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Berufsbildungsbericht 2009

Stellungnahme der Gruppe der Beauftragten der Arbeitnehmer im Hauptausschuss zum Entwurf des Berufsbildungsberichts 2009

Das Recht auf gute Ausbildung umsetzen


Fast alle nationalen und internationalen Vergleichsstudien stellen dem deutschen Bildungswesen ein miserables Zeugnis aus: Die Zahl der Jugendlichen ohne Schul- und Berufsabschluss ist erschreckend hoch. Hauptschüler haben nach wie vor kaum Chancen, direkt einen Platz in Ausbildung und Beruf zu erhalten. Migrantinnen und Migranten sind die Verlierer unseres Bildungswesens. Sie verlassen die Schule doppelt so häufig wie ihre deutschen Mitschülerinnen und -schüler ohne Abschluss. Mindestens 400.000 Jugendliche „verschwinden“ im Übergangssystem zwischen Schule und Beruf – die meisten von ihnen bleiben ohne Chance auf eine qualifizierende Ausbildung. Gleichzeitig gelingt es nicht, signifikant mehr Jugendliche für ein Studium zu gewinnen. Dies gilt insbesondere für junge Menschen mit Migrationshintergrund und Kinder aus sozial schwachen Familien. Menschen ohne Abitur, die sich aber im Berufsleben bewährt haben, bleibt die Tür zu den Hochschulen fast verschlossen. Trotz Nachholbedarfs sind die Budgets für die Weiterbildung in den vergangenen Jahren nicht ausgebaut, sondern gekürzt worden. Der Abstand zu internationalen Vergleichsdaten wächst weiter.

In kaum einem anderen Land hängen die Bildungschancen der Kinder so sehr vom Geldbeutel der Eltern ab wie in Deutschland. Selbst bei gleicher Intelligenz und Lesefähigkeit hat das Kind eines Akademikers gegenüber einem Arbeiterkind eine drei Mal so große Chance, das Gymnasium zu besuchen. Seit dem ersten „PISA-Schock“ im Jahr 2001 hat sich an dem drängendsten Problem unseres Bildungswesens nichts geändert. Im reichen Deutschland gibt es noch immer millionenfach Bildungsarmut. Diese hat gravierende Auswirkungen auf die Lebensperspektiven der Menschen. Bei Menschen ohne beruflichen Abschluss lag die Arbeitslosenquote 2005 bei 23 Prozent. Bei Akademikerinnen und Akademikern betrug diese Quote „nur“ vier Prozent. Fakt ist: Bildungsarmut geht fast immer mit materieller Armut einher. Wer nichts lernen kann, bleibt arm. Ein Leben lang. Die Schwächen des deutschen Bildungssystems haben auch gravierende Auswirkungen auf die berufliche Bildung.


A. Zur Lage auf dem Ausbildungsmarkt

Die Zahl der abgeschlossenen Ausbildungsverträge ist um 1,5 Prozent gesunken. Mit rund 616.300 neuen Ausbildungsverträgen wurden im Zeitraum vom 1. Oktober 2007 bis zum 30. September 2008 bundesweit rund 9.600 Ausbildungsverhältnisse weniger begonnen als im Jahr zuvor. Die Wirtschafts- und Finanzkrise ist bei den Auszubildenden bereits im vergangenen Jahr angekommen.

Die Ausbildungspaktpartner feiern die Bilanz 2008 als Erfolg. Sie stellen die am 30. September noch gemeldeten 14.479 unversorgten Bewerber/ Bewerberinnen den 18.359 gemeldeten unbesetzten Ausbildungsplätzen gegenüber. Es wird ignoriert, dass aufgrund von Schulgesetzen der Bundesländer tausende Jugendliche, die bis zum Schuljahresbeginn keinen Ausbildungsplatz gefunden haben, wegen der (Teilzeit-)Schulpflicht Berufsschulen besuchen. Da der Schulbeginn in allen Bundesländern vor dem 30. September liegt, tauchen diese Jugendlichen in den Statistiken größtenteils nicht mehr auf. Bei der Bundesagentur für Arbeit (BA) waren neben den statistisch unversorgten Bewerbern/ Bewerberinnen weitere 81.846 Jugendliche gemeldet, die ihren Vermittlungswunsch aufrechterhielten: Experten gehen davon aus, dass diese Zahl noch weit höher liegt. Diese These wird auch von der Verbleibsstatistik der BA untermauert: Von insgesamt 620.300 gemeldeten Bewerberinnen und Bewerbern bekam lediglich die Hälfte (312.000) einen Ausbildungsplatz.

Prognosen lassen vermuten, dass es neuerlich zu einer Verschlechterung auf dem Ausbildungsmarkt im Jahr 2009 kommt. Die Ausbildungsplätze in den Betrieben müssen auch in dieser Krise erhalten bleiben und ausgelernte Jugendliche sollen übernommen werden. Wer in der jetzigen Krisensituation Ausbildung verringert oder sogar darauf verzichtet, schädigt die Zukunftschancen des Unternehmens, der Industrie und des Standortes Deutschland. Gerade in der Krise müssen die Unternehmen ihre Ausbildungskapazitäten voll erhalten und nutzen.

