Förderung der beruflichen Weiterbildung

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Bericht des Bundesrechnungshofes über die Wirkungslosigkeit von Ein-Euro-Jobs

Vorbemerkung der Fragesteller

Am 29. April 2008 legte der Bundesrechnungshof erneut einen Bericht über die Durchführung der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) vor. In dem Bericht kommt der Bundesrechnungshof zu dem Schluss, dass die Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigung (so genannte Ein-Euro-Jobs) kein geeignetes arbeitsmarktpolitisches Instrument darstellen, um Erwerbslose wieder in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Vielmehr wären bei drei von vier geförderten Bezieherinnen/Bezieher von Grundsicherung gemäß SGB II keine messbaren Integrationsfortschritte zu verzeichnen. Weiterhin heißt es in dem Bericht, dass bei zwei Drittel der geprüften Arbeitsgelegenheiten mindestens eine Förderungsvoraussetzung nicht erfüllt wäre und die so genannten Ein-Euro-Jobs reguläre Arbeitsverhältnisse verdrängen würden. Zu ähnlichen Ergebnissen kommt auch das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit in seiner Wirkungsanalyse über Ein-Euro-Jobs vom Februar 2008 (IAB-Kurzbericht 2/2008).

Der Bundesrechnungshof ist außerdem der Ansicht, dass die Qualität der Vermittlungstätigkeit und des Fallmanagements der Grundsicherungsstellen auch im dritten Jahr nach Inkrafttreten des SGB II nicht überzeugen, unabhängig davon, in welcher Organisationsform die Leistungen vor Ort erbracht wurden. Der Bundesrechnungshof sieht die Ursache für diese Probleme in der Organisationsstruktur der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II, die komplizierte und fehleranfällige Abstimmungsprozesse zwischen den verschiedenen Trägern bzw. der Aufsicht verlangt. Er empfiehlt stattdessen die Schaffung zentraler Qualitätsstandards durch die Bundesagentur für Arbeit und das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS).

Angesichts des Berichtes des Bundesrechnungshofes stellt sich erneut die Frage nach der Sinnhaftigkeit des zentralen arbeitsmarktpolitischen Instrumentes für Langzeiterwerbslose, dessen Wirksamkeit zunehmend in Frage gestellt wird.


Vorbemerkung der Bundesregierung

Die Bundesregierung verweist auf die Antwort vom 24. April 2008 (Bundestagsdrucksache 16/8934) auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Klaus Ernst u. a. und der Fraktion DIE LINKE (Bundestagsdrucksache 16/8687)


Frage 1.
Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus dem Bericht des Bundesrechnungshofes, der den so genannten Ein-Euro-Jobs weitgehende Wirkungslosigkeit attestiert?

Frage 2.
Was gedenkt die Bundesregierung zu unternehmen, angesichts der Tatsache, dass zwei Drittel der vom Bundesrechnungshof geprüften Arbeitsgelegenheiten mindestens eine Fördervoraussetzung nicht erfüllen?

Frage 3.
Welche Maßnahmen plant die Bundesregierung, um zu verhindern, dass Ein-Euro-Jobs vor allem genutzt werden, um reguläre Aufgaben eines öffentlichen Trägers wahrzunehmen und dadurch reguläre Arbeitsverhältnisse verdrängt werden?

Antwort der Bundesregierung

Die vom Bundesrechnungshof und anderen Stellen (u. a. Innenrevision der Bundesagentur für Arbeit) seit Einführung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II) aufgezeigten Mängel bei der Einrichtung und Durchführung von Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigung (von der Bundesregierung Zusatzjobs genannt) waren Anlass, die ursprüngliche Arbeitshilfe zu den Arbeitsgelegenheiten (Stand: 2. September 2005) mit empfehlenden Charakter neu zu konzipieren und sowohl mit fachlichen Hinweisen (verbindliche Weisungen zur Rechtsauslegung) als auch mit Empfehlungen zur Umsetzung zu versehen. Diese von der Zentrale der Bundesagentur für Arbeit unter Beteiligung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales überarbeitete Arbeitshilfe (Stand. 27. Juli 2007) ist von den Arbeitsgemeinschaften und Agenturen für Arbeit mit getrennter Aufgabenwahrnehmung seit rund 9 Monaten bei der Einrichtung und Förderung zu beachten. Die für die Aufsicht über die zugelassenen kommunalen Träger zuständigen Landesbehörden wurden gebeten, darauf hinzuwirken, dass sich auch die zugelassenen kommunalen Träger an der Arbeitshilfe orientieren.

