Lebenslanges Lernen

Zurück zur Übersicht

„Lebenslanges Lernen – Bedarf und Finanzierung“

Anhörung am 29. Januar 2007 im Ausschuss Bildung und Wissenschaft im Deutschen Bundestag

I. Grundsätze der Weiterbildungsförderung und –finanzierung

a) Weiterbildungsbedarf


1. Wie bewerten Sie den aktuellen sowie den mittel- bis langfristigen Bedarf in Deutschland an Fort- und Weiterbildung und lebensbegleitendem Lernen?

Wir sehen aktuell und zukünftig wie die Expertenkommission Finanzierung Lebenslangen Lernens einen ansteigenden Handlungsbedarf.


2. Wie beurteilen Sie die Notwendigkeit und die Realisierbarkeit einer Weiterentwicklung des Weiterbildungssektors in Richtung einer 4. Säule des Bildungssystems?

Weiterbildung ist in Deutschland nicht systematisch rechtlich geregelt. Sie ist zu einem großen Teil marktförmig organisiert. Die Regelung von Weiterbildung, z.B. deren Finanzierung, Ausgestaltung und Teilnahmemöglichkeiten, ist in verschiedenen Bundesgesetzen – wie dem SGB III, dem Betriebsverfassungsgesetz, dem Berufsbildungsgesetz oder dem Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz – den Weiterbildungsgesetzen und Bildungsurlaubsgesetzen der Länder – geregelt und führt im Ergebnis zu Überlappungen aber auch zu Lücken. Vor dem Hintergrund eines steigenden Qualifikationsbedarfs – der einzelnen Menschen, um beispielsweise ihre Beschäftigungsfähigkeit abzusichern und der Unternehmen, um ihre Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten – ergibt sich die Notwendigkeit, eine Weiterbildung mit System zu etablieren, die transparent ist, Regelungslücken beseitigt und dadurch Teilhabechancen erhöht. D.h., die lange bestehende Forderung, Weiterbildung zur vierten Säule des Bildungssystems auszubauen, muss endlich umgesetzt werden. Dazu schlagen wir ein Bundesweiterbildungsgesetz vor.

Ziel muss sein, die Bedeutung von Qualifizierung in den Köpfen von Akteuren der Politik, Unternehmensleitungen aber auch den Beschäftigten zu verankern. Ein ausreichendes Set an Qualifikationen ist Voraussetzung für die Qualität der Arbeit, sie hilft die Innovationsfähigkeit zu steigern. Qualifikationen sind keineswegs nur Betriebsausgaben. Flankierend zu diesem Prozess bedarf es einer Reform der derzeitigen Weiterbildungsfinanzierung, die einerseits die materiellen Voraussetzungen für eine Erhöhung der Weiterbildungsbeteiligung schafft und andererseits signalisiert, welchen Stellenwert die Gesellschaft dem vielzitierten „Lebensbegleitendem Lernen“ beimisst. Dies gilt umso mehr, als die Weiterbildungsbeteiligung am Arbeitsstandort Deutschland in den vergangenen Jahren trotz der anspruchsvollen europäischen Ziele gesunken ist.

Aufgrund der Heterogenität des Weiterbildungsbereiches kann es die eine Weiterbildungsfinanzierung nicht geben. Vielmehr bedarf es eines Sets von Instrumenten für die Weiterbildungssegmente: „betriebliche Weiterbildung“, „individuelle berufliche Weiterbildung“ und die „Weiterbildung für Erwerbslose“. Wesentliches Kriterium für die vorgeschlagenen Regelungen sind die Interessen der Beteiligten in Bezug auf die mit der Weiterbildung verfolgten Ziele.



3. Wie bewerten Sie den Zusammenhang zwischen Weiterbildung bzw. lebenslangem Lernen und längerer Lebensarbeitszeit?

Vor dem Hintergrund längerer Erwerbszeiten – die wir aus gewerkschaftlicher Sicht nicht befürworten – ergibt sich ein steigender Qualifizierungsbedarf. Dieser resultiert einerseits aus der Notwendigkeit, erworbene Qualifikationen kontinuierlich zu aktualisieren. Andererseits besteht für viele Beschäftigte die Notwendigkeit, im Alter einen anderen Arbeitsplatz mit einem anderen Anforderungsprofil einzunehmen.


4. Wie bewerten Sie den Zusammenhang zwischen Weiterbildung und veränderten Arbeitsbiographien (einschließlich Zeiten von Arbeitslosigkeit)?

Auch wenn Zweifel darüber bestehen, dass es tatsächlich zu erheblichen Veränderungen der Arbeitsbiographien gekommen ist. Für die betroffenen Beschäftigtengruppen besteht auf jeden Fall ein höherer Qualifizierungsbedarf. Mittel- und langfristig brauchen wir „-, Lernzeit-Kontingente“ als institutionell, versicherungsrechtlich und finanziell abgesicherte Verbindung von Teil-, Vollerwerbs- und Weiterbildungszeiten.


b) Weiterbildungsbeteiligung

5.
Wie stellt sich aus Ihrer Sicht gegenwärtig die Beteiligung in Deutschland an Maßnahmen der Fort- und Weiterbildung dar? Wie beurteilen Sie diese Beteiligung im internationalen Vergleich?

