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Bildungssparen wird die berufliche Weiterbildung nicht voranbringen

Regierung ohne Plan

Der Koalitionsvertrag 2005 kündigte eine große Bildungsoffensive an. Weiterbildung sollte zur vierten Säule des Bildungssystems ausgebaut werden, hieß es. Konkret beschlossen hat die Bundesregierung bisher ein so genanntes Bildungssparen. Doch das ist kein tragfähiges Fundament für einen Richtungswechsel hin zum lebenslangen Lernen: Denn nach wie vor ist jeder Einzelne prinzipiell für seine berufliche Weiterbildung selbst verantwortlich und muss dafür die finanzielle Hauptlast tragen. Der Staat beschränkt sich darauf, Anreize zu setzen.


Genau genommen ist der Begriff Bildungssparen irreführend. Das Vermögensbildungsgesetz (VermBG) soll ja lediglich um die Möglichkeit ergänzt werden, Teile des Ansparguthabens vor Ende der Bindungsfrist zur Finanzierung von Weiterbildung zu entnehmen, ohne dass dadurch die Arbeitnehmersparzulage entfällt. Dies als Bildungssparen zu titulieren ist vor allem eine Marketingstrategie. Noch viel weniger passt der Name für die beiden anderen geplanten Instrumente „Weiterbildungsprämie“ und „Weiterbildungsdarlehen“.

Nicht übersehen werden darf, dass der Einsatz des Vermögenssparens für Bildungszwecke in Konkurrenz zu anderen Verwendungsformen steht. In zahlreichen Tarif-, Betriebs- und Dienstvereinbarungen ist Vermögenssparen für die Rentenvorsorge vorgesehen. Zudem ist zweifelhaft, ob sich die Verwendung des Vermögens für ein immaterielles Gut „Bildung“ und den schwer abschätzbaren Erträgen aus einer entsprechenden Investition gegen materielle – unmittelbar nutzstiftende – Güter durchsetzen kann. Gerade bei der Zielgruppe der einkommensschwachen, häufig bildungsfernen Gruppen dürfte der eindeutig zu ermittelnde Anstieg der Rente den Vorzug genießen. Das Angebot, Vermögenssparen für Bildungszwecke zu nutzen, wird somit absehbar eine begrenzte Wirkung entfalten.

Ebenso ist fraglich, ob eine Prämie in Höhe von 154 € geeignet ist, die Weiterbildungsbeteiligung nennenswert zu erhöhen. Allenfalls Kurzmaßnahmen lassen sich damit bestreiten. Die sind zwar verbreitet, aber keineswegs immer effektiv. Somit werden die Maßnahmen der Bundesregierung die heterogene Weiterbildungslandschaft zwar um einige nachfrageorientierte Instrumente „bereichern“. Die versprochene vierte Säule des Bildungssystems wird so aber auf keinen Fall entstehen, weil eine Gesamtstrategie nicht erkennbar ist und die vorgeschlagenen Instrumente nicht im Zusammenhang mit anderen Weiterbildungsformen und Förderinstrumenten diskutiert werden.

Bildungssparen und Bildungsprämie sind damit beispielhaft für die defizitäre Weiterbildungspolitik des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF). Die besteht darin, viele kleine, unverbundene Reformbaustellen zu eröffnen. Auch der Entwurf für die Reform des Aufstiegfortbildungsgesetzes (AFBG) ist hierfür ein Beispiel. Solche Maßnahmen mögen zwar hier und da positive Effekte haben, doch ein Plan für das Gesamthaus fehlt. Auch in dem von Bildungsministerin Schavan ins Leben gerufenen „Innovationskreis Weiterbildung“ wurde viel geredet und geschrieben. Die 2008 veröffentlichten Empfehlungen bleiben aber weitgehend in der Luft hängen: Sowohl finanzielle als auch juristische Instrumentarien werden ausgeblendet oder vermieden.

Das jetzt im Zusammenhang mit der Qualifizierungsoffensive und der Weiterbildungsallianz programmatisch verkündete Ziel, die Beteiligung der Erwerbsbevölkerung an „formalisierter Weiterbildung“ bis 2015 auf 50 Prozent zu heben, ist dagegen greifbar und wird von den Gewerkschaften durchaus begrüßt. Doch wie soll es erreicht werden ohne konkreten Aktionsplan und nachhaltige Strukturen?



Mechthild Bayer und Roman Jaich


Quelle: biwifo report 2/2008

Sie können die vollständige Ausgabe des biwifo report hier als pdf-Datei herunterladen.


Verweise zu diesem Artikel:
Dieser Beitrag wurde zuletzt aktualisiert am 09.09.2008