benachteiligte Beschäftigtengruppen stärker in die Weiterbildung einbezogen werden können. Spezifische Beschäftigtengruppen nehmen deutlich weniger an Weiterbildung teil. Hierzu gehören z.B. ältere Arbeitnehmer, Beschäftigte mit niedrigen Qualifikationen, Teilzeitbeschäftigte, Beschäftigte in Leiharbeitsunternehmen oder Frauen mit Kindern. Gerade diese Beschäftigtengruppen haben häufig ein höheres Risiko erwerbslos zu werden. Daher ist eine Erhöhung der Weiterbildungsteilnahme dieser Gruppen sowohl in deren als auch im gesellschaftlichen Interesse. Die Fondsverwaltungen sollten daher ein Teil der von ihnen verwalteten Ressourcen dafür aufwenden, spezifische Weiterbildungsprogramme für diese Gruppen anzubieten. Denkbar ist, einen bestimmten Prozentsatz der Fondsmittel für die Weiterbildung dieser Gruppen festzulegen.
Ein öffentlicher Zuschuss zu den Fonds sollte projektgebunden erfolgen, z.B. wenn spezifische Programme für besondere Beschäftigtengruppen durchgeführt werden.

So gibt es beispielsweise eine öffentliche Verantwortung, die Beschäftigungsfähigkeit älterer Arbeitnehmer zu erhalten. Schließlich sollte auch die Förderung von Weiterbildungsmaßnahmen in kleinen und mittleren Unternehmen durch die öffentliche Hand gefördert werden, um so deren Innovationsfähigkeit zu erhöhen.


Die Finanzierung der individuellen beruflichen Weiterbildung

Zur individuellen beruflichen Weiterbildung gehören Maßnahmen, die vom Weiterbildungsteilnehmer selber initiiert sind. Dazu gehören zum Beispiel Maßnahmen, die nach dem Aufstiegsfortbildungsgesetz (AFBG) öffentlich gefördert werden. Das vom Bund und den Ländern gemeinsam finanzierte Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz (AFBG) sichert einen individuellen Rechtsanspruch auf Förderung von beruflichen Aufstiegsfortbildungen. Seit der Novelle des AFBG im Jahre 2002 ist es zu einem kontinuierlichen Anstieg der Inanspruchnahme gekommen, so stieg die Zahl der Geförderten in 2005 auf 133.000 Geförderte.

Voraussetzung für eine Förderung ist eine abgeschlossene Berufsausbildung. Gefördert werden Weiterbildungsmaßnahmen, die auf eine öffentlich-rechtliche Fortbildungsprüfung nach dem BBiG, der HwO oder auf einen gleichwertigen Abschluss nach Bundes- oder Landesrecht vorbereiten und die über dem Niveau einer Facharbeiter-, Gesellen-, Gehilfenprüfung oder eines Berufsfachschulabschlusses liegen. Mit der letzten Novelle des AFBG wurden auch die Gesundheits- und Pflegeberufe in die Förderung einbezogen.

Gefördert wird der Lebensunterhalt, Lehrgangs- und Prüfungsgebühren mit einem Darlehens- und einem Zuschussanteil. Bei Alleinerziehenden kommen die Kinderbetreuungskosten als Zuschuss hinzu.

Eine zentrale Schwachstelle des AFBG besteht darin, dass es sich von seiner Konzeption her um ein Leistungsgesetz handelt, das nicht systematisch in die Weiterbildungslandschaft integriert ist, sondern nur einen Teilbereich regelt. Dies führt einerseits dazu, dass Qualifikationen unterhalb der Aufstiegsfortbildung nicht gefördert werden und andererseits dazu, Berufsgruppen, die nicht eine duale Berufsausbildung durchlaufen oder eine Ausbildung in einem der Gesundheitsberufe absolviert haben, ausgeschlossen werden.