Die Weiterbildungsbeteiligung ist hoch selektiv. Das belegen alle Studien, die sich mit diesem Thema beschäftigen. Erwähnt sei hier das Berichtssystem Weiterbildung, das feststellt, dass die Beteiligung abhängig ist vom Alter, schulischer Bildung, Berufsausbildung, Arbeitsplatz und anderem mehr. Zudem ist die Weiterbildungsbeteiligung insgesamt rückläufig und im internationalen Vergleich gering. Wir schließen uns den Schlussfolgerungen des Konsortiums Bildungsberichterstattung an:

„Politisch nachdenklich stimmen sollte auch der Sachverhalt, dass Deutschland bei der Weiterbildungsbeteiligung (einschließlich informeller Lernaktivitäten) innerhalb der EU-15-Staaten eher am unteren Ende rangiert. Ob damit nicht auch die ökonomische Wettbewerbsfähigkeit auf lange Sicht beeinträchtigt wird, ist eine offene Frage“ (S. 136).



6. Wie setzen sich die Teilnehmer und Teilnehmerinnen an Maßnahmen der Fort- und Weiterbildung zusammen und welche Gruppen sind dabei Ihres Erachtens unter- bzw. überrepräsentiert? Welche Gründe vermuten Sie hierfür?

Die Weiterbildungsbeteiligung in Deutschland ist hoch selektiv. Das belegen alle Studien, die sich mit diesem Thema beschäftigten. Erwähnt sei hier nur das Berichtssystem Weiterbildung, das feststellt, dass die Beteiligung abhängig ist vom Alter, schulischer Bildung, Berufsausbildung, Arbeitsplatz und anderem mehr.

Zunächst ist festzuhalten, dass bei der Weiterbildungsbeteiligung keine Gruppen überrepräsentiert sind, sondern definitiv bestimmte Gruppen unterrepräsentiert. Dies sind, wie oben ausgeführt, ältere Beschäftigte, Frauen mit familiären Verpflichtungen, Beschäftigte mit befristeten Arbeitsverträgen oder in Teilzeit, Leiharbeitnehmer, Menschen mit niedrigem Bildungsstand oder ohne berufliche Qualifikation, Erwerbslose. Dies ist vielfach belegt, hingewiesen sei auf das Berichtssystem Weiterbildung.

Hierfür gibt es mehrere Gründe: Weiterbildung ist zu teuer, nicht erreichbar, keine Zeit für Weiterbildung, nicht erwachsenengerecht, keine Transparenz usw.



7. Sind ihres Erachtens Zielgrößen für die Weiterbildungsbeteiligung in Deutschland sinnvoll? Wenn ja, welche sind dies und warum?

Zielgrößen sind sinnvoll, z.B. um das Gesamtvolumen zu steigern (verdoppeln), Selektion abzubauen und betriebliche Bildungszeiten auszuweiten.


c) Weiterbildungszielgruppen

8.
Welches sind die aus ihrer Sicht wichtigsten Zielgruppen für Maßnahmen der Fort- und Weiterbildung? Erwarten Sie hier mittel- wie langfristig Veränderungen?

Alle Menschen in Deutschland sind als Zielgruppe für Weiterbildung anzusehen.


9. Wie beurteilen Sie die Pass- und Treffgenauigkeit der Fort- und Weiterbildungsangebote hinsichtlich der Zielgruppenorientierung, der Vereinbarkeit von Weiterbildung, Beruf und Familie und wie kann sie verbessert werden?

Bestehende Weiterbildungsangebote sind in der Regel auf die konkrete Nachfrage abgestimmt. Das Problem ist, dass es einen größeren Bedarf gibt, für den keine Angebote bereit gestellt werden.

Bei der Vereinbarkeit von Weiterbildung mit Familie und Beruf sehen wir Probleme, z.B. berücksichtigen die Bildungsträger diese Frage häufig nicht ausreichend bei ihrer Bildungsplanung. Probleme haben z.B. Frauen mit Familienverpflichtungen oder Schichtarbeitende. Notwendig sind Strukturen für eine andere Bildungszeitplanung.



10. Welchen Beitrag können die Universitäten als Orte der beruflichen Fort- und Weiterbildung leisten, um die Zielgruppengenauigkeit weiter zu erhöhen u.a. Nachqualifizierung von arbeitslosen oder nicht ausreichend qualifizierten Akademikern angesichts des Fachkräftemangels usw.)?

Die Forderung, die Hochschulen für Weiterbildung zu öffnen, ist alt, zudem ist sie als Aufgabe in vielen Landesgesetzen festgehalten. Getan hat sich bisher wenig. Dort wo sich etwas bewegt, zeigt sich, dass die Hochschulen meist an zahlungskräftiger Kundschaft interessiert sind, um die desolate Situation der Hochschulfinanzen auszugleichen. Es fehlt daher noch an Konzepten, wie Weiterbildung als gesellschaftlicher Auftrag an den Hochschulen durchgeführt werden soll. Notwendig sind Durchlässigkeit für alle Zielgruppen und eine angemessene Finanzierungsstruktur (siehe Erwachsenenbildungsförderungsgesetz).


d) Weiterbildungserreichbarkeit

11.
Wie beurteilen Sie die Beratung, Information und Transparenz in der Fort- und Weiterbildung?

12. Wie beurteilen Sie grundsätzlich die Weiterbildungsangebote hinsichtlich des Erfolgs der Maßnahmen, insbesondere ihrer Fähigkeit, wirtschaftliche sowie bildungs- und sozialpolitische Erfordernisse effektiv und effizient zu erreichen?