Wie in anderen Industrienationen wandeln sich in Deutschland die Anforderungen an die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Der Bedarf an besser qualifizierten Arbeitskräften steigt, während gering qualifizierte Tätigkeiten aus vielen Unternehmen immer mehr verschwinden. Schon heute klagen Betriebe in zahlreichen Branchen über einen Mangel an qualifizierten Fachkräften.


Jugendliche ohne abgeschlossene Berufsausbildung

Im Jahr 2005 waren nach Angaben des Statistischen Bundesamtes (Mikrozensus 2005) 1,57 Millionen Jugendliche im Alter zwischen 20 und 29 Jahren ohne abgeschlossene Berufsausbildung. Damit lag der Anteil der ungelernten Jugendlichen an der gleichaltrigen Wohnbevölkerung bei 17 Prozent. Die höchste Ungelerntenquote zeigte sich bei Jugendlichen mit ausländischer Staatsangehörigkeit. 38,4 Prozent der ausländischen Jugendlichen (insgesamt 506.000) konnten keinen Berufsabschluss vorweisen. Bei gleichaltrigen deutschen Jugendlichen lag der Anteil der Ungelernten bei lediglich 12,6 Prozent.

Ein erhebliches Risiko, ohne Berufsabschluss zu bleiben, besteht vor allem bei ungünstigen schulischen und familiären Bildungsvoraussetzungen. Jugendliche mit Migrationshintergrund, die erst nach dem 6. Lebensjahr nach Deutschland kamen, sind besonders oft betroffen. Ein hohes „Ungelerntenrisiko“ findet sich auch bei jungen Frauen, die bereits ein Kind zu betreuen haben.


Altbewerber/ Altbewerberinnen

Nach den Schulabgängerbefragungen des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) ist das Interesse der Jugendlichen an einer betrieblichen Berufsausbildung ungebrochen hoch. Viele an einer Ausbildung interessierte und bei den Arbeitsagenturen gemeldete Schulabgänger/Schulabgängerinnen erhielten jedoch im Jahr ihres Schulabschlusses keinen Ausbildungsplatz. Ein zu geringes betriebliches Angebot, aber auch Qualifikationsdefizite sind hierfür die Ursachen. Wenn diese Jugendlichen sich auch im Jahr nach ihrem Abschluss über die Arbeitsagenturen für eine betriebliche Ausbildung bewerben, gelten sie als Altbewerber/ Altbewerberinnen.

Die Daten der Bundesagentur für Arbeit aus den Berufsbildungsberichten zeigen einen nahezu stetigen Anstieg der Altbewerberzahlen von 290.000 (1997) auf 385.250 (2006); erst für 2007 war ein Stillstand zu beobachten, 2008 ein spürbarer Rückgang. Aber immer noch mehr als die Hälfte (51,7 Prozent) aller bei der BA gemeldeten rund 620.000 Bewerber des Berichtsjahrs 2007/2008 stammten aus früheren Schulentlassjahrgängen. Der Anteil der Altbewerber/ Altbewerberinnen ist seit 1997 bis heute um rund 15 Prozentpunkte angestiegen.


Junge Ausländer/ Ausländer innen

Die Zahl ausländischer Auszubildender ist von 1993 bis 2007 von 126.000 auf 68.800 (und damit um 45 Prozent) zurückgegangen. Zeitgleich sank der Anteil der Ausländer/ Ausländerinnen an allen Auszubildenden von 7,8 Prozent auf 4,3 Prozent. Dabei übertraf der längerfristige Rückgang des Ausländeranteils unter den Auszubildenden deutlich den Rückgang der Ausländer/ Ausländerinnen an der Wohnbevölkerung, der sich vor allem aus dem Anstieg der Einbürgerungen ergab.

Im Jahr 2006 erhielt nicht einmal jeder vierte Jugendliche ohne deutsche Staatsbürgerschaft (23 Prozent) eine Berufsausbildung. Der Auszubildendenanteil bei den deutschen Jugendlichen war mit 57 Prozent mehr als doppelt so hoch. Der Rückgang der Quote fällt vor allem bei jungen ausländischen Männern auf. Von 1994 bis 2006 ist deren Ausbildungsbeteiligung um ca. 40 Prozent zurückgegangen.

Wenn dem sich abzeichnenden Fachkräftemangel auch durch Zuwanderung begegnet werden soll, ist es dringend erforderlich, dieses Missverhältnis aufzulösen und vermehrt Jugendlichen mit Migrationshintergrund bessere Zugänge zu einer qualifizierten betrieblichen Berufsausbildung zu eröffnen.