Da in den vom Bundesrechnungshof geprüften Zeiträumen der Entscheidungspraxis der Grundsicherungsstellen noch die „alte“ Arbeitshilfe vom 2. September 2005 mit ausschließlichem Empfehlungscharakter zu Grunde lag, geht die Bundesregierung davon aus, dass durch die Neukonzeption der Arbeitshilfe zu den Arbeitsgelegenheiten mit verbindlichen Weisungen eine Verbesserung der Qualität sowohl in Bezug auf die Einrichtung und Durchführung von Zusatzjobs als auch in Bezug auf die Teilnehmer vor, während und nach der Maßnahme erreicht werden kann. So wurden u. a. im Rahmen der Weiterentwicklung der Arbeitshilfe fachliche Hinweise zu den Kriterien Nachrangigkeit, öffentliches Interesse und Zusätzlichkeit, Wettbewerbsneutralität/keine Verdrängung regulärer Beschäftigung und arbeitsmarktliche Zweckmäßigkeit, zur Maßnahmekonzeption einschließlich deren Finanzierung und zur Teilnehmerauswahl sowie zur Betreuung der erwerbsfähigen Hilfebedürftigen während und nach der Maßnahme aufgenommen.


Frage 4.
Wie will die Bundesregierung sicherstellen, dass die Grundsicherungsstellen genaue Kenntnis über die konkreten Tätigkeiten der so genannten Ein-Euro-Jobber haben, was derzeit weitgehend nicht gegeben ist?

Antwort der Bundesregierung

Im Rahmen des Antrags- und Bewilligungsverfahrens für Zusatzjobs hat der Maßnahmeträger die Fördervoraussetzungen und insbesondere die konkreten auszuführenden Tätigkeiten umfassend darzulegen. Mit der weiterentwickelten Arbeitshilfe zu den Arbeitsgelegenheiten vom Juli 2007 wurden hierzu verbindliche fachliche Hinweise zu den Förderungsvoraussetzungen erstellt, die auch eine regelmäßige und anlassbezogene Durchführung von Maßnahmeprüfungen und die Informationspflicht über die von den Teilnehmern auszuübenden Tätigkeiten umfasst. Eine Überwachung der verbindlichen Regelungen erfolgt durch die Bundesagentur für Arbeit im Rahmen des Internen Kontrollsystems, der Fachaufsicht im Rahmen der Gewährleistungsverantwortung und durch die Prüfinstanzen der Internen Revision sowie des Bundesrechnungshofes.


Frage 5.
Für wie sinnvoll hält die Bundesregierung die so genannten Ein-Euro-Jobs, bei denen die Arbeitswilligkeit erprobt wird, aber auf die erprobte Arbeitswilligkeit kein Jobangebot erfolgt?

Antwort der Bundesregierung

Zusatzjobs vermitteln Erkenntnisse über Eignungs- und Interessenschwerpunkte einschl. Qualifikationen sowie Motivation und Arbeitsbereitschaft. Sie liefern somit wichtige Hinweise für die Förderung und Strategien zur Arbeitsaufnahme der erwerbsfähigen Hilfebedürftigen. Die direkte Integration in den allgemeinen Arbeitsmarkt ist nach Auffassung der Bundesregierung häufig nicht das unmittelbare Ziel der Zusatzjobs. Zusatzjobs sollen die Beschäftigungsfähigkeit (wieder) herstellen oder verbessern. Sie sind die erste Stufe einer Eingliederungsleiter, der weitere Maßnahmen (z. B. Trainingsmaßnahmen, Berufliche Weiterbildung, Eingliederungszuschüsse) – soweit notwendig – folgen sollen. Die Unterbreitung eines Jobangebotes hängt daher maßgeblich von der individuellen Beschäftigungsfähigkeit des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen nach einem Zusatzjob ab.


Frage 6.
Denkt die Bundesregierung derzeit darüber nach, die Anzahl der Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigung zu reduzieren, und wenn ja, um wie viel?