Eine weitere Schwachstelle des AFBG besteht darin, dass es konzeptionell auf jüngere Weiterbildungsteilnehmer zugeschnitten ist. Das Verhältnis von Darlehen zu Zuschuss verändert sich bei höherem Förderbedarf in Richtung Darlehen, da der Zuschussanteil unabhängig von der Förderhöhe konstant bleibt. Für Ältere, die aufgrund ihrer familiären Situation in der Regel einen höheren Finanzbedarf haben, wird es damit teurer, an einer Aufstiegsfortbildung teilzunehmen. So lag der Anteil der 20- bis 35-Jährigen, deren Aufstiegsfortbildung durch das AFBG gefördert wurde, laut AFBG-Bundesstatistik im Jahr 2004 bei 79 %.

Es bestehen darüber hinaus andere Formen individueller beruflicher Weiterbildung, wie z.B. der Erwerb von Zusatzqualifikationen oder das Nachholen beruflicher Abschlüsse, für die keine systematische Finanzierungsstruktur besteht. Eine öffentliche Förderung ist hier in der Form von Abschreibungsmöglichkeiten auf die Einkommenssteuer als Sonderausgaben oder Werbungskosten möglich.

Daneben bestehen verschiedene einzelne Förderinstrumente auf Bundes- und Landes-ebene. Auf Bundesebene z.B. in Form der „Begabtenförderung berufliche Bildung“, auf Landesebene verschiedene Förderprogramme, die zum Teil aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds aufgestockt werden.


Unser Vorschlag zur Finanzierung der individuellen beruflichen Weiterbildung

Statt einer Reform des AFBG wird von der Expertenkommission „Finanzierung Lebens-langen Lernens“ vorgeschlagen, das bestehende AFBG in einem ersten Schritt in ein Erwachsenenbildungsförderungsgesetz und langfristig in einem zweiten Schritt in ein Bildungsförderungsgesetz zu integrieren. Dieser Vorschlag ist zu unterstützen und weiter zu entwickeln. Ziel muss sein, alle Formen der individuellen beruflichen Weiterbildung in einem Fördergesetz zu regeln. Dies bedeutet nicht notwendig einheitliche Fördersätze für alle Weiterbildungsmöglichkeiten. Möglich ist auch, verschiedene Weiterbildungsformen je nach ihrer gesellschaftlichen Relevanz unterschiedlich zu fördern. Die Aufstiegsfortbildungen könnten mit einer Zuschusskomponente gefördert werden, anderen Formen, z.B. ausschließlich durch vergünstigte Darlehen, die einkommensabhängig vergeben werden.

Im Einzelnen bedeutet dies:
  • Die zweite Chance, d.h. das Nachholen eines allgemein bildenden Schulabschlusses muss jedem offen stehen. Daraus ergibt sich, dass die öffentliche Förderung des Lebensunterhalts und der Bildungskosten als Zuschuss erfolgt.

  • Das Nachholen beruflicher Abschlüsse oder eines Hochschulstudiums sollte weitestgehend analog zum bestehenden BAföG gefördert werden. Im Sinne des lebens-langen Lernens muss aber abweichend hiervon die Altersgrenze deutlich nach oben verschoben werden und die Förderung elternunabhängig erfolgen.

  • Die Teilnahme an einer Aufstiegsfortbildung wird wie bisher im AFBG durch Zuschüsse und Darlehen gefördert.

  • Für alle weiteren individuellen Weiterbildungsmaßnahmen wird einkommensabhängig ein Darlehen gewährt, dessen Rückzahlung sozialverträglich ausgestaltet wird, analog zu den Rückzahlungsregelungen beim BAföG.

Exkurs: Die Förderung der individuellen beruflichen Bildung durch Bildungskonten

Bildungssparen ist spätestens seit es von der „Expertenkommission Finanzierung Lebenslangen Lernens“ in 2004 als Finanzierungsinstrument für das lebenslange Lernen vorgeschlagen wurde, wieder in der Diskussion. Die Expertenkommission knüpfte damit an die seit Mitte der 90er Jahre in verschiedenen europäischen Ländern einsetzende Diskussion über Bildungskonten an, die auch zu Modellversuchen führte. Erneut belebt wurde die Diskussion dadurch, dass es in die Koalitionsvereinbarung der derzeitigen Regierung aufgenommen wurde.

