Berufliche Weiterbildung

Zurück zur Übersicht

Betriebliche Weiterbildung in Hessen

Bestandsanalyse und Möglichkeiten zur Etablierung eines „Informationssystems Weiterbildung“ in Hessen

Die ausführliche Studie kommt in der Zusammenfassung zu folgenden Ergebnissen über die betriebliche Weiterbildung in Hessen:


Zusammenfassung und Ausblick

Die Analyse des betrieblichen Weiterbildungsengagements in Hessen 2007 hat weitgehend die erwarteten und teilweise bekannten Entwicklungen auch für Hessen bestätigt. Im Rahmen der Untersuchung war bezüglich des betrieblichen Weiterbildungsverhaltens auch nicht die Generierung völlig neuer Erkenntnisse zu erwarten oder intendiert. Es ging vielmehr in erster Linie um die möglichst genaue Quantifizierung des Umfangs und der Intensität betrieblicher Weiterbildung und um die Überprüfung, ob und in welchem Umfang die auf Basis aller Beschäftigten oder aller Betriebe beobachteten Entwicklungen auch in Teilbereichen (Beschäftigtengruppen, Betriebsgrößenklassen, Wirtschaftszweigen, Teilregionen etc.) Gültigkeit besitzen. Mit anderen Worten: Dass bspw. Kleinbetriebe seltener weiterbildungsaktiv sind als Großbetriebe oder dass Ältere und Geringqualifizierte in geringerem Umfang an betrieblicher Weiterbildung partizipieren als Jüngere oder Qualifizierte, ist weithin bekannt. Aufgrund der beschriebenen unzureichenden bruchstückhaften statistischen Erfassung von Weiterbildungsaktivitäten bleibt es allerdings zumeist bei diesen allgemeinen qualitativen Beschreibungen. Wie hoch genau die betriebliche Weiterbildungsbeteiligung ist oder um wie viel geringer/höher die Teilnahmequote spezifischer Beschäftigtengruppen an betrieblicher Weiterbildung ausfällt, bleibt dagegen weitgehend unklar. Eine solche Quantifizierung ist aber zwingend, will man mögliche Entwicklungen im Zeitablauf messen und den möglichen Einfluss aktiver Förderungen im Weiterbildungsbereich bewerten. In dem vorliegenden Bericht wurde versucht, die hierzu nötige Datengrundlage mittels einer eigens durchgeführten Betriebsbefragung zu schaffen bzw. zu verbessern.


Betriebliche Weiterbildungsbeteiligung

Für Hessen ist eine (im Vergleich zu Westdeutschland) relativ hohe betriebliche Weiterbildungsbeteiligung festzustellen (46,5% aller hessischen Betriebe führen Weiterbildungsmaßnahmen durch bzw. finanzieren diese). Ein Vergleich von Querschnittsdaten aus dem IAB-Betriebspanel hat gezeigt, dass die betriebliche Beteiligung an Weiterbildung in den letzten Jahren weitgehend stagnierte. Der wirtschaftliche Aufschwung der letzen Jahre hat demnach bislang ebenso wenig zu einer nennenswerten Erhöhung der betrieblichen Weiterbildungsbeteiligung geführt, wie der häufig diagnostizierte zunehmende Fachkräftebedarf.

Die Struktur der bereits weiterbildenden Betriebe hat gezeigt, dass ein Potenzial zur Erhöhung der betrieblichen Weiterbildungsbeteiligung im Wesentlichen bei Kleinst- (1-9 Beschäftigte) oder Kleinbetrieben (10-49 Beschäftigte) besteht. Mittlere Betriebe und Großbetriebe beteiligen sich schon zu über 80% bzw. über 90% an Weiterbildung. Sektoral sind solche Potenziale vor allem im Produzierenden Gewerbe (Baugewerbe und Verarbeitendes Gewerbe) zu finden, hier liegt die betriebliche Weiterbildungsbeteiligung deutlich unter dem Durchschnitt. Die regionale Differenzierung hat ebenfalls Unterschiede in der betrieblichen Weiterbildungsbeteiligung ergeben. Im Regierungsbezirk Gießen liegt diese mit 50% deutlich über den anderen beiden Regierungsbezirken. Die in Gießen erreichte Beteiligungsquote kann als Zielerreichungsgröße für die anderen Regionen herangezogen werden. Dies gilt insbesondere für den dort erreichten Wert von 45% bei Kleinstbetrieben.