Fazit

Die Lage auf dem Ausbildungsmarkt bleibt kritisch. Auch der Rückgang der Schulabgängerzahlen wird das Problem in den nächsten Jahren nicht vollständig entschärfen, regionale Unterschiede werden zunehmen. Kurz: Das Ausbildungsplatzangebot reicht nicht aus. Auch weiterhin wird es einen hohen Anteil an Altbewerbern/ Altbewerberinnen unter den Ausbildungsplatz-Bewerbern/ Bewerberinnen geben. Es gilt daher, das Augenmerk insbesondere auf Jugendliche mit Migrationshintergrund so wie Jugendliche mit schlechten Startchancen (z. B. Jugendliche mit schlechtem Haupt- und Realschulabschluss) zu richten. Diese Jugendlichen sind ein ungeheures wirtschaftliches Potenzial, um dem aufkommenden Fachkräftemangel der Wirtschaft zu begegnen. Es liegt bei der Wirtschaft hier zu handeln, um Betrieben sowie Jugendlichen eine Perspektive zu geben und gleichzeitig die Gegensätze in Fragen gesellschaftlicher Teilhabe nicht noch weiter zu verschärfen.

Um bei Unternehmen für mehr Ausbildung zu werben und Betriebe über die Angebote der öffentlichen Ausbildungsförderung besser zu informieren, schlagen die Gewerkschaften vor, eine Ausbildungskampagne zu starten. Ziel dieser Kampagne soll es sein, Ausbildungsplätze zu sichern und insbesondere in bisher nicht ausbildenden Unternehmen zu akquirieren und die Betriebe über die Angebote der ausbildungsbegleitenden Hilfen (abH) sowie den Ausbildungsbonus für benachteiligte Altbewerber/Altbewerberinnen und andere Förderprogramme zu informieren und sie zu einer stärkeren Nutzung dieser Unterstützungsmaßnahmen zu motivieren.


B. Handlungsbedarf in der Berufsausbildung

Selbst bei einem langfristig stagnierenden Erwerbstätigenbedarf wird die demografische Entwicklung zu einem sinkenden Arbeitskräfteangebot und damit mittelfristig zu Arbeitskräftemangel führen. Um dieser Entwicklung zu begegnen und qualifiziertes Personal im erforderlichen Umfang zu gewinnen, ist es schon heute notwendig, auch die Jugendlichen und jungen Erwachsenen beruflich zu qualifizieren, die in den vergangenen Jahren ohne Berufsausbildung geblieben waren. Dabei ist die berufliche Qualifizierung von Migranten und Zuwanderern gezielt anzugehen. Nachweislich sind es gerade diese Jugendlichen, die in hohem Maße dauerhaft arbeitslos sind. Eine bessere Integration in den Arbeitsmarkt bewirkt damit zugleich auch eine Entlastung der Sozialkassen.

Die Arbeitsbeziehungen sind heute wesentlich instabiler als noch vor wenigen Jahrzehnten. Die Zeiten, in denen viele Arbeitnehmer von der Ausbildung bis zur Rente im gleichen Betrieb beschäftigt waren, sind endgültig vorbei. Immer mehr Menschen werden künftig nicht nur den Arbeitgeber, sondern auch den Beruf wechseln müssen, um ihre Existenz sichern zu können. Zudem steigt die Zahl prekärer Arbeitsverhältnisse – von der Leiharbeit bis zur befristeten Beschäftigung. Um sich angesichts der veränderten Bedingungen behaupten zu können, brauchen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer heute mehr denn je umfassende berufliche und soziale Kompetenzen. Sie müssen in der Lage sein, ihre Lebens- und Arbeitsbedingungen selbstständig und kompetent zu bewerten und zu gestalten. Die Basis dafür muss in der Berufsausbildung vermittelt werden: Für berufliche und gesellschaftliche Teilhabe ist eine breit angelegte berufliche Erstausbildung die Voraussetzung. Eine Schmalspurausbildung und eine zu frühe Spezialisierung schränken die Einsatzmöglichkeiten auf dem Arbeitsmarkt ein und verkürzen die Lebenschancen.

Für eine Modernisierung der beruflichen Bildung schlagen die Gewerkschaften folgende Punkte vor:


1. Jugendliche mit schlechten Startchancen besser fördern

Vor allem Jugendliche ohne Schulabschluss oder mit einem schlechten Hauptschulabschluss fällt der Sprung in eine Ausbildung schwer. Sie werden schlecht in den Ausbildungsmarkt integriert. Sie werden auf das Übergangssystem zwischen Schule und Beruf verwiesen, ohne dass sie eine vollqualifizierende Ausbildung erwerben können. So wird der Start ins (Berufs-)Leben erschwert, Lebenszeit und Ressourcen werden verschwendet, Resignation und Perspektivlosigkeit sowie soziale Ausgrenzung werden gefördert.
  • Ausbildungsbegleitende Hilfen: Es ist zu befürchten, dass in der Krise immer weniger Unternehmen gerade Jugendliche mit schlechten Startchancen ausbilden. Deshalb sollten ausbildungsbegleitende Hilfen zu Regelangeboten für die Betriebe ausgebaut werden. Ausbilder und Lehrer sollen für jeden einzelnen Auszubildenden den Bedarf ermitteln. Betriebe, überbetriebliche Lehrwerkstätten und Träger bieten Fördermaßnahmen an. Dazu muss die Bundesagentur für Arbeit ihr Leistungsangebot steigern, die Länder sollten sich auch an der Finanzierung beteiligen. Ausbildungsbegleitende Hilfen entlasten Betriebe und erhöhen die Abschlusschancen für Jugendliche.