Der Grundgedanke des Bildungssparens ist denkbar einfach. Von deren Befürwortern werden bestimmte Formen des lebenslangen Lernens – in der Regel die individuelle berufliche Weiterbildung und die allgemeine Weiterbildung – in den Verantwortungsbereich der Individuen verwiesen. Sie seien für die Organisation ihrer Qualifizierungsmaßnahmen und deren Finanzierung selber verantwortlich. Da davon auszugehen ist, dass nicht alle Individuen jederzeit über die notwendigen Ressourcen verfügen, um an einer Qualifizierung teilzunehmen oder der eigenen Weiterbildung aus Unkenntnis nicht die Bedeutung beimisst, die ihr in Bezug auf die Lebensgestaltung und die Beschäftigung zukommt, soll durch eine öffentliche Förderung ermöglicht werden, dass jeder Bürger für seine Bildungszwecke Ersparnisse ansammeln kann.

Beim Bildungssparen handelt es sich somit um eine spezifische Form des Sparens. Die Ressourcen die auf einem Bildungskonto (dieser Begriff wird häufig als Synonym für das Finanzierungsinstrument Bildungssparen verwandt) von den Bürgern angespart werden, können ausschließlich für Bildungszwecke verwandt werden. Bildungssparen ist somit eine spezifische Variante der individuellen Bildungsfinanzierung, da es die von den Individuen überwiegend selber erwirtschafteten Ressourcen sind, die sie von ihren Bildungskonten abheben und für Bildungszwecke verwenden.

Einen konkreten Vorschlag zum Bildungssparen hat die Expertenkommission „Finanzierung Lebenslangen Lernens“ vorgelegt:

Nach diesem Vorschlag können Individuen aus eigener Entscheidung in jeder Lebensphase bei einer Bank ein Bildungssparkonto eröffnen. Für Minderjährige können andere Personen (Eltern, Großeltern, Paten, aber auch weitere dritte Personen) ein Bildungssparkonto eröffnen und Einzahlungen vornehmen. Das Konto ist kein zeitlich limitierter Sparvertrag, sondern vom Grundsatz her als lebenslanges Konto für Bildungs- und Weiterbildungszwecke anzusehen. Die Kapitalerträge aus dem Bildungssparkonto unterliegen wie andere Einkünfte aus Kapitalvermögen der Einkommenssteuer. Entsprechend der staatlichen Förderung nach dem Vermögensbildungsgesetz bezuschusst der Staat auf Antrag des Kontoinhabers jährliche Einzahlungen auf das Bildungssparkonto bis zu einem bestimmten Volumen mit einer „Bildungssparzulage“, sofern die Summe des jährlichen zu versteuernden Einkommens einen bestimmten Betrag nicht übersteigt.

Arbeitgeber können für ihre Beschäftigten vermögensbildende Leistungen sowie darüber hinausgehende Leistungen für Weiterbildungszwecke in das Konto einbringen. Die Verwendung der angesammelten Beträge liegt aber allein in der Entscheidung des Kontoinhabers.

Entnahmen aus dem Konto können erfolgen, sobald eine bestimmte angesparte Summe vorhanden ist. Sie sind zur Finanzierung formaler Bildungsmaßnahmen bei entsprechend akkreditierten Bildungsanbietern sowie für Nebenkosten (z.B. Fahrtkosten oder Unterbringung) und – bei längeren bildungsbedingten Unterbrechungen der Erwerbstätigkeit – zur vollständigen oder ergänzenden Finanzierung des Lebensunterhalts bestimmt.

Das von der Expertenkommission vorgeschlagene Bildungssparen soll neben die bestehenden Vermögenssparformen gestellt werden. Vorstellbar ist jedoch auch, dass Bildungssparen aufgrund der zunehmenden Bedeutung von Innovationen, Wissen und Qualifikationen an die Stelle der bestehenden Vermögenssparformen tritt.

Bei einer generellen Beurteilung des Instrumentes „Bildungssparen“ muss deutlich im Blick behalten werden, dass dieses Instrument nur für das – aber nicht zu vernachlässigendes – Segment der individuellen beruflichen Weiterbildung geeignet erscheint. Bildungskonten können daher nicht die bestehenden Förderinstrumente AFBG oder die Weiterbildung von Arbeitslosen ersetzen, und auf keinen Fall sind sie geeignet, die Finanzierung der betrieblichen Weiterbildung neu zu regeln.

