Der Kommentar

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Endlich ist der Mindestlohn in Sicht

Endlich ist ein Mindestlohn für Menschen in Sicht, die im Auftrag der Bundesagentur für Arbeit Arbeitslose qualifizieren. Nachdem der Bundestag schon zuvor beschlossen hatte, die Weiterbildungsbranche ins Arbeitnehmerentsendegesetz (AEntG) aufzunehmen, stimmte im Februar auch der Bundesrat zu. ver.di als federführende Gewerkschaft hatte sich lange für eine solche Regelung eingesetzt und bis zuletzt intensiv dafür gekämpft, dass die Weiterbildung als eine von sechs neuen Branchen in das Gesetz aufgenommen wurde. Damit werden hoffentlich endlich auch bald Lohnuntergrenzen für solche Firmen zwingend, die nicht im Arbeitgeberverband organisiert sind.

Die neue Regelung gilt für solche Träger, die überwiegend Arbeitslose oder von Arbeitslosigkeit bedrohte Menschen qualifizieren oder für ihre soziale und berufliche Integration tätig sind. Nach Inkrafttreten der „Hartz“-Reformen hatte die Bundesagentur für Arbeit (BA) in diesem Bereich einen geradezu ruinösen Wettbewerb entfacht. Den Zuschlag bekam immer der Billigste – und um eine Überlebenschance zu haben, lieferten die anderen Träger in der nächsten Runde ebenfalls ein günstigeres Angebot ab. Die Frage der Qualität spielte bei der Vergabe – wenn überhaupt – nur eine untergeordnete Rolle. So setzte die BA eine Preisspirale nach unten in Gang, die sofort auf die Löhne durchschlug – schließlich ist in einer auf Wissen basierenden Branche die Arbeitskraft der wichtigste Produktionsfaktor.

Vor allem durch ihre Vergabepraxis hat die BA ihre Ausgaben für Bildungsmaßnahmen massiv reduziert. Ihr Geschäftsbericht weist aus, dass sie im Jahr 2003 noch 2.028 Millionen Euro für berufliche Weiterbildung ausgegeben hatte, während es 2007 nur noch 619 Millionen Euro waren.

Das beispiellose Lohndumping veranlasste ver.di zum Abschluss eines Mindestlohntarifvertrages. Hatten Lehrkräfte, AusbilderInnen und SozialpädagogInnen – in der Regel Menschen mit akademischem Abschluss – in der Zeit „vor Hartz“ bei seriösen Trägern Gehälter zwischen 3.000 und 4.000 Euro brutto verdient, so sind dort heute Gehälter für Vollzeitbeschäftigte zwischen 1.200 und 1.800 brutto keine Seltenheit mehr. Dabei haben die Firmen, die sich dem Unterbietungswettbewerb verschrieben haben, das Lohngefüge der gesamten Branche massiv unter Druck gesetzt.

Sowohl ver.di als auch die seriösen Arbeitgeber wollten endlich ein Netz nach unten einziehen. Gemeinsam definierten sie die Branche, die ins Arbeitnehmerentsendegesetz aufgenommen werden sollte. Weil es in der Anpassungs- und Aufstiegsfortbildung keinen Preisverfall gegeben hat, verständigten sich die Tarifvertragsparteien darauf, den Geltungsbereich auf die Träger zu beschränken, die überwiegend Arbeitslose oder von Arbeitslosigkeit bedrohte Menschen weiterbilden. ver.di hatte federführend belastbare Daten über die Situation in der Branche zusammengetragen und aufgearbeitet. Damit erhielt die Politik eine gute Entscheidungsgrundlage.

Mit der Verabschiedung durch Bundestag und -rat ist der erste Schritt auf dem Weg zum branchenspezifischen Mindestlohn gemacht. Nun muss der zwischen ver.di, GEW und der Zweckgemeinschaft des Bundesverbandes der Träger der beruflichen Weiterbildung (BBB) ausgehandelte Mindestlohn-Tarifvertrag noch für allgemeinverbindlich erklärt werden.

Einen entsprechenden Antrag auf Allgemeinverbindlichkeit haben die Tarifvertragsparteien beim Bundesarbeitsministerium gestellt. In dem Verfahren geht es vor allem darum zu prüfen, wie repräsentativ der Branchentarifvertrag ist und ob ein öffentliches Interesse daran besteht, ihn für allgemeinverbindlich zu erklären. Der aus je drei Arbeitgeber- und drei ArbeitnehmervertreterInnen bestehende Tarifausschuss bekommt dabei die Gelegenheit, ein Votum abzugeben.

Wenn diese zweite Hürde genommen ist, müssen sich die Bundesagentur für Arbeit und die Arbeitsgemeinschaften daran halten, den Mindestlohn als Vergabekriterium in ihren Ausschreibungen festzulegen. Umgekehrt sind Träger, die den Tarifvertrag nicht einhalten, von der Vergabe auszuschließen. Positiv sind Hinweise der Bundesagentur an die Träger bzw. Bieter, den Mindestlohn bei der Preiskalkulation in den Ausschreibungen schon jetzt zu berücksichtigen.


Von Renate Singvogel


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Schlagworte zu diesem Beitrag: Mindestlohn, Öffentliche Beschäftigungspolitik
Dieser Beitrag wurde zuletzt aktualisiert am 16.06.2009