  • Ein Integrationspaket für junge Migrantinnen und Migranten: Um die Ausbildungschancen junger Migranten zu stärken, schlagen die Gewerkschaften ein Integrationspaket vor. In lokalen Bündnissen aus Gewerkschaften, Wirtschaft, BA, Schulen und Migrationsverbänden sollen folgende Maßnahmen angepackt werden: Erhöhung des Anteils an Berufsberatern der Bundesagentur für Arbeit (BA) mit Migrationshintergrund, Fort- und Weiterbildung des Beratungspersonals hinsichtlich interkultureller Kompetenzen, Qualifizierungsangebote für betriebliches Ausbildungspersonal zur spezifischen Förderung von Auszubildenden mit Migrationshintergrund, Sprachförderung für Auszubildende, Nutzung des Instruments der Berufseinstiegsbegleitung zur individuellen Übergangsbegleitung von Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund (Ausbildungspatenschaften), Einwerben von Ausbildungsplätzen für Migrantinnen und Migranten.

  • Berufseinstiegsbegleitung: Das neue Instrument der Berufseinstiegsbegleitung zur individuellen Unterstützung junger Menschen beim Übergang von der Schule in Ausbildung ist zu erweitern und zu verstetigen. Mit der Maßnahme sollen Jugendliche gezielt und frühzeitig unterstützt werden, die voraussichtlich Schwierigkeiten haben werden, den Abschluss der Allgemeinbildenden Schule zu erreichen und den Übergang in eine berufliche Ausbildung zu bewältigen. Vorbild sind die vielen erfolgreichen Ausbildungspatenschaftsprojekte von Verbänden, Vereinen, Kirchen, Gewerkschaften und anderen Organisationen. Die entsprechenden lokalen Initiativen sollten überregional vernetzt werden, auch um erfolgreiche Beispiele als „Best-Practice“-Modelle in anderen Regionen bekannt zu machen (vgl. etwa die Initiative „Hauptschülern eine Chance geben“ in der Region Heilbronn). Jugendliche mit Migrationshintergrund sollten einen besonderen Schwerpunkt der Förderung darstellen.

  • Instrumente zur Benachteiligtenförderung evaluieren: Bund, Länder und Bundesagentur für Arbeit (BA) investieren erhebliche Mittel ins so genannte Übergangssystem sowie in die Förderung von Ausbildung benachteiligter Jugendlicher. Über die Effektivität dieser Maßnahmen wissen wir allerdings sehr wenig, weil es keine übergreifende Evaluation gibt. Dies erschwert strukturelle Reformen im Übergangssystem zur Steigerung der Wirksamkeit und Transparenz der Fördermaßnahmen. Als ersten Schritt einer solchen Reform sollten daher die Förderansätze und -programme des Bundes und der BA im Bereich der Ausbildungs-, Berufsvorbereitungs- und Benachteiligtenförderung umfassend wissenschaftlich evaluiert und ausgewertet werden.

2. Die Zahl der Ausbildungsberufe und Berufsgruppen reduzieren

Ein großer Teil der Berufsausbildung in Europa basiert auf Berufen, die überall in Europa etabliert sind. Auch wenn die Berufsbezeichnungen nicht immer übereinstimmen, sind doch die beruflichen Aufgabenbereiche europaweit sehr ähnlich. Ziel muss sein, europaweit „dynamische Kernberufe“ zu schaffen und zu etablieren. Gleichzeitig muss die hohe Ausdifferenzierung bei Berufen verringert werden.

Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer müssen sich auch innerhalb eines Betriebs immer häufiger auf wechselnde Aufgaben einstellen: die horizontale und vertikale Arbeitsteilung in Unternehmen geht zurück. Das heißt: sowohl der Einsatz in unterschiedlichen Produktions- und Unternehmensbereichen als auch auf verschiedenen Hierarchieebenen – wie bei der Teamarbeit – wird gängiger. Deshalb ist es sinnvoll, die Zahl der Ausbildungsberufe auf „Kernberufe“ zu reduzieren, die für ein breites Spektrum potenzieller Aufgaben in einem Berufsfeld qualifizieren.

Eine Reduzierung der vorhandenen 350 Ausbildungsberufe zu Kernberufen mit einer Ausbildungsdauer von drei bis dreieinhalb Jahren (gebündelt in Berufsgruppen) ist möglich und sinnvoll. Sie führt zu mehr Transparenz im Berufsbildungssystem, erleichtert die Berufswahl, die Bildung von Fachklassen in ortsnahen Berufsschulen und erhöht die Durchlässigkeit der Berufsausbildung zwischen verwandten Berufen.

So münden zum Beispiel in der Bauwirtschaft bestimmte Berufsgruppen mit ihrem aufbauenden Konzept einer fachübergreifenden Berufsbildung über berufsbezogene Schwerpunkt- oder „Kleinfamilienbildung“ in den Bereichen Hochbau, Ausbau und Tiefbau in den Beruf innerhalb der Großfamilie „Bau“. Sie sind wegweisend für andere Bereiche. Über ein fachlich breites Feld führt der Weg kontinuierlich zu den einzelnen Berufen, sozusagen zu einer „breit angelegten Spezialisierung“.