Allerdings gerät dann ein bereits bestehendes staatliches Förderinstrument auf den Prüfstand: Die Förderung der individuellen beruflichen Weiterbildung durch Abschreibungsmöglichkeiten in Form von Sonderausgaben oder Werbungskosten. Würde dieses Instrument unverändert neben der Einführung eines Bildungssparens weiterbestehen, käme es zu einer doppelten öffentlichen Förderung, die dann zumindest auf den Prüfstand geraten würde. Unter Gerechtigkeitsgesichtspunkten würde einiges für die Neuausrichtung der Steuerabschreibungen sprechen: Neben dem Umstand, dass hierdurch eine relativ intransparente Förderung besteht, da über die Höhe und die Empfänger der Förderung keine genauen Kenntnisse vorliegen, ist den Mechanismen des Steuerrechts zu eigen, dass sie tendenziell zu einer Benachteiligung der Bezieher niedriger Einkommen führen. Die mit dem Einkommen steigenden Grenzsteuersätze führen dazu, dass die individuell zu tragenden Kosten einer Weiterbildungsmaßnahme bei niedrigen Einkommen höher ausfallen als bei hohen Einkommen. Durch das Bildungssparen, zumindest wie es von der Expertenkommission Finanzierung Lebenslangen Lernens vorgeschlagen wurde, würden dagegen die Bezieher niedriger Einkommen öffentlich gefördert. Allerdings könnte die ungerechte Förderung von Weiterbildungsmaßnahmen durch Abschreibungsmöglichkeiten in Form von Sonderausgaben oder Werbungskosten auch dadurch behoben werden, dass bei geringen Einkommen ein Erlass von Steuerschulden vorgesehen wird.

So einfach, wie sich das Bildungssparen in den genannten Vorschlägen darstellt, so kompliziert wird es, wenn es um die konkrete Ausgestaltung geht und führt zu Problemen bei der Umsetzung in die Praxis. Beispielsweise ergeben sich Schwierigkeiten bei der Frage, wie mit Guthaben auf individuellen Bildungskonten bei deren Auflösung verfahren werden sollte. Können die Guthaben beispielsweise bei Renteneintritt auf andere Vermögensformen übertragen werden, so ist nicht auszuschließen, dass Bildungskonten als Rentensparmodelle genutzt werden. Die Alternative, dass Kontenguthaben bei Auflösung verfallen oder an den Staat abgeführt werden müssen, könnte den Anreiz zur Einrichtung eines solchen Kontos erheblich schmälern. Ebenso schwierig gestaltet sich die Festlegung des Zeitraums, ab dem für Bildungszwecke auf individuellen Bildungskonten Vermögen angespart werden kann. Ist deren Einrichtung erst nach Abschluss eines ersten berufsqualifizierenden Abschlusses möglich, so müssen erst mehrere Jahre Guthaben angesammelt werden, um an einer Qualifizierungsmaßnahme teilzunehmen. Ist die Einrichtung eines Bildungskontos zu einem früheren Zeitpunkt möglich, z.B. bei Geburt, so ist zu vermuten, dass es in Zeiten knapper öffentlicher Mittel nur eine Frage der Zeit ist, bis Vermögen auf den Konten zur Finanzierung allgemeiner Bildung oder eines Studiums herangezogen wird.

Schließlich sind die absehbaren Verwaltungskosten nicht zu vernachlässigen, die mit dem Bildungssparen verbunden sind. Da Ressourcen zweckgebunden angesammelt und öffentlich gefördert werden, muss in irgendeiner Form darauf geachtet werden, dass die Mittel tatsächlich entsprechend eingesetzt werden, eine Ausweitung bürokratischer Verwaltung ist die Folge.