13. Mit welchen Methoden und Ansätzen können eine belastbare Erfolgskontrolle der Maßnahmen erreicht und verbessert werden?

14. Inwieweit wird eine kontinuierliche Qualitätssicherung der Weiterbildungsangebote gewährleistet gerade im Hinblick auf die Erreichbarkeit der identifizierten Zielgruppen und auf wirtschaftliche sowie bildungs – und sozialpolitische Erfordernisse? Welchen Verbesserungsbedarf gibt es aus Ihrer Sicht bezüglich der Qualitätssicherung?

15. Welchen Beitrag könnte ein aktives, das lebenslange Lernen unterstützende Bildungsmarketing leisten und wie müsste es Ihres Erachtens ausgestaltet werden?

16. Wie ist insbesondere die Gruppe derjenigen durch Weiterbildung zu erreichen, die ohne Schulabschluss bzw. ohne Berufsausbildung sind (2. Chance)? Welche Erfahrungen anderer europäischer Länder mit gezielten Programmen zur 2. Chance sind hier zu berücksichtigen?


Zu 11. bis 16.
In jeder Hinsicht unzureichend!

Wir brauchen eine umfassende Qualitätssicherung, die auf einer gesetzlichen Grundlage umgesetzt werden muss. Ziel ist ein träger- und länderübergreifendes Zertifikats- und Gütesiegelsystem mit der Zielrichtung „Deutsche Weiterbildungsqualität“, das Transparenz und Verbraucherschutz gewährleistet. Mit einem Fördergesetz wie z.B. einem Erwachsenenbildungsförderungsgesetz hat Schweden zum Beispiel gute Erfahrungen gemacht.



II. Spezielle Konzepte der Weiterbildungsfinanzierung

a) Weiterbildungsfinanzierung allgemein

17.
In welchem Verhältnis sehen Sie, auch perspektivisch, die Verantwortung in der Weiterbildungsfinanzierung von Privatpersonen, der öffentlichen Hand und der Wirtschaft?

Aufgrund der Heterogenität des Weiterbildungsbereiches kann es die eine Weiterbildungsfinanzierung nicht geben. Vielmehr bedarf es eines Sets von Instrumenten für die Weiterbildungssegmente: „betriebliche Weiterbildung“, „individuelle berufliche Weiterbildung“ und die „Weiterbildung für Erwerbslose“. Wesentliches Kriterium für die vorgeschlagenen Regelungen sind die Interessen der Beteiligten in Bezug auf die mit der Weiterbildung verfolgten Ziele.

Die verschiedenen Weiterbildungsformen mit unterschiedlichen Finanzierungsarrangements zu hinterlegen, widerspricht nicht dem Gedanken eines einheitlichen zukunftsfähigen Weiterbildungssystems für Deutschland. Wichtig ist vielmehr, die drei Bereiche der beruflichen Weiterbildung nicht getrennt für sich stehen zu lassen und einzeln zu reformieren, sondern sie zu einem Gesamtkonzept zu entwickeln, das keine Lücken entstehen lässt.

Ein solches Gesamtkonzept für die Weiterbildungsfinanzierung betont die öffentliche Verantwortung für lebenslanges Lernen. Dies bedeutet nicht notwendig eine Finanzierungsverpflichtung der öffentlichen Hand für alle Formen der Weiterbildung, so, wie sie etwa für die allgemeine Bildung und die Erstausbildung gilt. Daraus folgt aber, dass der Staat bestehende Lücken schließt, indem er sich an der Finanzierung beteiligt oder andere Akteure, wie z.B. die Unternehmen, aber in bestimmten Fällen auch die Individuen, in die Pflicht nimmt. Hinsichtlich der öffentlichen Finanzierungsanteile können Ressourcen auch zum Teil effizienter genutzt werden, so z.B. indem die Kapazitäten verstärkt auch für Weiterbildung genutzt werden.



18. Wie beurteilen Sie vor diesem Hintergrund die gegenwärtige Struktur der staatlichen Förderung von Fort- und Weiterbildung (SGB, AFBG, EStG, BaföG usw.) sowie insgesamt das Verhältnis von Zuschüssen und Darlehen?

Eine zentrale Schwachstelle des AFBG besteht darin, dass es sich von seiner Konzeption her um ein Leistungsgesetz handelt, das nicht systematisch in die Weiterbildungslandschaft integriert ist, sondern nur einen Teilbereich regelt. Dies führt einerseits dazu, dass Qualifikationen unterhalb der Aufstiegsfortbildung nicht gefördert werden und andererseits dazu, Berufsgruppen, die nicht eine duale Berufsausbildung durchlaufen oder eine Ausbildung in einem der Gesundheitsberufe absolviert haben, ausgeschlossen werden.

Eine weitere Schwachstelle des AFBG besteht darin, dass es konzeptionell auf jüngere Weiterbildungsteilnehmer zugeschnitten ist. Das Verhältnis von Darlehen zu Zuschuss verändert sich bei höherem Förderbedarf in Richtung Darlehen, da der Zuschussanteil unabhängig von der Förderhöhe konstant bleibt. Für Ältere, die aufgrund ihrer familiären Situation in der Regel einen höheren Finanzbedarf haben, wird es damit teurer, an einer Aufstiegsfortbildung teilzunehmen. So lag der Anteil der 20- bis 35-Jährigen, deren Aufstiegsfortbildung durch das AFBG gefördert wurde, laut ArbGBundesstatistik im Jahr 2004 bei 79 %.