Dieser Ansatz ermöglicht einerseits einen breiten Einsatz innerhalb der Betriebe und Unternehmen, der eine berufliche Mobilität gewährleistet. Andererseits bietet das Modell auch eine ausreichende Breite und Tiefe der Ausbildung. Eine zu starke Spezialisierung bereits während der Ausbildung schränkt die berufliche Mobilität der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ein und bereitet nicht optimal auf die Arbeitswelt der Zukunft vor.


3. Zusatzqualifikationen verbessern die Qualität der Ausbildung

Das neu im Berufsbildungsgesetz (BBiG) eingeführte Instrument der Zusatzqualifikationen wird bisher kaum genutzt. Zusatzqualifikationen können neben ergänzenden technischen Inhalten u. a. vertiefte Fremdsprachenkenntnisse oder interkulturelle Kompetenz vermitteln. Dadurch werden duale Ausbildungen sowohl für junge Menschen als auch für Betriebe attraktiver. Die Vermittlung von Zusatzqualifikationen ist Teil der Ausbildung, deren Kosten der Arbeitgeber zu tragen hat. Zusatzqualifikationen sind auch wichtige „Andockstationen“ für Inhalte der Weiterbildung. Die Potenziale dieses Berufsbildungsinstruments sollten deshalb endlich voll ausgenutzt werden. Betriebliche (Bildungs-)Akteure wie Ausbilder, Personalverantwortliche und Betriebsräte müssen umfassend über die Möglichkeit von Zusatzqualifikationen nach dem BBiG informiert werden. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung könnte die notwendigen Mittel für eine „Informationsoffensive“ zur Verfügung stellen.


4. Praxisnähe und Akzeptanz neuer Ausbildungsberufe sicherstellen – Schlichtergremien für die Erarbeitung von Ausbildungsordnungen einrichten

In den Berufsbildungsausschüssen überwachen Vertreter/ Vertreterinnen der Sozialpartner die Qualität der Ausbildung. Sinnvoll wäre es, sie durch eine berufs- und berufsgruppenspezifische Berufs- und Qualifikationsforschung zu unterstützen. Auf der Grundlage von Qualitätsstandards für die Berufsentwicklung sollten in enger Abstimmung mit Sachverständigen Studien durchgeführt werden, auf deren Grundlage Berufsbilder und berufliche Ordnungsmittel entwickelt werden können. Die Sachverständigen steuern diesen Prozess in Zusammenarbeit mit dem Bundesinstitut für Berufsbildung. Vor allem gilt es, den Sachverstand der betrieblichen Experten wieder in den Mittelpunkt zu rücken, wenn Ausbildungsordnungen entwickelt werden. Damit wird sichergestellt, dass Ausbildungsberufe eine breite Unterstützung und Verankerung bei Unternehmen und Beschäftigten finden. Deshalb wollen wir, dass die Bundesregierung bei der Erarbeitung von Ausbildungsberufen den bewährten Konsens der Sozialpartner wieder zur Grundlage macht. Wir fordern die Bundesregierung auf, keine Entscheidung ohne Zustimmung der Sozialpartner zu treffen.

Die Gewerkschaften unterstützen die Empfehlung des Deutschen Bundestages, bei Konflikten während der Erarbeitung von Ausbildungsordnungen eine Schlichtungskommission einzurichten. Eine Schlichterlösung könnte das Konfliktpotenzial reduzieren.

Durch die Einrichtung von Berufsfachkommissionen der Sozialpartner in den Branchen können veränderte Qualifikationsanforderungen in den Berufen oder neue Berufe rechtzeitig erkannt werden. Gerade bei der Früherkennung des Qualifikationsbedarfs oder bei der Beobachtung von Entwicklungsprozessen könnten diese Kommissionen Reformen zeitnah anregen. Sie würden auch sicherstellen, dass in den Branchen und darüber hinaus allen Akteuren die für ihre Entscheidungen relevanten Informationen rechtzeitig zur Verfügung stehen.

Die Veränderung von Berufsinhalten wäre so nicht mehr ein punktueller Vorgang, der alle fünf bis zehn Jahre ansteht, sondern ein Prozess, der kontinuierlich angelegt ist. Im Übrigen würde eine solche kontinuierliche Zusammenarbeit von Experten auch einen Beitrag zur Professionalisierung und Qualitätssicherung der Ordnungsarbeit leisten.


5. Übergang von der Schule zur Arbeitswelt verbessern

Zu einem zukunftsweisenden Konzept für die berufliche Ausbildung gehört eine verbesserte Berufsorientierung, bei der Betriebe, Schulen, Bundesagentur für Arbeit und alle weiteren Akteure des Ausbildungsbereichs kooperieren: mit flächendeckenden, zielgruppenorientierten und professionellen Beratungsangeboten beim Übergang von der Schule in die Arbeitswelt.