Die Einführung von Bildungssparen muss daher skeptisch gesehen werden. Hinzu kommen zwei Argumente, die gegen die Einführung sprechen:
  • Erstens greift bei individuellen Bildungskonten der generelle Einwand gegen eine nachfrageorientierte Finanzierung von Bildung. Die Nachfragesteuerung führt zu einer Risikoverlagerung von der öffentlichen Hand zu den Trägern von Weiterbildungseinrichtungen. Die Existenz einer Einrichtung kann aufgrund von zum Teil zufälligen Nachfrageschwankungen gefährdet werden, wenn der Fixkostenanteil sehr hoch ist, wenn z.B. überwiegend festangestelltes Personal beschäftigt wird; eine langfristig verlässliche Planung ist kaum noch möglich. Das Risiko könnte dadurch verringert werden, dass Anbieter sich auf die Bereiche beschränken, bei denen eine große Nachfrage zu erwarten ist, oder dadurch, dass überwiegend Honorarkräfte beschäftigt werden, um die Fixkosten zu reduzieren. Eine Subjektfinanzierung kann demnach einerseits dazu führen, dass gesamtgesellschaftlich wünschenswerte Weiterbildungsangebote reduziert werden. Andererseits kann es zu einer noch stärkeren Ausweitung prekärer Beschäftigungsverhältnisse im Weiterbildungsbereich kommen, mit vermutlich negativen Auswirkungen auf die Qualität. Voraussetzung für funktionierende Quasimärkte, die durch eine Nachfragesteuerung induziert werden sollen, ist, dass die Individuen rational, risikoneutral und vollständig informiert sind. Dies kann jedoch nicht vorausgesetzt werden. So kann die Abneigung gegen übermäßigen Risiken (Risikoaversion) beispielweise dazu führen, dass Weiterbildungsteilnehmer überwiegend kurzfristig verwertbares Wissen nachfragen und weniger allgemeine Qualifikationen, deren Verwertungschancen nur schlecht abzuschätzen sind. Unvollständige Information führt dazu, dass die ”falschen” Qualifikationen erworben werden. Daher führt jede Finanzierungsform für lebenslanges Lernen, die im Wesentlichen als Subjektfinanzierung ausgestaltet ist, dazu, dass Marktunvollkommenheiten durchschlagen.

  • Zweitens ist davon auszugehen, dass Bildungssparkonten, ebenso wie bei anderen öffentlich geförderten Vermögensbildungsmodellen, von einkommensschwachen Haushalten kaum genutzt würden, da bei diesen die Notwendigkeit besteht, das gesamte Einkommen für unmittelbare Konsumausgaben zu verwenden. Die Folge wäre, dass durch ein öffentlich gefördertes Bildungssparen gerade die Gruppen nicht erreicht werden, die an lebenslangem Lernen bisher nur in geringem Umfang partizipieren. Bildungskonten würden stattdessen von den Bevölkerungsgruppen eingerichtet, die bereits in ihre Bildung investieren. Es käme demnach vor allem zu „Mitnahmeeffekten“.
Im Ergebnis sind vom Bildungssparen in Summe wenig Vorteile zu erwarten, sondern im Gegenteil ist davon auszugehen, dass es zu einer weiteren – unter Umständen dramatischen – Umverteilung der Bildungsausgaben auf die Individuen kommt. Dies ist dann der Fall, wenn mit dem Hinweis darauf, dass individuelle Ressourcen für Bildung zur Verfügung stehen, z.B. Studiengebühren eingeführt bzw. deutlich erhöht werden. Bildungssparen ab Geburt hat dann zur Folge, dass für lebenslanges Lernen nur noch ein geringes Bildungsguthaben zur Verfügung steht, da ein großer Teil der angesparten Beträge bereits für die Ausbildung verbraucht sind.

Bestätigt werden diese Befürchtungen durch Erfahrungen in europäischen Nachbarländern:

In Schweden wurde z.B. im Jahre 2000 die Einführung von Individual Learning Accounts geplant. Vorgesehen war, dass Individuen für zukünftige Weiterbildungsmaßnahmen in ihr Bildungskonto einzahlen. Die Betriebe können sich an der Finanzierung beteiligen. Sowohl für Individuen als auch die Betriebe ist die Einzahlung steuervergünstigt, allerdings sind Entnahmen zu versteuern. Der Staat fördert das Bildungssparen durch eine Grundförderung auf das Konto sowie durch eine zusätzliche Förderung bei Durchführung einer Bildungsmaßnahme. Vor allem aufgrund nicht gelöster Probleme, z.B. der Abgrenzung förderfähiger Weiterbildungsmaßnahmen von anderen, die Behandlung der Konten bei Renteneintritt und die Verhinderung von Mitnahmeeffekten, kam es schließlich nicht zur Einführung und das Vorhaben wurde auf Eis gelegt.