19. Welche materiellen Unterstützungs - und Förderkonzepte wären Ihrer Meinung nach sinnvoll, um Initiativen und Programmen zur 2. Chance (Nachholen des Schulabschlusses, Nachholen der beruflichen Qualifizierung) zum Erfolg zu verhelfen?

Vgl. den nächsten Punkt


b) Erwachsenenbildungsförderungsgesetz

20.
Wie bewerten Sie allgemein den möglichen Beitrag eines Erwachsenenbildungsförderungsgesetzes zur Erreichung und Finanzierung der Ziele der Fort- und Weiterbildung bzw. des lebenslangen Lernens?

Wir unterstützen den Vorschlag der Expertenkommission „Finanzierung Lebenslangen Lernens“, das bestehende AFBG in einem ersten Schritt in ein Erwachsenenbildungsförderungsgesetz und langfristig in einem zweiten Schritt in ein Bildungsförderungsgesetz zu integrieren. Ziel muss sein, alle Formen der individuellen beruflichen Weiterbildung in einem Fördergesetz zu regeln. Dies bedeutet nicht notwendig einheitliche Fördersätze für alle Weiterbildungsmöglichkeiten. Möglich ist auch, verschiedene Weiterbildungsformen je nach ihrer gesellschaftlichen Relevanz unterschiedlich zu fördern. Die Aufstiegsfortbildungen könnten mit einer Zuschusskomponente gefördert werden, andere Formen, z.B. ausschließlich durch vergünstigte Darlehen, die einkommensabhängig vergeben werden.

Im Einzelnen bedeutet dies:
  • Die zweite Chance, d.h. das Nachholen eines allgemeinbildenden Schulabschlusses, muss jedem offen stehen. Daraus ergibt sich, dass die öffentliche Förderung des Lebensunterhalts und der Bildungskosten als Zuschuss erfolgt.

  • Das Nachholen beruflicher Abschlüsse oder eines Hochschulstudiums sollte weitestgehend analog zum bestehenden BAföG gefördert werden. Im Sinne des lebenslangen Lernens muss aber abweichend hiervon die Altersgrenze deutlich nach oben verschoben werden und die Förderung elternunabhängig erfolgen. Die Teilnahme an einer Aufstiegsfortbildung wird wie bisher im AFBG durch Zuschüsse und Darlehen gefördert.

  • Für alle weiteren individuellen Weiterbildungsmaßnahmen wird einkommensabhängig ein Darlehen gewährt, dessen Rückzahlung sozialverträglich ausgestaltet wird, analog zu den Rückzahlungsregelungen beim BAföG.


21. Wie bewerten Sie hierbei insbesondere den möglichen Beitrag einer Ausweitung gesetzlicher Weiterbildungsansprüche sowie die Schaffung weiterer erfolgsnotwendiger Rahmenbedingungen?

Damit ein Erwachsenenbildungsförderungsgesetz erfolgreich umgesetzt werden kann, ist es notwendig, die Beschäftigten mit Ansprüchen auszustatten, die eine Inanspruchnahme ermöglichen. Dies bedeutet: Zum einen es bedarf eines gesetzlichen Freistellungsanspruches, der in einem Bundesweiterbildungsgesetz festgeschrieben ist. Andererseits müssen in einem Bundesweiterbildungsgesetz auch weitere notwendige Rahmenbedingungen festgelegt werden, wie z.B. Qualität, Transparenz usw., die an anderer Stelle schon benannt sind.


c) Bildungssparen, Bildungsprämien, Bildungskredite

22.
Wie bewerten Sie allgemein den möglichen Beitrag neuer Instrumente wie des Bildungssparens, der Bildungsprämie oder von Bildungskrediten zur Erreichung und Finanzierung der Ziele der Fort- und Weiterbildung bzw. des lebenslangen Lernens? Welche Bevölkerungsgruppen werden besonders durch die drei oben genannten Instrumente angesprochen?