6. Geschlechtsspezifische Berufsorientierung verbessern

Generell ist festzustellen, dass im Rahmen der Berufsorientierung wie auch in der Präsentation von Berufen und der Berufswelt weiterhin zum Teil überkommene traditionelle Bilder, Muster und Botschaften transportiert werden und dass unter diesem Blickwinkel eine Bestandsaufnahme der nahezu unübersehbaren Anzahl und Vielfalt an Projekten, Konzepten und Materialien mit dem Ziel der Entwicklung eines „Gender Standards Berufsorientierung“ notwendig ist.

Grundsätzlich müssen geschlechtsspezifische Ausrichtungen in der Berufsorientierung, die junge Frauen und Männer einschränken, überwunden werden. Das beinhaltet auch die Schulung und Weiterbildung des Beratungs- und Lehrpersonals. Die unmittelbaren Akteure nicht nur der Berufsorientierung, sondern auch der Berufsausbildung generell (Unternehmen, Sozialpartner, Schulen, Berufsschulen, Länder, Bundesagentur für Arbeit) müssen im Hinblick auf die Gleichstellung von Frauen und Männern im Berufsleben weitergebildet werden. Diese Weiterbildung sollte insbesondere mit Blick auf die Verbreiterung und Verbesserung der Berufschancen junger Frauen vereinheitlicht, modernisiert und mit einem Gender-Standard versehen werden. Dieser kann aus den vorliegenden Erfahrungen und Erkenntnissen aus den diversen Bundes-Programmen und Projekten herausgearbeitet und abgeleitet werden.

Schließlich sollten Zielsetzungen zur Ausbildung junger Frauen in von Männern dominierten Berufen immer mit einer quantitativen Zielmarke eines 30-prozentigen Frauenanteils verbunden werden, um Vereinzelungs- und Minderheitenstatus – ein großer Hemmschuh bei der Beteiligung junger Frauen an diesen Berufen – zu verhindern oder zu verändern.


7. Ausbildungsbausteine müssen zu einem regulären Berufsabschluss führen

Die Gewerkschaften sehen die Entwicklungsarbeit von Ausbildungsbausteinen sehr kritisch und haben sich an ihrer Erarbeitung nicht beteiligt. Wir befürchten, dass mit diesem Instrument Jugendliche nur noch mit Teilqualifikationen auf den Arbeitsmarkt entlassen würden, wenn der Übergang von einem Ausbildungsbaustein zum anderen nicht sichergestellt ist und ein regulärer Abschluss in weite Ferne rückt.

Die Entwicklung von Ausbildungsbausteinen als eine Leitlinie aus dem Innovationskreis Berufliche Bildung (IKBB) zielt darauf ab, Jugendlichen im Übergangssystem, insbesondere den Altbewerbern/Altbewerberinnen, den Abschluss einer dualen Ausbildung schneller zu ermöglichen. Durch Abschluss einzelner Ausbildungsbausteine und einer anschließenden Externenprüfung soll dies zu einem anerkannten Berufsabschluss führen. Ob dieses Ziel im Verlauf der Ausbildung in den aufeinander aufbauenden, einzelnen Ausbildungsbausteinen nicht verloren geht, wird sich bei der Umsetzung in die Praxis erweisen müssen.

Jetzt hat das Programm JOBSTARTER CONNECT begonnen, das die Implementierung der bundesweit gültigen Ausbildungsbausteine zum Ziel hat. Es gilt zu beobachten, welchen Beitrag das Programm leisten kann, um den vier Zielgruppen reguläre Abschlüsse zu verschaffen.

Für die Gewerkschaften bleibt offen, ob sich eine frühzeitige Integration der besonderen Zielgruppen in die duale Berufsausbildung sowie die Übergänge aus „Warteschleifen“ verbessern werden und die Absolventen eine Abschlussprüfung absolvieren können. Zudem muss aus Sicht der Gewerkschaften geprüft werden, ob Ausbildungsbausteine bewirken, dass sich die Anrechenbarkeit bereits erworbener Kompetenzen verbessert oder ob diese Bausteine nur dazu beitragen, die Subventionsmentalität bei den ausbildenden Einrichtungen zu verstärken. Es besteht auch die Gefahr einer Substitution der regulären Ausbildung durch geförderte Ausbildungsmaßnahmen, indem immer mehr Jugendliche eine Maßnahme durchlaufen, anstatt einen Ausbildungsvertrag in einem Ausbildungsberuf abzuschließen.

Die Gewerkschaften werden sich dafür einsetzen, dass die Ausbildungsbausteine nicht das Berufskonzept aushöhlen und den Einstieg in eine Modulausbildung eröffnen. Es wäre keine gute Lösung, wenn mit Hilfe von Ausbildungsbausteinen ein zweitklassiger Abschluss entstünde.