Eine Analyse der Gründe für die Nicht-Beteiligung an Weiterbildung verdeutlichte, dass über die Hälfte der nicht weiterbildenden Betriebe schlichtweg keinen Weiterbildungsbedarf sehen. Bei diesen Betrieben dürften nur geringe Ansatzpunkte für eine Erhöhung der betrieblichen Weiterbildungsbeteiligung bestehen.

Finanzielle Gründe wurden dagegen nur von einer Minderheit der Betriebe (14%) als ursächlich für ihre Weiterbildungsabstinenz genannt.18 Diese Betriebe sind überwiegend in den Dienstleistungsbranchen zu finden. Förderprogramme, die an finanziellen Aspekten ansetzen, sollten sich demnach auf kleinere Betriebe in den Dienstleistungssektoren konzentrieren. Aber auch hier dürfte ein Potenzial zur Erhöhung der betrieblichen Weiterbildungsbeteiligung nur eingeschränkt vorhanden sein.

Über 20% der nicht weiterbildungsaktiven Betriebe nannten mangelnde personelle Ressourcen als Grund für ihre Nicht-Teilnahme an Weiterbildung. Sie sehen sich nicht in der Lage, Mitarbeiter für solche Aktivitäten freizustellen. Dies wurde überdurchschnittlich häufig von Betrieben des Baugewerbes und des Verarbeitenden Gewerbes als Ursache genannt, hier bestehen durchaus Ansatzpunkte zur Erhöhung der Weiterbildungsbeteiligung durch Beratung im Bereich Arbeitsorganisation, Arbeitszeitmanagement etc.

Die wohl erfolgsversprechendste Möglichkeit zur Erhöhung der betrieblichen Weiterbildungsbeteiligung besteht allerdings in Maßnahmen zur Erhöhung von Transparenz auf dem Weiterbildungsmarkt und in der Schaffung passgenauer externer Weiterbildungsangebote. Etwa 26% der weiterbildungsabstinenten Betriebe beklagten ein unzureichendes Weiterbildungsangebot.

Nach den Angaben der aktuell nicht weiterbildenden Betriebe wird sich schon 2008 das betriebliche Weiterbildungsengagement erhöhen, immerhin 14% dieser Betriebe planten, sich künftig an Weiterbildungsaktivitäten zu beteiligen. Ob und inwieweit dies tatsächlich realisiert wird, lässt sich erst durch eine Wiederholungsbefragung beantworten.


Nutzungsintensität betrieblicher Weiterbildung

Internationale Studien zeigen, dass in Deutschland nicht in erster Linie die betriebliche Weiterbildungsbeteiligung ein Problem darstellt, sondern dass vielmehr die Intensität der Weiterbildung erhöht werden sollte. Mit anderen Worten: Es bilden zwar vergleichsweise viele Betriebe weiter, diese beteiligen aber einen zu geringen Anteil ihrer Beschäftigten an betrieblichen Weiterbildungsmaßnahmen.

In Hessen lag der Anteil der Weitergebildeten an den Gesamtbeschäftigten 2007 bei ca. 23%, d.h. nicht einmal jeder vierte Beschäftigte nahm an betrieblich geförderter Weiterbildung teil. Anhand der IAB-Betriebspaneldaten wurde zugleich deutlich, dass eine Erhöhung des Anteils weiterbildender Betriebe noch nicht unbedingt zu einer Erhöhung des Anteils weitergebildeter Beschäftigter führen muss.

Zudem hat die Untersuchung gezeigt, dass in den weiterbildenden Betrieben etwa 75% der Gesamtbeschäftigten Hessens tätig sind. Dies verdeutlicht nochmals, dass ein größeres Potenzial zur Erhöhung der Weiterbildungsquote (d.h. des Anteils der Weitergebildeten an den Gesamtbeschäftigten) bei den bereits weiterbildungsaktiven Betrieben liegt.

Bezüglich der Weiterbildungsquote hat ein Zeitvergleich anhand der IAB-Betriebspaneldaten in Hessen eine weitgehende Stagnation ergeben. Konjunkturelle Entwicklungen oder ein erhöhter Fachkräftebedarf haben sich bislang nicht positiv auf den Anteil der weitergebildeten Beschäftigten ausgewirkt.