Von Bildungssparen bzw. Bildungskonten profitieren vor allem die Bevölkerungsgruppen, die schon jetzt an Weiterbildung teilnehmen. Die Einführung von Bildungssparen muss daher skeptisch gesehen werden. Hinzu kommen zwei Argumente, die gegen die Einführung sprechen:
  • Erstens greift bei individuellen Bildungskonten der generelle Einwand gegen eine nachfrageorientierte Finanzierung von Bildung. Die Nachfragesteuerung führt zu einer Risikoverlagerung von der öffentlichen Hand zu den Trägern von Weiterbildungseinrichtungen. Die Existenz einer Einrichtung kann aufgrund von zum Teil zufälligen Nachfrageschwankungen gefährdet werden, wenn der Fixkostenanteil sehr hoch ist, wenn z.B. überwiegend festangestelltes Personal beschäftigt wird; eine langfristig verlässliche Planung ist kaum noch möglich. Das Risiko könnte dadurch verringert werden, dass Anbieter sich auf die Bereiche beschränken, bei denen eine große Nachfrage zu erwarten ist, oder dadurch, dass überwiegend Honorarkräfte beschäftigt werden, um die Fixkosten zu reduzieren. Eine Subjektfinanzierung kann demnach einerseits dazu führen, dass gesamtgesellschaftlich wünschenswerte Weiterbildungsangebote reduziert werden. Andererseits kann es zu einer noch stärkeren Ausweitung prekärer Beschäftigungsverhältnisse im Weiterbildungsbereich kommen, mit vermutlich negativen Auswirkungen auf die Qualität. Voraussetzung für funktionierende Quasimärkte, die durch eine Nachfragesteuerung induziert werden sollen, ist, dass die Individuen rational, risikoneutral und vollständig informiert sind. Dies kann jedoch nicht vorausgesetzt werden. So kann die Abneigung gegen übermäßige Risiken (Risikoaversion) beispielsweise dazu führen, dass Weiterbildungsteilnehmer überwiegend kurzfristig verwertbaren Wissens nachfragen und weniger allgemeine Qualifikationen, deren Verwertungschancen nur schlecht abzuschätzen sind. Unvollständige Information führt dazu, dass die ”falschen” Qualifikationen erworben werden. Daher führt jede Finanzierungsform für lebenslanges Lernen, die im Wesentlichen als Subjektfinanzierung ausgestaltet ist, dazu, dass Marktunvollkommenheiten durchschlagen.

  • Zweitens ist davon auszugehen, dass Bildungssparkonten, ebenso wie bei anderen öffentlich geförderten Vermögensbildungsmodellen, von einkommensschwachen Haushalten kaum genutzt würden, da bei diesen die Notwendigkeit besteht, das gesamte Einkommen für unmittelbare Konsumausgaben zu verwenden. Die Folge wäre, dass durch ein öffentlich gefördertes Bildungssparen gerade die Gruppen nicht erreicht werden, die an lebenslangem Lernen bisher nur in geringem Umfang partizipieren. Bildungskonten würden statt dessen von den Bevölkerungsgruppen eingerichtet, die bereits in ihre Bildung investieren. Es käme demnach vor allem zu „Mitnahmeeffekten“.


23. Wie bewerten Sie die unterschiedlichen in der Diskussion befindlichen Modelle eines „Bildungssparens“ hinsichtlich ihrer Vor- und Nachteile sowie finanzieller Folgen für die Beschäftigten, die Wirtschaft und die öffentliche Hand?

Die Öffnung des VermBG, wie von Dohmen vorgeschlagen, halten wir für unschädlich. Im Kern bedeutet dieses ja nur, dass der Sparer vor Ablauf des Sparvertrages für Bildungszwecke Entnahmen tätigen kann. Wir gehen aber nicht davon aus, dass es zu einer nachhaltigen Steigerung der Weiterbildungsbeteiligung kommt, da die sonstigen Wünsche, die mit der Vermögensbildung verbunden werden, natürlich auch ihre Berechtigung haben. Wenn das Dohmen-Modell tarifpolitisch unterstützt werden soll, muss man berücksichtigen, dass es in Konkurrenz zu Modellen der Altersvorsorge (z.B. Riester-Rente) steht und daher nur eine sehr begrenzte Wirkung zu erwarten ist. Auch die Qualifizierungsprobleme der Betriebe werden damit nicht gelöst. Die öffentliche Hand hat nicht mit relevanten Mehrausgaben zu rechnen, da es kaum zu zusätzlicher Inanspruchnahme führt.


24. Mit welchen Effekten und Konsequenzen ist bei der Einführung eines Bildungssparens für die Weiterbildung zu rechnen?

Im Ergebnis sind vom Bildungssparen in Summe wenige Vorteile zu erwarten, sondern im Gegenteil ist davon auszugehen, dass es zu einer weiteren – unter Umständen dramatischen – Umverteilung der Bildungsausgaben auf die Individuen kommt. Dies ist dann der Fall, wenn mit dem Hinweis darauf, dass individuelle Ressourcen für Bildung zur Verfügung stehen, z.B. Studiengebühren eingeführt bzw. deutlich erhöht werden. Bildungssparen ab Geburt hat dann zur Folge, dass für lebenslanges Lernen nur noch ein geringes Bildungsguthaben zur Verfügung steht, da ein großer Teil der angesparten Beträge bereits für die Ausbildung verbraucht sind.

Bestätigt werden diese Befürchtungen durch Erfahrungen in europäischen Nachbarländern:

In Schweden wurde z.B. im Jahre 2000 die Einführung von Individual Learning Accounts geplant. Vorgesehen war, dass Individuen für zukünftige Weiterbildungsmaßnahmen in ihr Bildungskonto einzahlen. Die Betriebe können sich an der Finanzierung beteiligen. Sowohl für Individuen als auch für die Betriebe ist die Einzahlung steuervergünstigt, allerdings sind Entnahmen zu versteuern. Der Staat fördert das Bildungssparen durch eine Grundförderung auf das Konto sowie durch eine zusätzliche Förderung bei Durchführung einer Bildungsmaßnahme. Vor allem aufgrund nicht gelöster Probleme, z.B. der Abgrenzung förderfähiger Weiterbildungsmaßnahmen von anderen, die Behandlung der Konten bei Renteneintritt und die Verhinderung von Mitnahmeeffekten, kam es schließlich nicht zur Einführung und das Vorhaben wurde auf Eis gelegt.

