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Aufbau von privatem Bildungskapital fördern – Grundlage für Bildungsinvestitionen schaffen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:


Angesichts der sozialen, wirtschaftlichen und demographischen Entwicklung auf nationaler Ebene und im globalen Kontext bedarf es einer verstärkten Qualifizierung der Bevölkerung durch Angebote des tertiären Bildungssektors als auch des Weiterbildungssystems insgesamt. Waren früher rudimentäre Basiskenntnisse von Schrift und Mathematik ausreichend, um in der Arbeitswelt bestehen zu können, so reichen diese in der heutigen Zeit bei Weitem nicht mehr aus.

Berufliche Entwicklungschancen und Perspektiven sowie auch Möglichkeiten der gesellschaftlichen Teilhabe sind in der heutigen Wissensgesellschaft maßgeblich an das Vorhandensein höherer Bildungsabschlüsse und Qualifikationen geknüpft. Die Daten des Statistischen Bundesamtes zeigen, dass Hochschulabsolventen mit 8 Prozent dreimal seltener durch Armut gefährdet sind als Personen ohne beruflichen Abschluss. Das Risiko der Arbeitslosigkeit ist für Akademiker mit einer Quote von 2 bis 3 Prozent (vgl. „Absolventenpanel 2001“, Hochschul-Informations-System GmbH 2008) deutlich geringer als das der Vergleichsgruppe, die Aussicht auf ein höheres Einkommen wesentlich größer (vgl. „Leben in Europa“, Statistisches Bundesamt 2006).

Der Bildungsbericht 2008 hält in diesem Sinne fest, dass „ein höherer Bildungsabschluss nicht nur mit Vorteilen im Beschäftigtenstatus verbunden [ist], sondern in der Regel auch mit einer günstigeren Einkommenssituation. […] Für Deutschland liegt der relative Verdienst mit einem Abschluss im Tertiärbereich etwa um die Hälfte höher als mit einem Abschluss des Sekundarbereichs II. Eine geringere Einkommensdifferenz zeichnet sich zwischen Erwerbspersonen mit einem Abschluss unterhalb des Sekundarbereichs II im Vergleich zu jenen mit einem Abschluss im Sekundarbereich II ab“ („Bildung in Deutschland 2008“, Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2008). Schließlich kommt die Autorengruppe „Bildungsberichterstattung“ zu dem Schluss, dass sich Bildung im Sinne des Erwerbs höherer Abschlüsse durchaus auszahle. Dementsprechend würden Personen ohne mindestens einen beruflichen Abschluss nicht nur häufiger unter Arbeitslosigkeit zu leiden haben, sie würden zudem auch Einkommensnachteile hinnehmen müssen (vgl. „Bildung in Deutschland 2008“, Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2008). Private Investitionen in den Bildungsbereich rentieren sich.

Die Bildungsausgaben des Jahres 2005 lagen bei insgesamt 141,6 Mrd. Euro. Dabei wurden rund 25 Prozent dieser Investitionen seitens privater Haushalte, Organisationen ohne Erwerbszweck und Unternehmen getragen. Die Bildungsberichterstatter rechnen für den tertiären Bereich in den kommenden Jahren mit einer weiteren Erhöhung des privaten Anteils (vgl. Bundesbildungsbericht 2008). Nach den dramatischen Kürzungen der öffentlichen Ausgaben für den Weiterbildungsbereich (Rückgang der Weiterbildungsausgaben der Bundesagentur für Arbeit um 70 Prozent) zwischen den Jahren 1999 und 2005 ist auch mit Blick auf dieses Bildungssegment davon auszugehen, dass der vorhergegangene Mittelabbau durch zusätzliche private Anstrengungen kompensiert werden muss.

Der Umstand, dass die Bundesregierung ein Maßnahmenbündel mit der Bezeichnung „Weiterbildungssparen“ der breiten Öffentlichkeit präsentiert hat, weißt darauf hin, dass zumindest die Notwendigkeit zur weitergehenden Qualifizierung breiter Teile der Bevölkerung erkannt worden ist. Allerdings ist das Regierungsmodell nicht dazu geeignet, die hierfür erforderlichen Impulse zu schaffen.

Durch die einseitige Ausrichtung auf den Bereich der Weiterbildung, und dadurch gezwungenermaßen die Ausklammerung des tertiären Sektors, wird – möglicherweise unbeabsichtigt – der Versäulung des Bildungsbereichs vorangetrieben. Doch gerade zwischen den Bereichen der Berufsausbildung, der Hochschulbildung und dem wachsenden außeruniversitären Weiterbildungssektors gilt es neue Brücken zu schlagen. Eine zu enge Definition der Parameter für die Verwendung der gesparten Guthaben oder die Begrenzung der Zielgruppe auf den Kreis von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wirkt diesem Ziel entgegen. Bildungssparen muss grundsätzlich allen Gesellschaftsgruppen offenstehen und für jede Bürgerin und jeden Bürger möglich sein.