8. Vollqualifizierende schulische Ausbildungen sinnvoll gestalten

Vollqualifizierende schulische Ausbildungsgänge können sinnvoll sein, wenn diese für besondere Gruppen von Jugendlichen eingerichtet werden, denen damit der Übergang ins Erwerbsleben erst ermöglicht wird. Bei den vollzeitschulischen Ausbildungen (z. B. Berufsfachschulen) können die Landesregierungen die Möglichkeiten des § 7 BBiG nutzen und per Rechtsverordnung dafür sorgen, dass diese verbindlich auf eine duale Ausbildung angerechnet werden. Sie wären damit keine reinen Warteschleifen mehr und Doppelqualifizierungen könnten vermieden werden.


Fazit

Die Kapazitäten des dualen Systems der Berufsbildung zur nachhaltigen Sicherung der Fachkräftebasis müssen genutzt und ausgebaut werden. Hierzu müssen auch Qualität, Modernität und Leistungsfähigkeit des dualen Systems verbessert werden. Die Lernorte des dualen Systems sind zu stärken und die berufliche Bildung in Deutschland zukunftsfest zu machen und für Unternehmen und Auszubildende attraktiv zu halten. Jugendliche, die keinen Ausbildungsplatz im dualen System erhalten, müssen dennoch ausgebildet werden, dafür können verschiedene Lernorte genutzt werden – wie vollqualifizierende berufsbildende Schulen oder der Betrieb.

Die Gewerkschaften halten an ihrer Forderung nach einem Grundrecht für Ausbildung fest. Die Ausbildungschancen aller jungen Menschen müssen verbessert, die hohe Zahl an Altbewerbern abgebaut und die Ausbildungschancen von individuell und sozial benachteiligten jungen Menschen deutlich verbessert werden. Dies gilt insbesondere auch für Jugendliche mit Migrationshintergrund, Hauptschülerinnen und Hauptschüler sowie leistungsschwächere oder behinderte Jugendliche. Hier liegen große Potenziale für den Fachkräftenachwuchs.


C. Berufliche Weiterbildung in Deutschland und Europa

Berufliche Weiterbildung ist in Deutschland deutlich schlechter aufgestellt als in anderen europäischen Staaten, vor allem in den skandinavischen Ländern, in Frankreich und in den Niederlanden. Die aktuellen Ergebnisse des europäischen Adult Education Surveys (AES) von 2007 bestätigen erneut, dass die Teilnahme der deutschen Bevölkerung an non-formalem Lernen (berufliche Weiterbildung und allgemeine Weiterbildung) mit 43 Prozent deutlich niedriger liegt als die der skandinavischen Länder (über 50 Prozent) und gleich auf mit dem Vereinigten Königreich und Österreich (um 40 Prozent).

Auch bei der betrieblichen Weiterbildung als dem wichtigsten Bereich der beruflichen Weiterbildung liegt Deutschland seit vielen Jahren im Mittelfeld der europäischen Länder. Deutschland liegt beim Angebot an arbeitsplatzintegrierten/arbeitsplatznahen Formen der betrieblichen Weiterbildung im mittleren Drittel aller elf nord- und westeuropäischen Länder. Darüber hinaus zeigt sich im Vergleich mit den anderen Ländern, dass die internen Strukturen - also die Professionalisierung der Weiterbildung in Unternehmen, z. B. im Hinblick auf die Bedarfsermittlung, die Weiterbildungsplanung, die Aufstellung eines Weiterbildungsbudgets und die Evaluierung - einen geringen Grad an Systematisierung erkennen lassen.

In deutschen Unternehmen profitieren von betrieblicher Weiterbildung relativ wenige Beschäftigte (und dann zumeist Fach- und Führungskräfte). Vor allem sind meist kurzfristige Anpassungsmaßnahmen zu verzeichnen. Die Professionalisierung der Weiterbildung in Unternehmen ist ebenfalls nur europäisches Mittelmaß.

Der DGB sieht im Bereich der Weiterbildung dringenden Handlungsbedarf. Zu wenig Angebote, verstärkte soziale Auslese, gravierende Qualitätsprobleme und hohe Intransparenz kennzeichnen die deutsche Weiterbildungslandschaft. Das Bildungssystem verstärkt die soziale Auslese. Je besser die schulische Bildung, umso ausgeprägter ist die Weiterbildungsbeteiligung. Von den Personen mit niedriger Schulbildung nehmen nur 30 Prozent an Weiterbildung teil, mit Abitur sind es 58 Prozent. Der Erwerbsstatus einer Person hat einen gravierenden Einfluss auf das Weiterbildungsverhalten. Teilzeitbeschäftigte nehmen seltener an Weiterbildung teil als Vollzeitbeschäftigte. Noch erheblich geringer ist die Weiterbildungsbeteiligung bei geringfügiger Beschäftigung. Personen mit Migrationshintergrund nehmen ebenfalls deutlich weniger an Weiterbildung teil. Nur jeder dritte Erwachsene in Deutschland nimmt an Weiterbildungsangeboten
teil.

Der Staat und die Unternehmen tun zu wenig für die Weiterbildung. Das Weiterbildungsbudget hat sich drastisch reduziert. Die Ausgaben der Bundesagentur für Arbeit (BA) für berufliche Weiterbildung gingen zwischen 1999 und 2005 um 70 Prozent zurück. Im gleichen Zeitraum sanken die Ausgaben der Unternehmen für betriebliche Weiterbildung um rund 1,5 Milliarden Euro (16 Prozent).