In Großbritannien wurde 1998 erwogen, flächendeckend Bildungssparen einzuführen. Nach Modellversuchen wurde im September 2000 ein Gesetz zur landesweiten Einführung von Bildungskonten verabschiedet. Zur Einrichtung eines Bildungskontos war jeder britische Erwachsene berechtigt. Dazu musste man sich bei einer Organisation telefonisch oder durch das Internet registrieren lassen. Sie erhielten dann eine individuelle Kontonummer sowie Informationen zur Nutzung des Bildungskontos. Es gab ein Startguthaben für Weiterbildung, in Höhe einer öffentlichen Förderung von 150 ÂŁ, wenn man sich mit mindestens 25 ÂŁ selber beteiligte. War diese Fördersumme verbraucht, erfolgte eine weitere öffentliche Förderung in Abhängigkeit der Weiterbildungsinhalte.

Das britische Bildungskontenmodell wurde lange Zeit als Erfolgsmodell gefeiert. Bis Anfang 2002 wurden fast drei Millionen individuelle Lernkonten gezählt. Aufgrund von Unregelmäßigkeiten wurde das Programm jedoch ausgesetzt. Bis Mitte März 2002 waren 33 Weiterbildungsanbieter mit Rückforderungen durch den für die Vergabe staatlicher Fördermittel zuständige Learning and Skills Council konfrontiert, wegen mutmaßlichen Betrugs und finanzieller Unregelmäßigkeiten. Seitdem kamen pro Monat ca. vier neue Fälle hinzu. Der Versuch Bildungssparen in Großbritannien wieder zu beleben, scheiterte und das Vorhaben wurde gänzlich eingestellt.



25. Welche Maßnahmen halten Sie für notwendig und sinnvoll, um eine hinreichende Akzeptanz des Bildungssparens in Abwägung mit anderen Vorsorgemaßnahmen wie z.B. Bausparen und Altersvorsorge zu gewährleisten?

Siehe Frage 23


26. Wie beurteilen Sie hierbei die Möglichkeit, Bildungssparen zu einem abgestimmtes Finanzierungssystem für die Fort- und Weiterbildung und das lebenslanges Lernen auszugestalten und fortzuentwickeln?

Bei einer generellen Beurteilung des Instrumentes „Bildungssparen“ muss deutlich im Blick behalten werden, dass dieses Instrument nur für das – aber nicht zu vernachlässigendes – Segment der individuellen beruflichen Weiterbildung geeignet erscheint. Bildungskonten können daher nicht die bestehenden Förderinstrumente AFBG oder die Weiterbildung von Arbeitslosen ersetzen, und auf keinen Fall sind sie geeignet, die Finanzierung der betrieblichen Weiterbildung neu zu regeln.

So einfach, wie sich das Bildungssparen in den genannten Vorschlägen darstellt, so kompliziert wird es, wenn es um die konkrete Ausgestaltung geht. Beispielsweise ergeben sich Schwierigkeiten bei der Frage, wie mit Guthaben auf individuellen Bildungskonten bei deren Auflösung verfahren werden sollte. Können die Guthaben beispielsweise bei Renteneintritt auf andere Vermögensformen übertragen werden, so ist nicht auszuschließen, dass Bildungskonten als Rentensparmodelle genutzt werden. Die Alternative, dass Kontenguthaben bei Auflösung verfallen oder an den Staat abgeführt werden müssen, könnte den Anreiz zur Einrichtung eines solchen Kontos erheblich schmälern. Ebenso schwierig gestaltet sich die Festlegung des Zeitraums, ab dem für Bildungszwecke auf individuellen Bildungskonten Vermögen angespart werden kann. Ist deren Einrichtung erst nach Abschluss eines ersten berufsqualifizierenden Abschlusses möglich, so müssen erst mehrere Jahre Guthaben angesammelt werden, um an einer Qualifizierungsmaßnahme teilzunehmen. Ist die Einrichtung eines Bildungskontos zu einem früheren Zeitpunkt möglich, z.B. bei Geburt, so ist zu vermuten, dass es in Zeiten knapper öffentlicher Mittel nur eine Frage der Zeit ist, bis Vermögen auf den Konten zur Finanzierung allgemeiner Bildung oder eines Studiums herangezogen wird.

Schließlich sind die absehbaren Verwaltungskosten nicht zu vernachlässigen, die mit dem Bildungssparen verbunden sind. Da Ressourcen zweckgebunden angesammelt und öffentlich gefördert werden, muss in irgendeiner Form darauf geachtet werden, dass die Mittel tatsächlich entsprechend eingesetzt werden, eine Ausweitung bürokratischer Verwaltung ist die Folge.



d) Steuerliche Absetzbarkeit von Weiterbildung

27.
Wie bewerten Sie allgemein die mögliche Rolle weiterer steuerlicher Maßnahmen zur Erreichung und Finanzierung der Ziele der Fort- und Weiterbildung bzw. des lebenslangen Lernens?

Allgemein beurteilen wir die Rolle von steuerlichen Maßnahmen zur Erhöhung der Weiterbildungsbeteiligung negativ, da wir nur Nachteile sehen: Steuerliche Maßnahmen wirken als Anreiz nur auf Menschen, die Steuern zahlen. Durch die Progression ist die Höhe der Refinanzierung von Weiterbildungsmaßnahmen abhängig vom Grenzsteuersatz und führt damit zu Ungerechtigkeiten.