In Großbritannien wurde 1998 erwogen, flächendeckend Bildungssparen einzuführen. Nach Modellversuchen wurde im September 2000 ein Gesetz zur landesweiten Einführung von Bildungskonten verabschiedet. Zur Einrichtung eines Bildungskontos war jeder britische Erwachsene berechtigt. Dazu musste man sich bei einer Organisation telefonisch oder durch das Internet registrieren lassen. Sie erhielten dann eine individuelle Kontonummer sowie Informationen zur Nutzung des Bildungskontos. Es gab ein Startguthaben für Weiterbildung, in Höhe einer öffentlichen Förderung von 150 ÂŁ, wenn man sich mit mindestens 25 ÂŁ selber beteiligte. War diese Fördersumme verbraucht, erfolgte eine weitere öffentliche Förderung in Abhängigkeit der Weiterbildungsinhalte.

Das britische Bildungskontenmodell wurde lange Zeit als Erfolgsmodell gefeiert. Bis Anfang 2002 wurden fast drei Millionen individuelle Lernkonten gezählt. Aufgrund von Unregelmäßigkeiten wurde das Programm jedoch ausgesetzt. Bis Mitte März 2002 waren 33 Weiterbildungsanbieter mit Rückforderungen durch den für die Vergabe staatlicher Fördermittel zuständige Learning and Skills Council konfrontiert, wegen mutmaßlichen Betrugs und finanzieller Unregelmäßigkeiten. Seitdem kamen pro Monat ca. vier neue Fälle hinzu. Der Versuch Bildungssparen in Großbritannien wieder zu beleben, scheiterte und das Vorhaben wurde gänzlich eingestellt.


Die Finanzierung der Weiterbildung von Erwerbslosen

Von besonderer Bedeutung im Bereich der beruflichen Weiterbildung ist die Förderung von Maßnahmen durch die Bundesagentur für Arbeit. Die Bundesagentur für Arbeit stellt nach wie vor einen der größten Finanzierer von Weiterbildungsmaßnahmen dar. Sie ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts mit Sitz in Nürnberg. Seit der Verabschiedung des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) im Jahre 1969 durch die große Koalition finanziert die Bundesagentur (BA), früher Bundesanstalt, Fortbildungs- und Umschulungsmaßnahmen, die heute einheitlich als Weiterbildungsmaßnahmen bezeichnet werden, nachdem das Arbeitsförderungsreformgesetz die Vorschriften des Arbeitsförderungsgesetzes zum 1. Januar 1998 in das Sozialgesetzbuch (SGB) III überführt hat. Die Entwicklung des Arbeitsförderungsrechts ist seit vielen Jahren zusammengefasst als Anpassung an die sich ständig verschlechternden Beschäftigungsbedingungen zu kennzeichnen. Das Arbeitsförderungsgesetz wurde in den 27 Jahren seines Bestehens über hundertmal geändert. Insgesamt gingen die staatlichen Leistungen tendenziell jedes Mal ein Stück zurück. Eine ursprünglich als Instrument der präventiven Arbeitsmarktpolitik geplante Förderung der Weiterbildung war nach diesen regelmäßigen Leistungskürzungen kaum noch möglich. Der Schwerpunkt lag seit Mitte der siebziger Jahre auf der Wiedereingliederung von Arbeitslosen in das Erwerbsleben mit dem Instrument Weiterbildung. Die Arbeitsämter führen diese Maßnahmen in der Regel nicht selbst durch, sondern beauftragen damit spezielle Weiterbildungseinrichtungen.