In der Weiterbildung fehlen gesetzlich geregelte transparente Strukturen, die flächendeckend ein für alle zugängliches Weiterbildungsangebot sichern sowie das Recht auf Bildung auch im Erwachsenenalter absichern. Langfristiges Ziel muss ein Erwachsenenbildungsgesetz sein, das unter anderem auch die Förderung der Aufstiegsfortbildung beinhaltet. Folglich ist die Novellierung des Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetzes (AFBG) allenfalls ein Zwischenschritt auf dem Weg zu einem neuen solidarischen Weiterbildungssystem.

Weiterbildung muss die Chancen am Arbeitsmarkt, das berufliche Fortkommen und das Einkommen verbessern. Zu den notwendigen Rahmenbedingungen gehören:
  • das Angebot von Lernzeiten und deren Verteilung auf die gesamte Lebenszeit;

  • ausreichende finanzielle Ressourcen für Weiterbildung;

  • ein gutes Informationssystem und individuelle Weiterbildungsberatung;

  • qualitativ gute Angebote, die von qualifiziertem Personal durchgeführt und betreut werden;

  • Abschlüsse und Zertifikate, die auf weiterführende Bildungsgänge anrechenbar sind und damit Entwicklungsmöglichkeiten aufzeigen.

Diese Handlungsfelder sind in einer Bundesregelung für die Weiterbildung abzusichern, um mehr Menschen die Teilnahme an Weiterbildungsangeboten zu ermöglichen.

Der Koalitionsvertrag 2005 beinhaltete eine große Bildungsoffensive. Weiterbildung sollte zur vierten Säule des Bildungssystems werden. Angekündigt wurde, mit bundeseinheitlichen Rahmenbedingungen eine Weiterbildung mit System zu etablieren. Von den im Regierungsprogramm genannten Vorhaben Bildungsberatung, Benachteiligtenförderung, Bildungssparen und Bildungszeitkonten hat die Koalition bisher nur einen Gesetzentwurf zum Weiterbildungssparen auf den Weg gebracht. Der Effekt kann als geringfügig eingeschätzt werden. Mit dem Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Meister-BAföGs (Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz – AFBG) wurde ein weiterer Schritt zur Stärkung der Weiterbildung unternommen. Ohne Zweifel gehen die vorgeschlagenen Änderungen des AFBG in die richtige Richtung. Es ist jedoch fraglich, ob die beabsichtigten Veränderungen dazu beitragen, die Weiterbildungsbeteiligung entscheidend zu erhöhen. Die erweiterten Förderbedingungen bleiben durch den engen finanziellen Rahmen eingeschränkt.

Diejenigen, die frühzeitig aus dem Bildungssystem ausgeschieden sind und deshalb nur eine niedrige formale Qualifikation haben, müssen als Erwachsene eine „zweite oder dritte Chance“ auf Erwerb eines formalen Abschlusses erhalten. Einen Ansatz bietet hier das Programm „Weiterbildung gering qualifizierter und beschäftigter älterer Arbeitnehmer in Unternehmen“ der Bundesagentur für Arbeit. Damit sollen die Entstehung von Arbeitslosigkeit vermieden, Beschäftigungschancen und Beschäftigungsfähigkeit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer verbessert und dem Fachkräftemangel entgegengewirkt werden. Dieses beitragsfinanzierte Instrument der BA muss durch ein steuerfinanziertes Instrument ergänzt werden. Maßnahmekosten und Lebensunterhalt beim Nachholen schulischer und beruflicher Abschlüsse von Erwachsenen sollen durch staatliche Zuschüsse oder subventionierte Darlehen gefördert werden.

Notwendig ist ein umfassendes Konzept für „eine Weiterbildung mit System“. Dazu gehören auch Weiterbildungsmaßnahmen unterhalb der Aufstiegsfortbildung, das Erwerben von Zusatzqualifikationen sowie die Förderung von Abschlüssen an Hochschulen. Ein ganzheitliches System der Erwachsenenbildungsförderung wird vom DGB als konsequente Weiterführung des AFBG unterstützt. Es muss verbunden werden mit Bundesregelungen für die Weiterbildung. Diese Regelungen sollen Lernzeiten, Finanzierung, Bildungs-, Berufs- und Arbeitsberatung sowie Qualitätssicherung umfassen. Sie müssen auch Kriterien für die Qualifikation des Weiterbildungspersonals enthalten.


Quelle: Berufsbildungsbericht der Bundesregierung 2009


Sie können den Berufsbildungsbericht 2009 hier als pdf-Datei herunterladen.

Weitere Informationen zum Bericht und den dazugehörigen Datenbericht finden Sie auf der Homepage des Bundesinstituts für Berufsbildung.



Schlagworte zu diesem Beitrag: Meister-BAföG, Betriebliche Weiterbildung
Dieser Beitrag wurde zuletzt aktualisiert am 14.04.2009

Quelle: www.netzwerk-weiterbildung.info
Druckdatum: 28.03.2024