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Beschluss des SPD-Parteivorstandes zum Thema Weiterbildung

Der SPD-Parteivorstand hat auf seiner Jahresauftaktklausur am 7. Januar 2008 in Hannover folgenden Beschluss gefasst:


In der globalen Wissensgesellschaft gewinnen Weiterbildung und Lebenslanges Lernen zunehmend an Bedeutung. Angesichts der rasanten Entwicklungen in der Arbeitswelt und in der Altersstruktur der Beschäftigten ist es für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer unverzichtbar, ihre Beschäftigungsfähigkeit und individuelle Qualifikationen über ihr gesamtes Berufsleben hinweg zu sichern und weiterzuentwickeln.

Lebenslanges Lernen ermöglicht gleichzeitig die Teilhabe jedes Menschen an der gesellschaftlichen Entwicklung und fördert den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Allgemeines, politisches und kulturelles Lernen vermittelt den Menschen Grundorientierungen und Kompetenzen, damit sie den politischen und gesellschaftlichen Wandel in einer komplexer werdenden Gesellschaft aktiv mitgestalten können. Erst Bildung versetzt die Menschen jeden Alters in die Lage, ihr Leben selbst bestimmt führen zu können und ihren Beitrag für ein gesellschaftliches Miteinander zu leisten.

Lebenslanges Lernen ist ein entscheidender Faktor, um den Weg aus der Falle von Bildungsarmut und sozialer Armut zu eröffnen. Gerade für die Entwicklung von Kindern ist es wichtig, dass sie am Vorbild ihrer Eltern die Bedeutung von Bildungserfolgen kennen- und schätzen lernen. Auch nach der Erwerbsphase sollen Menschen die Möglichkeit zur Weiterbildung haben und ihre Fähigkeiten in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens einbringen können. Für die SPD sind Weiterbildung und Lebenslanges Lernen deshalb Kernelemente einer zukunftsgerichteten Bildungs- und Arbeitsmarktpolitik. Sie beginnt bei der frühkindlichen Bildung und reicht bis zur Weiterbildung älterer Menschen in unserer älter werdenden Gesellschaft.

Die deutsche Volkswirtschaft wird in Zukunft einen wachsenden Bedarf an gut qualifizierten Fachkräften haben. Auch angesichts der demographischen Entwicklung ist es somit unerlässlich, die Qualifikationen unserer Arbeitskräfte nachhaltig zu sichern und an die sich ständig wandelnden Anforderungen anzupassen. Bereits heute besteht in einigen Branchen ein akuter Fachkräftemangel. Wettbewerbsfähigkeit und Innovationskraft unserer Wirtschaft hängen direkt von der Zukunftsfähigkeit des deutschen Weiterbildungssystems ab.

Hier besteht dringender Nachholbedarf. Das gegenwärtige Niveau der Beteiligung an allgemeiner und beruflicher bzw. betrieblicher Weiterbildung ist keineswegs ausreichend. In Deutschland liegt die Teilnahmequote an formalisierten Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen bei knapp über 40% Prozent. Länder wie Dänemark, Schweden oder Finnland kommen auf Quoten zwischen 70 und 80 Prozent. Unser Ziel ist es, bis zum Jahre 2015 die Weiterbildungsbeteiligung in Deutschland auf mindestens 60 Prozent zu erhöhen.

Deutschland muss mehr tun für das „Lebenslange Lernen“: Mehr Bildung für alle von Anfang an und ein Leben lang - das ist unser Ziel. In diesem Sinne wollen wir die Weiterbildung zur vierten Säule des Bildungssystems unter dem Dach des Lebenslangen Lernens ausbauen. Wir stehen für mehr Chancengleichheit im gesamten Verlauf des Lebenslangen Lernens. Wir brauchen ein durchlässiges Bildungssystem, das allen – unabhängig von ihrer sozialen Herkunft – einen gleichberechtigten Zugang zu allen Stationen in der Bildungskette gewährt. Mit Blick auf die Weiterbildung muss insbesondere die Durchlässigkeit zwischen der beruflichen Bildung und dem Hochschulbereich verbessert werden.

Eine der wichtigsten Herausforderungen im Prozess des Lebenslangen Lernens ist, die Beteiligung von Geringqualifizierten an allen Formen der Weiterbildung zu erhöhen. Gerade diese Gruppe hat einen hohen Weiterbildungsbedarf, nimmt aber bisher besonders wenig an Weiterbildungsmaßnahmen teil. Unser Ziel ist es, die Weiterbildungsbeteiligung Geringqualifizierter bis 2015 von derzeit ca. 28 Prozent mindestens zu verdoppeln.

Durch verstärkte Anstrengungen in der Weiterbildung wollen wir vor allem:
  • dem drohenden Fachkräftemangel entgegenwirken;
  • die Chancen älterer Menschen auf dem Arbeitsmarkt und ihre aktive gesellschaftliche Teilhabe fördern;
  • die Potenziale von Frauen, insbesondere nach einer Familienphase, sichern und ausbauen;
  • zugewanderten Mitbürgerinnen und Mitbürgern die Integration in Gesellschaft und Arbeitsmarkt erleichtern;
  • Bildungsabbrechern die zweite und dritte Chance eröffnen;
  • den funktionalen Analphabetismus bekämpfen.