Doch nicht allein die einseitige Ausrichtung des von der Bundesregierung präsentierten Modells des „Weiterbildungssparens“ ist problematisch. Das Konzept ist überkomplex und die Vorteile lassen sich für den einzelnen Bürger nicht ohne intensive Auseinandersetzung mit der Materie erschließen. Gerade mit Blick auf die Zielgruppe der Geringverdiener müssen die Hoffnungen auf einen hohen Wirkungsgrad gedämpft werden. Die subjektiven Kosten-Nutzen-Erwägungen, gerade mit Blick auf die sog. Bildungsprämie, werden wohl leider dazu führen, dass diese für den Staat kostspielige Maßnahme nicht in dem erwünschten Maße Anklang finden wird. Es wäre daher vorteilhafter, die bereitgestellten Mittel so einzusetzen, dass die Steigerung der Bildungsbereitschaft sowie die Aktivierung privaten Kapitals zu Bildungszwecken auf effektivere Art genutzt werden.

Es gilt Impulse für ein verstärktes privates Engagement im Bildungssektor zu initiieren. Es bedarf neben der Aufklärung über den Wert von Bildungsinvestitionen weiterer staatlicher Anreize, um Bürger dazu zu motivieren, Geld für sich oder jemanden anderen zur Finanzierung späterer Bildungsinvestitionen anzulegen. Gerade in diesem Zusammenhang sollten analog zur Systematik und Logik der Förderung privaten Wohneigentums, der privaten Altersvorsorge, Maßnahmen zur Stärkung der privaten Vermögensbildung zur Ermöglichung späterer Bildungsinvestitionen getroffen werden.


II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

von dem vorgelegten Modell des „Weiterbildungssparens“ Abstand zu nehmen und stattdessen ein Konzept zur nachhaltigen Förderung der Bildungsbereitschaft und privater Bildungsinvestitionen zu erarbeiten. Dabei sollen folgende Gesichtspunkte berücksichtigt werden:

Aufklärung und Stärkung des Bildungsbewusstseins
  • Die Bundesregierung soll gemeinsam mit den Ländern, vor allem im Rahmen der Berufsorientierung an gymnasialen Oberstufen, auf die unmittelbaren Vorteile eines Studiums und einer kontinuierlichen weiterführenden Qualifizierung hinweisen und darauf hinwirken, dass die Übergangsquote zwischen Sekundarstufe II und den Hochschulen und Universitäten deutlich gesteigert wird. Gleichzeitig müssen die Anstrengungen zur Erhöhung der Studienplatzkapazitäten intensiviert werden.

  • Da die Bildungsentscheidungen für Einzelentscheider komplizierter geworden sind bedarf es eines Aufbaus zusätzlicher qualifizierter Beratungs- und Unterstützungsleistungen. Zu fördern sind Instrumente zur besseren Einschätzung der eigenen Kompetenzen und Leistungen im Sinne einer Stärken- Schwächen-Analyse.

  • Die Bundesregierung ist gehalten, Modelle der frühzeitigen Finanzierungsberatung für potentielle Studierende zu unterstützen. Hilfe suchenden Studentinnen und Studenten, insbesondere denjenigen ohne Anspruch auf BAföG-Förderung, soll noch vor der Aufnahme des Studiums die Erstellung „maßgeschneiderter“ Finanzierungspläne angeboten werden. Hierfür ist das gesamte Spektrum der öffentlichen und privaten Unterstützungsleistungen, insbesondere Darlehen, Kredite und Stipendien heranzuziehen.

Bildungssparzulage

Die Bundesregierung wird aufgefordert, ein Bildungssparkonzept zu erarbeiten, welches folgenden Ansprüchen genügt:
  • Bildungskonten werden eröffnet, um zum Zweck einer späteren Bildungsinvestition Kapital zu akkumulieren. Es steht jedem Bürger offen, für sich oder eine andere Person ein solches Konto zu eröffnen.

  • Analog zu dem Modell der Bausparförderung erhält der Bildungssparer oder die Bildungssparerin einen staatlichen Zuschuss in Form der Bildungssparzulage.

  • Das Bildungssparguthaben kann grundsätzlich für alle über die schulischen Bildungsgänge hinausreichenden Bildungsinvestitionen, zur Finanzierung der beruflichen Qualifikation, der Hochschulausbildung, Weiterbildungs- maßnahmen oder anderer Angebote der Erwachsenenbildung herangezogen werden.

Evaluation
  • Die Konzeptionierung und Implementierung von Maßnahmen zur Steigerung der Übergangsquoten aus den Bereichen der schulischen und beruflichen Bildung und dem Arbeitsmarkt in den Hochschulsektor und die universitäre und außeruniversitäre Weiterbildung müssen gemeinsam mit den Ländern die Möglichkeiten der Modularisierung intensiviert werden. Dabei ist die Wirksamkeit der jeweiligen Maßnahmen kontinuierlich zu überprüfen.

  • Alle Planungen der Bundesregierung für Weiterbildung fördernde Programme sind auf ihre Wirksamkeit, ihren Mehrwert und ihre Bürokratiekosten hin zu prüfen und zu bemessen. Die Evaluation abgelaufener Programme ist mit dem Abschluss der Programme vorzulegen.

  • Die Maßnahmen zur Förderung des privaten Bildungssparens sind auf ihre Wirksamkeit zu überprüfen und ggf. so anzupassen, dass ein möglichst großer Personenkreis erschlossen wird und die eingesetzten staatlichen Mittel effektiv zum Einsatz kommen.


Berlin, den 23. September 2008

Dr. Guido Westerwelle und Fraktion


Quelle: Bundestagsdrucksache 16/10328 24. 09. 2008


Dieser Beitrag wurde zuletzt aktualisiert am 20.10.2008

Quelle: www.netzwerk-weiterbildung.info
Druckdatum: 28.03.2024