Ende 2001 wurde das Job-AQTIV-Gesetz verabschiedet, bei dem das „Q“ für Qualifizierung steht. Es trat am 01.01.2002 in Kraft. Es sollte eine Kehrtwende einleiten. Präventive Arbeitsmarktpolitik soll vor allem dadurch ermöglicht werden, dass schon nach der Kündigung ein konzertierter Versuch der Arbeitsvermittlung und Beratung unternommen wird. Besonders bemerkenswert ist das Konzept der Job-Rotation. Betriebe, die einem beschäftigten Arbeitnehmer die Teilnahme an einer Maßnahme der beruflichen Weiterbildung ermöglichen und für diese Zeit einen Arbeitslosen als Vertreter einstellen, können einen Zuschuss in Höhe von 50 % bis 100 % des Arbeitentgelts des Vertreters bekommen. Die Arbeitsämter können Dritte mit der Vorbereitung und Durchführung einer Maßnahme der Job-Rotation beauftragen. Es handelt sich hierbei um eine konzeptionell richtige, institutionelle Verknüpfung von Bildungs- und Arbeitsmarkpolitik. Leider war diese gesetzgeberische Maßnahme bisher nur begrenzt erfolgreich, vor allem, da das Konzept wegen der Neuausrichtung der Bundesagentur für Arbeit nur unzureichend umgesetzt wurde.

Mit Inkrafttreten des „Gesetzes zur Modernisierung der Dienstleistungen am Arbeitsmarkt“ (Hartz-1-Gesetz) am 01.01.2003 erfolgte eine Neuausrichtung der SGB III geförderten Weiterbildung. Arbeitsämter verhandeln nicht mehr mit den Trägern von Weiterbildungseinrichtungen über die Durchführung von Maßnahmen. Stattdessen erhalten Anspruchsberechtigte einen Weiterbildungsgutschein, den sie bei einem Weiterbildungsanbieter ihrer Wahl einlösen können. Bereits wenige Monate nach Einführung der Gutscheine werden „die ersten Resultate als „ernüchternd“, „katastrophal“ oder „enttäuschend“ beschrieben.“ So wurden bis Mitte des Jahres 2003 in vielen Arbeitsamtsbezirken weniger als 50 % der ausgegebenen Bildungsgutscheine eingelöst, der Verbleib der nicht eingelösten Gutscheine ist zum größten Teil noch unklar. Eine verlässliche Planung eines Angebotes der Anbieter von Maßnahmen ist kaum noch möglich, da nun eine größere Anzahl von Anbietern um eine begrenzte Zahl von Bildungsgutscheininhabern - häufig gerade ausreichend, um einen Kurs zustande kommen zu lassen – konkurriert. Im Ergebnis findet dann häufig gar keine Maßnahme statt, da kein Anbieter genügend Nachfrage auf sich ziehen kann, um ein Kursangebot rentabel durchzuführen. So sind Raumkapazitäten, Technikausstattung oder Personalkompetenzen nur schwer über einen längeren Zeitraum planbar. Dies führt dazu, dass die ohnehin im Weiterbildungsbereich dominierenden befristeten Beschäftigungsverhältnisse weiter zunehmen. In manchen Regionen gelingt es jedoch gegen zu steuern. Dies beruht dann häufig auf Absprachen zwischen den Trägern, einer Art von Kartell, was dem Ziel bei Einführung der Gutscheine, eine Erhöhung des Wettbewerbs, diametral entgegensteht.

Das neue System ist auch deshalb unbefriedigend, weil seine Einführung mit erheblichen Kürzungen der Mittel einher ging und der Zugang zu Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik drastisch eingeschränkt wurde. Verschärft wird die Situation außerdem durch die veränderte Vergabepraxis der Bundesagentur für Arbeit. Obwohl im SGB III als Zielbestimmung der Handlungen der Bundesagentur für Arbeit festgelegt ist, „unterwertige Beschäftigung zu verhindern“, hat die Bundesagentur für Arbeit durch die zentralisierte Ausschreibe- und Vergabepraxis erreicht, unterwertige Beschäftigungsbedingungen bei Bildungsträgern flächendeckend zu fordern und zu fördern.