Antwort der Bundesregierung

Die Bundesregierung entscheidet nicht über den Einsatz einzelner arbeitsmarktpolitischer Instrumente im SGB II. Die Grundsicherungsstellen entscheiden hierüber im Rahmen der zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel im Eingliederungstitel des SGB II grundsätzlich eigenverantwortlich.


Frage 7.
Welche arbeitsmarktpolitischen Instrumente kann die Bundesregierung anbieten, die anstelle der Ein-Euro-Jobs Langzeiterwerbslosen zur Verfügung gestellt werden, um sie wieder wirksam in den Arbeitsmarkt zu integrieren?

Antwort der Bundesregierung

Für die Eingliederung von langzeitarbeitslosen Menschen steht bereits im SGB II ein umfangreicher und flexibel einsetzbarer arbeitsmarktpolitischer Instrumentenkasten zur Verfügung. Insbesondere mit den neuen Leistungen zur Beschäftigungsförderung nach § 16a SGB II (JobPerspektive) für arbeitsmarktferne Menschen mit multiplen Vermittlungshemmnissen, mit dem Bundesprogramm Perspektive 50plus für ältere langzeitarbeitslose Menschen und dem Bundesprogramm Kommunal-Kombi für Regionen mit besonders hoher und verfestigter Langzeitarbeitslosigkeit stehen weitere Leistungen zur beruflichen Eingliederung und gesellschaftlicher Teilhabe für langzeitarbeitslose Menschen zur Verfügung.


Frage 8.
Welche Maßnahmen plant die Bundesregierung, die systembedingten Nachteile des Trägerwechsels beim Übertritt aus dem Rechtskreis der Arbeitsförderung nach dem SGB III in den Rechtskreis der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II zu entschärfen?

Antwort der Bundesregierung

Die Bundesregierung teilt die Auffassung des Bundesrechnungshofs, dass eine intensivere Betreuung durch die Bundesagentur für Arbeit als Träger der Arbeitsförderung erforderlich ist, wenn ein Übertritt in den Rechtskreis des SGB II absehbar ist. Im Rahmen der geplanten Neuausrichtung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente soll daher die in § 1 Abs. 3 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) verankerte Zielsteuerung im Bereich der Arbeitsförderung neu gestaltet werden. Die Bundesagentur für Arbeit hat bereits verschiedene Maßnahmen eingeleitet, um die Eingliederungsaktivitäten vor Rechtskreiswechsel mit gleichbleibend hoher Intensität sicherzustellen und hierdurch den Rechtskreiswechsel zu vermeiden. Hierzu gehören insbesondere verbindliche Vorgaben zur Kontaktdichte im Bereich des SGB III, die Einführung spezieller Eingliederungsmaßnahmen, die während des Bezuges von Arbeitslosengeld begonnen und im Rechtskreis des SGB II nahtlos fortgesetzt werden können, sowie die Entwicklung von Konzepten für ein gezieltes „Übergabemanagement“.


Frage 9.
Wie gedenkt die Bundesregierung ihre Aufsichts- und Trägerverantwortung zu nutzen, um die vom Bundesrechnungshof festgestellten Mängel bei der Vermittlungstätigkeit, dem Fallmanagement und der Durchführung von Eingliederungsmaßnahmen zu beheben?

Antwort der Bundesregierung

Im Hinblick auf die vom Bundesrechnungshof festgestellten Mängel bei der Vermittlungstätigkeit und der Durchführung eines Fallmanagements in den Arbeitsgemeinschaften und Agenturen für Arbeit mit getrennter Aufgabenwahrnehmung ist darauf hinzuweisen, dass die Umsetzung des SGB II dezentral und zielorientiert angelegt ist. Die örtlichen Grundsicherungsstellen sollen in ablauf- und aufbauorganisatorischer Hinsicht weitgehende Gestaltungsfreiheit haben, um ihnen die Möglichkeit zu geben, für die Unterstützung der erwerbsfähigen Hilfebedürftigen die jeweils optimalen Lösungen unter Berücksichtigung ihrer konkreten örtlichen Gegebenheiten und Erfahrungen zu erarbeiten. Überregulierung soll vermieden, ein Wettbewerb der Ideen und guter Konzepte ermöglicht werden.