Diese Zielmarken wollen wir durch folgende Schritte erreichen:
  • Gesamtgesellschaftlicher Pakt für Weiterbildung: Weiterbildung liegt in der Zuständigkeit vieler Akteure. Hier sind die Unternehmen und die Tarifparteien genauso gefragt wie der Staat und die Kommunen, aber auch jeder und jede Einzelne. Wir brauchen einen gesamtgesellschaftlichen Pakt für Weiterbildung aus Vertreterinnen und Vertretern von Bund, Ländern, Kommunen und den Tarifpartnern. Aufgabe des Paktes ist es, konkrete Vereinbarungen über die Steigerung der Anstrengungen für Weiterbildung zu schließen. Ziel einer gemeinsamen Weiterbildungsstrategie muss es darüber hinaus sein, die Unüberschaubarkeit des Weiterbildungssektors zu überwinden und Weiterbildung mit System zu schaffen.

  • Ressortübergreifendes Handeln: Weiterbildung ist eine Querschnittsaufgabe und auf ressortübergreifendes Handeln angewiesen. Die Bundesregierung bildet ein „Weiterbildungskabinett“, dem alle für den Bereich zuständigen Ministerien angehören und das einen „Aktionsplan Weiterbildung 2015“ zusammenstellt und regelmäßig in Umsetzung und Weiterentwicklung überprüft. In gleicher Weise sind die Landesregierungen gefordert und auch ihre Politik in den entsprechenden Gremien (KMK u. a.) zu koordinieren.

  • Gerechter Finanzierungsmix: Es bedarf auch in Zukunft eines Mixes aus öffentlicher, betrieblicher und privater Finanzierung von Weiterbildung. Die geplanten Maßnahmen der Bundesregierung - die Weiterbildungsprämie, die Möglichkeit von Weiterbildungskrediten und das Weiterbildungssparen - sind erste wichtige Schritte, werden aber nicht ausreichen, um die Weiterbildungsbeteiligung nachhaltig zu erhöhen. Weitere Schritte müssen deshalb folgen.

  • Meister-BAföG und Erwachsenenbildungsförderungsgesetz: Wir wollen das Meister-BAFöG (AFBG) öffnen und ausbauen. Mittelfristig wollen wir in einem weiteren Schritt Weiterbildungsansprüche gegenüber dem Arbeitgeber, Weiterbildungsberatung und Weiterbildungsqualität in einem „Erwachsenenbildungsförderungsgesetz“ klar regeln.
    Darin soll u .a. ein Rechtsanspruch auf einen Alphabetisierungskurs und auf das Nachholen eines Schulabschlusses enthalten sein. Dabei muss auch unser Weiterbbildungssystem die Möglichkeit eröffnen, einen Berufsausbildungsabschluss während des Erwerbslebens zu erlangen.

  • Arbeitsversicherung: Für eine nachhaltige Sicherung der Weiterbildung sind weitergehende Reformen unverzichtbar. Damit die Bereitschaft zum Lebenslangen Lernen nicht an finanziellen Hürden scheitert, benötigen wir eine Weiterentwicklung der staatlichen Weiterbildungsförderung. Die SPD wird die Arbeitslosenversicherung zu einer Arbeitsversicherung ausbauen, um dadurch nicht nur die Arbeitslosigkeit zu versichern und zu bekämpfen, sondern auch präventiv den Erhalt der Beschäftigungsfähigkeit von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern durch Qualifizierung zu fördern.

  • Verantwortung der Unternehmen: Wir fordern die Wirtschaft auf, die kontinuierliche Qualifizierung in ihre Personalentwicklung mit aufzunehmen und ihre Weiterbildungsaktivitäten auszubauen. Auch bei der Finanzierung und Freistellung steht sie in der Pflicht: Je höher der betriebliche Nutzen, desto höher muss der Kostenanteil des Arbeitgebers an der Weiterbildungsmaßnahme sein.

  • Weiterbildungsberatung für kleine und mittlere Betriebe (KMU): Für eine Steigerung der Weiterbildungsbeteiligung kommt der individuellen Ansprache im Unternehmen eine entscheidende Bedeutung zu. KMU benötigen hierzu gezielter Beratung. Hier sind vor allem die Wirtschafts- und Handwerksverbände in der Pflicht.

  • Initiativen der Gewerkschaften stärken: Die Tarifpartner sind gefordert, in Tarifverträgen Ansprüche auf Weiterbildung und Beratung der einzelnen Beschäftigten zu verankern. Die Möglichkeiten der Betriebsräte zur Mitwirkung an der Personalentwicklung und Qualifizierung wollen wir stärken.

  • Gerechte Löhne für Weiterbildner: Qualität in der Weiterbildung kann nur gesichert werden, wenn die Beschäftigten im Weiterbildungssektor gerecht entlohnt werden. Das Zahlen von Dumpinglöhnen gilt es zu unterbinden. Die SPD unterstützt die diesbezüglichen Anstrengungen der Tarifparteien und fordert die Einbeziehung der Weiterbildungsbranche in das Arbeitnehmer-Entsendegesetz.


Quelle: Beschluss des SPD-Parteivorstandes zum Thema Weiterbildung, 7. Januar 2008


Schlagworte zu diesem Beitrag: Meister-BAföG
Dieser Beitrag wurde zuletzt aktualisiert am 14.04.2009