Zudem führt der Arbeitnehmerpauschalbetrag von 920 € bei den Werbungskosten dazu, dass gerade Personen mit geringem Einkommen von steuerlichen Vorteilen nicht profitieren.

Eine Ausnahme ist die steuerliche Förderung von Lernzeitkonten, die wir begrüßen würden, d.h. Einlagen oder Entnahmen aus dem Konto für Bildungszwecke sind steuerfrei.

Eine weitere Ausnahme könnte sein, dass Aufwendungen von Betrieben für besondere Personengruppen für Weiterbildungsmaßnahmen doppelt als Betriebsausgaben geltend gemacht werden können.



28. Welche spezifischen Vor- und Nachteile hätten steuerliche Maßnahmen im
Vergleich zu den anderen angesprochenen Finanzierungsinstrumenten?

Siehe Frage 27.


e) Tarifvertragliche und betriebliche Vereinbarungen und Unterstützung durch
gesetzgeberische Maßnahmen

29.
Wie bewerten Sie allgemein den möglichen Beitrag tarifvertraglicher oder betrieblicher Vereinbarungen zur Erreichung und Finanzierung der Ziele der Fort- und Weiterbildung bzw. des lebenslangen Lernens? Welche begleitenden gesetzgeberischen Maßnahmen sind dazu sinnvoll oder gar notwendig?

Wir halten öffentliche Verantwortung für unverzichtbar. Denn auch Weiterbildung ist eine öffentliche Aufgabe und damit Teil sozialstaatlicher Aufgaben. Der Staat muss durch gesetzliche Regelungen auf Bundesebene Rahmenbedingungen herstellen. Nicht nur für ein Recht auf Weiterbildung, für Lernzeiten und ein Finanzierungskonzept, sondern Qualitätssicherung, die Verbraucherschutz gewährleistet sowie für Zertifizierung, die Lernleistungen anerkennt und auch Ansprüche in Bezug auf Arbeitsmarkt und Entlohnung gewährleistet.

Gleichwohl können die Gewerkschaften mit Tarifpolitik das Weiterbildungsgeschehen mitgestalten. Tarifpolitik macht das Feld der Weiterbildung zu einem kontinuierlichen Beratungsgegenstand, löst es heraus aus zufälligen Entscheidungen und fördert den Abschluss von Tarifvereinbarungen.

Dennoch gibt es Widerstände und Probleme in den Betrieben. Wenn z.B. die Betriebe in die Qualifikation ihrer Beschäftigten investieren, entstehen ihnen kurzfristig höhere Kosten im Vergleich zu Unternehmen, die nicht in Weiterbildung investieren. Damit kann kurzfristig die Wettbewerbsfähigkeit verringert werden. Investieren sie aus diesem Grund nicht in Weiterbildung, verringert sich ihre langfristige Wettbewerbs- und Innovationsfähigkeit und ihr Bestehen wird gefährdet.

Dieses Dilemma, das aus der einzelbetrieblichen Finanzierung der Weiterbildung resultiert, kann vermieden werden, wenn auf ein kollektives Finanzierungskonzept abgestellt wird. Weiterbildungsfonds entkoppeln die Weiterbildungsteilnahme von den dabei entstehenden Kosten, da die Arbeitgeber sich an der Finanzierung beteiligen, unabhängig davon, ob sie „ihren“ Mitarbeitern Weiterbildung ermöglichen oder nicht. Der Erfolg, den solche Fonds erreichen können, ist hinreichend belegt.

Grundsätzlich müssen alle Betriebe, auch die öffentlichen Unternehmen, in einen Weiterbildungsfonds einzahlen, aus denen die Kosten für betriebliche Weiterbildungsmaßnahmen refinanziert werden. Aufgrund der Heterogenität der Branchen schlagen wir Branchenfonds vor, die effiziente Lösungen ermöglichen. Damit werden an den spezifischen Bedürfnissen der Branchen angepasste Regelungen verwirklicht. Die Aufgabe des Gesetzgebers besteht darin, die rechtlichen Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass in Tarifverhandlungen auch branchenspezifische Fondsmodelle vereinbart werden können. Hierzu gehört auch die Formulierung einer Auffanglösung für den Fall, dass sich die Tarifparteien nicht einigen können, bzw. für den Fall, dass Betriebe nicht tarifgebunden sind. Eine solche Auffanglösung muss die folgenden Punkte enthalten:
  • Festlegung eines Mindestprozentsatzes, der von den Betrieben in die Fonds eingezahlt werden muss. Ob als Bemessungsgrundlage der Umsatz, der Gewinn, die Beschäftigtenzahl, die Wertschöpfung oder die Lohnsumme eines Betriebes gewählt wird, ist noch zu klären. Entscheidend ist, eine Bemessungsgrundlage zu wählen, die relativ leicht zu ermitteln ist, um Verwaltungskosten zu senken.

  • Finanziert werden sollen aus den Fonds die Kosten strukturierter Weiterbildungsmaßnahmen. Hierzu sind z.B. Gebühren, Fahrtkosten, Kosten der Freistellung und Übernachtungskosten zu zählen. Nichtstrukturierte Qualifikationsprozesse, die beispielsweise am Arbeitsplatz stattfinden, sollen dagegen nicht von den Fonds finanziert werden, da die Ermittlung der damit verbundenen Kosten einen erheblichen Aufwand verursachen würde und die Gefahr von Missbrauch erhöht.