Notwendige Qualitätsstandards sollen vor dem Hintergrund dieser Handlungsspielräume mit Mindeststandards bei der Leistungserbringung als einem Teil der zielorientierten Steuerungslogik sichergestellt werden. Die Bundesagentur für Arbeit hat die Einhaltung der Mindeststandards im Rahmen ihrer Verantwortung als Leistungsträger der Grundsicherung für Arbeitsuchende und als Auftraggeber des gesetzlichen Auftrages gegenüber den Arbeitsgemeinschaften zu gewährleisten; bei Nichteinhaltung ist sie zu entsprechenden Steuerungsmaßnahmen verpflichtet. Zur Qualitätssicherung wird das Bundesministerium für Arbeit und Soziales die Bundesagentur für Arbeit auffordern, die Einhaltung der Mindeststandards durch Stichprobenkontrollen zu überprüfen. Zudem beabsichtigt das Bundesministerium für Arbeit und Soziales, die Mindeststandards auch mit Blick auf die vom Bundesrechnungshof festgestellten Mängel weiterzuentwickeln. (Ergänzend wird auf die Antwort zu Frage Nr. 11 verwiesen.)

Bei den festgestellten Mängeln bei der Gewährung von Eingliederungsleistungen unter Verweis auf § 16 Abs. 2 Satz 1 SGB II sieht sich die Bundesregierung durch die Position des Bundesrechnungshofs bestätigt. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat die Bundesagentur für Arbeit insoweit an seine Rechtsauffassung gebunden. Es geht davon aus, dass insbesondere nach der Veröffentlichung der überarbeiteten Arbeitshilfe „Sonstige Weitere Leistungen“ Eingliederungsleistungen nach § 16 Abs. 2 Satz 1 SGB II in den Arbeitsgemeinschaften und Agenturen für Arbeit mit getrennter Aufgabenwahrnehmung zukünftig rechtmäßig erbracht werden. Soweit die Eingliederungsleistungen Zusatzjobs betreffen, wird auf die Antwort zu den Fragen 1 bis 3 verwiesen.


Frage 10.
Welchen Handlungsbedarf sieht die Bundesregierung angesichts der Aussage, dass das BMAS nur bei Arbeitsgemeinschaften und Agenturen für Arbeit in getrennten Trägermodellen bundeseinheitliche Regelungen für den rechtmäßigen, wirtschaftlichen und bundesweit einheitlichen Verwaltungsvollzug und seine Kontrolle wirksam durchsetzen kann?

Antwort der Bundesregierung

Die zugelassenen kommunalen Träger zur Durchführung der Grundsicherung für Arbeitsuchende unterliegen der Aufsicht der zuständigen Landesbehörden. Eine aufsichtsrechtliche Einflussmöglichkeit des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales gegenüber den zugelassenen kommunalen Trägern ist im SGB II nicht vorgesehen. Die zugelassene kommunale Trägerschaft im Wege der Experimentierklausel nach § 6a SGB II besteht auf Grundlage der Entscheidung des Gesetzgebers in der jetzigen Form bis zum 31. Dezember 2010. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird den gesetzgebenden Körperschaften bis Ende 2008 zu den Ergebnissen der Evaluation der Experimentierklausel berichten. Die dann zu treffende Entscheidung wird Gelegenheit bieten, die angesprochene Frage zu klären.


Frage 11.
Wann und wie gedenkt die Bundesregierung der Empfehlung des Bundesrechnungshofes nachzukommen, zentrale Qualitätsstandards bei der Betreuung von Langzeiterwerbslosen im Rechtskreis der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II zu schaffen?

Antwort der Bundesregierung

Soweit der Bundesrechnungshof empfiehlt, zur Behebung der im Bericht aufgezeigten Mängel verbindliche Qualitätsstandards zu bestimmen und sie mit messbaren Kennzahlen zu versehen, wird die Bundesregierung dies bei einer Weiterentwicklung der vorhandenen Mindeststandards für die Leistungserbringung in den Arbeitsgemeinschaften aufgreifen. Dies gilt auch hinsichtlich der vom Bundesrechnungshof festgestellten Mängel bei der Vermittlungstätigkeit. Dazu gehört, zur Abbildung neu geschaffener Qualitätskriterien geeignete Systeme zu entwickeln.


Quelle: Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE, Bundestagsdrucksache 16/9545, 11. 06. 2008


Dieser Beitrag wurde zuletzt aktualisiert am 07.07.2008