Weiter zugespitzt wurde die Lage für die Weiterbildung durch die geschäftspolitische Vorgabe eines quantitativen Nutzen- und Erfolgsmaßstabes für die Weiterbildungsförderung: einer Verbleibsquote im ersten Arbeitsmarkt von mindestens 70 %. Mit dieser Kennziffernvorgabe für den kurzfristigen Erfolg wird praktisch die öffentliche Verantwortung für die SGB III-geförderte Weiterbildung aufgekündigt.

Die Teilnehmerzahl an von der Bundesagentur für Arbeit geförderten Weiterbildungsmaßnahmen ging seit dem Jahre 2002 zurück, von damals noch 332.000 Teilnehmern auf ca. 180.000 in 2004. Entsprechend verringert haben sich die Eintritte in Weiterbildungsmaßnahmen von 454.000 in 2002 auf 187.000 in 2004.

Statt auf eine umfassende qualifizierende Weiterbildung hat die Bundesagentur für Arbeit in den vergangenen Jahren aus Kostengründen vor allem auf kurzfristige Trainingsmaßnahmen gesetzt.


Unsere Vorschläge zur Weiterbildungsförderung für Erwerbslose

Notwendig ist eine Neuausrichtung der Förderung von Weiterbildung für Erwerbslose durch die Bundesagentur für Arbeit. Dabei geht es einerseits darum, Aufgaben, die die Bundesagentur für Arbeit nach und nach in ihrer Rolle als „Ausfallbürge“ für das Bildungssystem (z.B. Sprachkurse für Aussiedler, Nachholen von allgemeinbildenden Abschlüssen) zugewiesen bekommen hat, in neue Zuständigkeiten zu überführen. Dieser Typ von Aufgaben muss von den eigentlich Zuständigen im Bildungssystem steuerfinanziert wahrgenommen werden, das Nachholen von allgemeinbildenden Abschlüssen z.B. sollte aus dem zu schaffenden Erwachsenenbildungsförderungsgesetz finanziert werden, weil es sich um eine originäre staatliche Aufgabe der Bildungsfinanzierung handelt. Weiterbildung für Erwerbslose und von Erwerbslosigkeit bedrohten Beschäftigten muss hingegen Kernaufgabe der Bundesagentur für Arbeit bleiben und durch eine solide Finanzierung auf der Grundlage einer Beitragsfinanzierung abgesichert sein.

Wir unterstützen den Aufruf des DGB „Qualifizierung muss Eckpfeiler der Arbeitsmarktpolitik werden“ vom 10.11.2006, nach dem die Bundesagentur für Arbeit nicht allein für eine umfassende Weiterbildungspolitik verantwortlich sein kann, aber ihren Beitrag – besonders für die Zielgruppe der Arbeitssuchenden und Geringqualifizierten – leisten muss.
  • „Um den gesellschaftlichen Anforderungen gerecht zu werden, muss die Bundesagentur für Arbeit jährlich einen Anteil für Fort- und Weiterbildung über eine Quotierung verbindlich festlegen. Dabei sollte das Niveau des Jahres 2001 als Orientierung dienen. Das bedeutet, das mindestens 35 % der Mittel im Eingliederungstitel (EGT) für Weiterbildung verwendet werden (ohne die Unterhaltskosten für die Teilnehmer, die nicht mehr aus dem EGT finanziert werden).

  • Weil Weiterbildung eine Investition in die Zukunft ist, müssen die Agenturen die bereitgestellten Mittel auch für Weiterbildung ausgeben. Im letzten Jahr wurden im Regelkreis des SGB III von 701 Mio. € bereitgestellten Mitteln 61 Mio. € nicht zweck-bestimmt für Qualifizierung eingesetzt. Im SGB II waren von den zur Verfügung gestellten 408 Mio. € am Jahresende noch 208 Mio. € und damit mehr als 50 % ungebunden. Um eine solche Entwicklung zu verhindern, sollten die Agenturen regelmäßig über ihre Weiterbildungspolitik öffentlich berichten.“


Quelle: Stellungnahme der Initiative Bundesregelungen für die Weiterbildung zum Bildungssparen und zur Finanzierung der beruflichen Weiterbildung.

Sie können die Stellungnahme hier als pdf-Datei herunterladen.

Verweise zu diesem Artikel:
Dieser Beitrag wurde zuletzt aktualisiert am 17.01.2007