Förderung der beruflichen Weiterbildung

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Immer mehr des Falschen

Am Neujahrstag lagen zwei Jahre Erfahrung mit Hartz IV hinter uns – und damit auch zwei Jahre Erfahrung mit dem geteilten Unterstützungssystem je nach Länge der Erwerbslosigkeit. Arbeitslose, deren Rechtsanspruch auf das ALG 1 ausgelaufen ist, werden durch ARGEn betreut; für sie gilt das SGB II, aber auch alle Instrumente der Arbeitsförderung nach dem SGB III. Zugleich blicken wir nunmehr auf vier Jahre massiver Kürzungen bei traditionellen arbeitsmarktpolitischen Instrumenten zurück.

Im Jahr 2006 hat sich die Zahl der TeilnehmerInnen an arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen zwar stabilisiert und in einigen Bereichen sogar etwas ausgeweitet: Die ARGEn haben mit aktiver Arbeitsmarktpolitik begonnen und eine steigende Zahl von Langzeitarbeitslosen vermittelt. Doch bei den ALG 1-EmpfängerInnen gab es auch 2006 rückläufige Teilnahmezahlen. Vor allem aber werden die mit Abstand erfolgreichsten Arbeitsmarktinstrumente heute kaum noch angewandt. Im Vergleich zu den Jahren 1999 und 2001 sind die Weiterbildungs- und Qualifizierungsmaßnahmen um 70% gekürzt worden. Dabei führen sie zu Integrationszahlen in den ersten Arbeitsmarkt von durchschnittlich 30 bis 60% (hier gibt es deutliche Unterschiede zwischen ALG-1- und ALG-2-EmpfängerInnen); in manchen Regionen sind die Zahlen noch deutlich günstiger.

Schwerpunkt sowohl in Bezug aufs Finanzvolumen als auch auf die TeilnehmerInnenzahl sind Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigung. Für knapp 300.000 solcher 1-Euro-Jobs wurden 1,4 Mrd. Euro (!) ausgegeben. Dabei hatte der Bundesrechnungshof schon frühzeitig grundsätzliche Bedenken gegen Struktur und praktische Umsetzung dieses Arbeitsmarktinstruments formuliert. Außerdem liegt die Integrationsquote sogar nach der offiziellen BA-Statistik bei nur 14,7%.

Um die aktuelle Lage klar einzuschätzen, ist ein kleiner Ausflug in die Finanzsituation der Bundesagentur für Arbeit (BA) nötig. Das Haushaltsjahr 2006 schloss sie mit einem Rekordüberschuss von 11,2 Mrd. Euro ab – dem höchsten Plus in der Geschichte der Arbeitslosenversicherung. Für diesen Überschuss gibt es verschiedene Ursachen, u.a. die drastische Verkürzung der Bezugsdauer und das Nicht-Ausschöpfen der Mittel für aktive Arbeitsmarktpolitik. Das gilt übrigens auch für die ARGEn.

Zugleich drückt die BA immer stärker auf die Preise für arbeitsmarktpolitische Maßnahmen. Fast alles wird ausgeschrieben – und der Billigste gewinnt. Auch die ARGEn bedienen sich inzwischen der regionalen Einkaufszentren der BA, und der Preis für die einzelnen Maßnahme sinkt von einer zur nächsten Ausschreibungsrunde. Oft genug hört man dabei das zynischen Argument: Die Durchschnittspreise seien ja auch gefallen.

So läuft die aktive Arbeitsmarktpolitik weiter in die falsche Richtung. Das geht vor allem zu Lasten der Erwerbslosen und potenziell zu Fördernden, aber auch zu Lasten der Beschäftigten bei Weiterbildungsinstituten und Beschäftigungsträgern.

Ein beträchtlicher Teil der so genannten BetreuungskundInnen wird zur Zeit überhaupt nicht gefördert. Dabei kommt der Verdacht auf, dass hier eine rein betriebswirtschaftliche Strukturierung der Arbeitsmarktpolitik durchschlägt: Die Investition in eine unterstützende oder qualifizierende Maßnahme für Menschen, die als schwer vermittelbar klassifiziert werden, gilt als nicht lohnend. Damit zerbricht das sozialpolitische Fundament der Bundesagentur.

Mittlerweile ahnen die politisch Verantwortlichen, was mit dem – politisch gewollten – Beinahe-Zusammenbruch der beruflichen Weiterbildung angerichtet wurde. Es mehren sich die Stimmen, die von ‚über das Ziel hinaus geschossen’ oder ‚diese Entwicklung war so eigentlich nicht gedacht’ sprechen. Tatsächlich umgesteuert hat die Politik jedoch bisher nicht.

Von Roland Kohsiek

Quelle: biwifo report 1/2007 des Fachbereichs Bildung, Wissenschaft und Forschung in ver.di. Sie können die komplette Ausgabe hier als pdf-Datei herunterladen.


Verweise zu diesem Artikel:
Dieser Beitrag wurde zuletzt aktualisiert am 21.03.2007