  • Regelungen über die Verwaltung der Fonds, hierbei muss sichergestellt werden, dass diese paritätisch aus Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertretern zusammengesetzt werden.

  • Weitere Aufgaben, die neben der Mittelverwaltung von den Fondsverwaltungen ausgeführt werden sollten, z.B. Bildungsberatung und Qualitätssicherung oder die Förderung der Weiterbildung in kleinen und mittleren Unternehmen.

  • Regelungen, wie benachteiligte Beschäftigtengruppen stärker in die Weiterbildung einbezogen werden können. Spezifische Beschäftigtengruppen nehmen deutlich weniger an Weiterbildung teil. Hierzu gehören z.B. ältere Arbeitnehmer, Beschäftigte mit niedrigen Qualifikationen, Teilzeitbeschäftigte, Beschäftigte in Leiharbeitsunternehmen oder Frauen mit Kindern. Gerade diese Beschäftigtengruppen haben häufig ein höheres Risiko erwerbslos zu werden. Daher ist eine Erhöhung der Weiterbildungsteilnahme dieser Gruppen sowohl in deren als auch im gesellschaftlichen Interesse. Die Fondsverwaltungen sollten daher ein Teil der von ihnen verwalteten Ressourcen dafür aufwenden, spezifische Weiterbildungsprogramme für diese Gruppen anzubieten. Denkbar ist, einen bestimmten Prozentsatz der Fondsmittel für die Weiterbildung dieser Gruppen festzulegen.


30. Wie bewerten Sie hierbei insbesondere bestehende oder vorgeschlagene tarifvertragliche Regelungen und Lösungskonzepte mit Bezug zur Fort- und Weiterbildung (Langzeitkonten, Weiterbildungsfonds, Lernzeitkonten usw.)?

Mit den Strategien, betrieblich-berufliche Weiterbildungszeit neu zu regeln, sind auch Überlegungen zu einer investiven Arbeitszeitpolitik und zu Lernzeitkonten aufgekommen, die dazu beitragen sollen, die zukünftig benötigten zeitlichen und finanziellen Ressourcen für ein Konzept des lebenslangen Lernens zur Verfügung zu stellen.

Vom Grundsatz her halten wir Lernzeitkonten für sinnvoll, weil es sich gezeigt hat, dass Betrieb die Weiterbildungskonten einsetzen, eine höhere Weitebildungsbeteiligung haben. Wir gehen davon aus, dass die Konten aus Mehrarbeitsstunden, Bildungsurlaubsansprüchen und Zeitansprüchen aus Tarifverträgen und Betriebsvereinbarungen etc. bestückt werden können



31. Wie können und sollen Langzeitkonten abgesichert werden, um einen Verfall von Weiterbildungsansprüchen zu verhindern (bei Insolvenz, Kündigung, Arbeitgeberwechsel usw.)?

Bislang setzt die Pflicht zur Insolvenzsicherung von Arbeitszeitkonten nach dem Gesetz zur sozialrechtlichen Absicherung flexibler Arbeitszeitregelungen (§7d SGB IV) erst bei Konten ein, wenn sie länger als 27 Monate laufen und die Kontenbestände das Dreifache des Monatsentgelts übersteigen. Diese Regelung mag für die Altersicherung angemessen sein, nicht jedoch für Lernzeitkonten. Für diese sollte es möglich sein, auch in kürzeren Abständen Stunden zu entnehmen. Zahlreiche Insolvenzfälle, die zum Verlust hoher Kontenbeträge geführt haben, zeigen, dass die bisherigen Regelungen unzureichend sind. Die Kommission empfiehlt daher, eine gesetzliche Insolvenzsicherung einzuführen.


32. Welche weiteren, hier nicht explizit aufgeführten Instrumente oder Maßnahmen halten Sie für sinnvoll, um die Ziele der Fort- und Weiterbildung besser erreichen zu können und/oder die entsprechend notwendige Finanzierung zu gewährleisten (z.B. Job Rotation)?

Neben den bereits benannten Instrumenten - Bundesregelungen für die Weiterbildung, Tarifverträgen und Betriebsvereinbarungen - ist der Aufbau einer Weiterbildungskultur unabdingbar. Dazu ist es notwendig, dass die Regierung einen breiten gesellschaftlichen Dialog anstößt und organisiert und das Thema nicht nur einer kleinen Gruppe (z.B. dem Innovationskreis Weiterbildung) zur Diskussion überlässt.


Quelle: Antworten der Gewerkschaften ver.di und IG Metall zur Anhörung am 29. Januar 2007 zum Thema „Lebenslanges Lernen – Bedarf und Finanzierung“ im Ausschuss Bildung und Wissenschaft im Deutschen Bundestag

Mechthild Bayer, ver.di
Dr. Klaus Heimann, IG Metall


Sie können weitere Stellungnahmen zur Anhörung als pdf-Dateien auf der Homepage des Deutschen Bundestags herunterladen.

Schlagworte zu diesem Beitrag: Ältere Beschäftigte, Betriebliche Weiterbildung
Dieser Beitrag wurde zuletzt aktualisiert am 14.04.2009