Die Weiterbildungsquoten 2007 sind in Hessen sektoral sehr unterschiedlich ausgeprägt und reichen von 13% (Baugewerbe) bis zu 27% (Öffentliche Verwaltung). Die oben beschriebenen Unterschiede in der betrieblichen Weiterbildungsbeteiligung in Abhängigkeit von der Größe des Betriebes bestehen bei der Betrachtung der Quoten nicht mehr, d.h. Kleinbetriebe bilden einen ähnlich hohen Anteil ihrer Beschäftigten weiter wie Großbetriebe. Die Betriebsgröße hat demnach einen erheblichen Einfluss darauf, ob ein Betrieb überhaupt Weiterbildung fördert, nicht aber auf die Intensität der Weiterbildungsaktivitäten.

Regional haben sich gewisse Unterschiede in der Weiterbildungsquote gezeigt, der Regierungsbezirk Darmstadt zeichnete sich durch eine leicht überdurchschnittliche Quote aus, währen sie in den anderen beiden Regierungsbezirken unter dem Durchschnitt lag. Der Regierungsbezirk Darmstadt profitiert hierbei wahrscheinlich von seiner günstigeren Beschäftigtenstruktur mit einem vergleichsweise hohen Anteil an bereits qualifizierten Beschäftigten.

Die Differenzierung nach Geschlecht der Beschäftigten hat im Gegensatz zu den IAB-Betriebspanelergebnissen eine unterdurchschnittliche Weiterbildungsbeteiligung von Frauen aufgezeigt. Diese ist aber weitgehend bedingt durch die sehr niedrige Weiterbildungsbeteiligung von Teilzeitbeschäftigten, die wiederum zu 80% aus Frauen bestehen. Vollzeitbeschäftigte Frauen werden anteilig in ähnlichem Umfang weitergebildet wie Männer.

Mit zunehmendem Alter sinkt die Weiterbildungsquote der Beschäftigten. Wurden 2007 noch 26% der Jüngeren (unter 45 Jahre) weitergebildet, sind es bei den über 54 Jährigen nur noch etwas über 16%. Etwas überraschend war hierbei die niedrige Quote bei den 45 bis 54-jährigen. Dies lag mit ca. 18% nur wenig über der der Älteren. Betriebliche Selektionsmechanismen scheinen hier schon bei der mittleren Altersgruppe zu greifen, ein Einbezug dieser Gruppe in spezifische Förderprogramme (wie z.B. bei den Qualifizierungsschecks in Hessen) erscheint vor diesem Hintergrund gerechtfertigt.

Die Unterschiede in den Weiterbildungsquoten spezifischer Qualifikationsgruppen sind noch stärker ausgeprägt als die nach Altersgruppen oder Teilzeit-/ Vollzeitbeschäftigung. Nur jeder zehnte Beschäftigte ohne Berufsabschluss nahm 2007 an betrieblichen Weiterbildungsmaßnahmen teil, bei den Beschäftigten mit (Fach-) Hochschulabschluss war es dagegen fast jeder Dritte. Bestehende Unterschiede im Qualifikationsniveau (und damit auch in der Beschäftigungsfähigkeit) werden durch betriebliche Weiterbildung somit noch verstärkt und nicht abgemildert. Die Analyse anhand der IAB-Betriebspaneldaten hat zudem gezeigt, dass die Weiterbildungsquote der Geringqualifizierten seit Jahren auf konstant diesem niedrigen Niveau verharrt.

Weitere Ausdifferenzierungen der beschäftigtengruppenspezifischen Weiterbildungsquoten nach Betriebsstrukturmerkmalen haben einige allgemeine Ergebnisse relativiert. Bspw. wurde oben erläutert, dass auf Basis aller Beschäftigten zwischen den Betriebsgrößenklassen keine nennenswerten Unterschiede in den Weiterbildungsquoten bestehen. Dies gilt auch bei der Betrachtung spezifischer Altersgruppen, nicht mehr jedoch bei einer Differenzierung nach Qualifikationsgruppen. Je kleiner der Betrieb ist, desto geringer fallen die Weiterbildungsquoten von Geringqualifizierten aus, in Kleinstbetrieben beträgt die spezifische Weiterbildungsquote nur noch 4%. Eine Konzentration von Förderaktivitäten auf KMU lässt sich hieraus aber nur teilweise folgern. Zum einen sind KMU viel zu heterogen in ihrer Größenstruktur und damit auch in den qualifikationsspezifischen Weiterbildungsquoten. Der Begriff beinhaltet Kleinstbetriebe mit einigen wenigen Beschäftigten als auch mittelgroße Betriebe mit bis zu 249 Beschäftigten. Bei letzteren sind kaum Unterschiede in den Weiterbildungsquoten im Vergleich zu Großbetrieben feststellbar, zwischen ersteren und Großbetrieben sind sie enorm. Zum anderen ist zu berücksichtigen, dass in Großbetrieben etwa 1/3 aller Geringqualifizierten in Hessen tätig ist. Selbst wenn berücksichtigt wird, dass Großbetriebe höhere Weiterbildungsquoten für Geringqualifizierte aufzuweisen haben als KMU, ist die absolute Zahl der dort nicht weitergebildeten Geringqualifizierten hoch. Bei einer Beschränkung von Förderaktivitäten auf KMUs wird dieses Potenzial von vorne herein ausgeschlossen.

Weiterhin wurde bei einer sektoralen Ausdifferenzierung deutlich, dass Ältere und Geringqualifizierte nur bedingt von den relativ hohen Weiterbildungsquoten in den Dienstleistungssektoren und in der Öffentlichen Verwaltung profitieren. Die hohe Gesamtintensität dort rührt vielmehr von einer überdurchschnittlichen Beteiligung jüngerer und qualifizierter Beschäftigten.

Diese Selektivität betrieblicher Weiterbildung wird sich künftig vermutlich noch verstärken. Etwa ein Viertel der bereits weiterbildungsaktiven Betriebe plant, ihr Weiterbildungsengagement 2008 auszuweiten. Hiervon werden grundsätzlich alle Beschäftigtengruppen profitieren, doch werden sich nach Angaben der Betriebe die zusätzlichen Aufwendungen auf Jüngere und Qualifizierte konzentrieren und die Älteren bzw. Geringqualifizierten nur in unterdurchschnittlichem Maß einbezogen werden. Der Abstand in den Weiterbildungsquoten wird demnach vermutlich noch weiter anwachsen.

Die durchgeführte repräsentative Betriebsbefragung bietet zusammen mit den vorliegenden Daten des IAB-Betriebspanels eine gute und differenzierbare Informationsgrundlage über betriebliches Weiterbildungsverhalten in Hessen. Ob sich an den festgestellten Befunden bezüglich Umfang und Selektivität von betrieblicher Weiterbildung im Zeitablauf etwas ändert, ob sich die betrieblichen Einschätzungen als zutreffend erweisen und ob Fördermaßnahmen zur Ausweitung betrieblicher Weiterbildung sich in tatsächlichen Veränderungen niederschlagen, kann nur durch Wiederholungsbefragungen beantwortet werden. Eine einmalige Bestandsaufnahme ist hier nicht ausreichend, die Entwicklung betrieblicher Weiterbildung sollte (zeit-) begleitend beobachtet werden.

Ein Teil der Betriebe wird sich (sei es aus mangelndem Bedarf oder sonstigen Gründen) auch künftig nicht an Weiterbildungsaktivitäten beteiligen, ein Großteil der weiterbildenden Betriebe wird sein Engagement wahrscheinlich nicht ausweiten. Die in der Befragung ebenfalls erhobenen Anreizproblematiken beziehen sich jedoch nicht nur auf Betriebe, sie gehen nach betrieblichen Angaben auch teilweise von den Beschäftigten aus, die kein oder nur geringes Interesse an betrieblicher Weiterbildung zeigen (vgl. hierzu den Endbericht von Beckmann, Schmid, 2008). Hier sind zum Teil Förderaktivitäten nötig, um Anreize zu setzen und es ist zu analysieren, ob und inwieweit sich Beschäftigte außerhalb ihrer Arbeitszeit und ohne betriebliche Unterstützung selbst weiterbilden. Soll ein komplettes Bild der Weiterbildungsaktivitäten in Hessen entstehen, sind somit neben der betrieblichen die geförderte und die individuelle (nicht geförderte) Weiterbildung zu erfassen. Analog zur betrieblichen Weiterbildung wäre hier eine erste Bestandsaufnahme (Nullmessung) nötig, die zu einem späteren Zeitpunkt wiederholt werden sollte um auch hier Veränderungen in Struktur und Umfang messen und bewerten zu können.


Quelle: Betriebliche Weiterbildung in Hessen,
Bestandsanalyse und Möglichkeiten zur Etablierung eines „Informationssystems Weiterbildung“ in Hessen, Gesellschaft / Institut für Wirtschaft, Arbeit und Kultur 2008


Sie können die vollständige Studie hier als pdf-Datei herunterladen.

Hier geht es zur Homepage des Instituts für Wirtschaft, Arbeit und Kultur.

Schlagworte zu diesem Beitrag: Betriebliche Weiterbildung, Bildungsgutschein
Dieser Beitrag wurde zuletzt aktualisiert am 14.04.2009