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Mangelhaft als Durchschnittsnote

Vor sieben Jahren wurde die Vergabe von Kursen, die die Bundesagentur für Arbeit (BA) fördert, neu geregelt – und dabei auch die Qualitätssicherung. Inzwischen ist selbst dem Auftraggeber klar: Das System funktioniert so nicht.

Anfang 2003 trat die Anerkennungs- und Zulassungsverordnung in Kraft. Sie standardisierte und privatisierte die Qualitätskontrolle. Aufbauend auf Qualitätsmanagementsystemen der Träger wurde ein gestuftes Akkreditierungs- und Zertifizierungsverfahren eingeführt. Sowohl das Bundesarbeitsministerium als auch die Bundesagentur hofften, die Qualitätsprobleme damit generell gelöst zu haben.

Seit etwa drei Jahren sind nun vermehrt Prüfgruppen der Auftraggeber unterwegs. Zwar hält sich die Bundesagentur mit Informationen und Schlussfolgerungen zurück. Doch klar ist, dass Mängel keine Einzelfälle sind. Für jeden, der in der Weiterbildungsbranche einigermaßen kundig ist, ist klar: Unter den aktuellen Vergabebedingungen ist es oft unmöglich, die Maßnahmen vertragsgerecht durchzuführen. So soll beispielsweise ein von einer ARGE vergebener Deutsch-als-Fremdsprache-Kurs mit 1,49 € pro Teilnehmerstunde auskommen. Maximal 25 Lernende sind zugelassen – gezahlt wird nur, wenn sie tatsächlich auch anwesend sind. Auch eine IT/EDV-Trainingsmaßnahme ist mit 1,54 € pro Nase und Stunde bei maximal 16 TeilnehmerInnen nicht vertragstreu durchzuführen. Und immer wieder hört man von einem Beispiel aus Mecklenburg-Vorpommern, wo ein Kurs „ausbildungsbegleitende Hilfe für Jugendliche“ sogar mit nur 0,79 € pro Teilnehmerstunde bezahlt wurde. Damit ist die zugesagte Leistung nicht zu erbringen, selbst wenn ausschließlich Honorarkräfte unterrichten und die weniger als 10 € pro Stunde verdienen.

Die Prüftrupps, die bei den Trägern vorstellig werden, kommen von der Bundesagentur selbst, von den örtlichen Agenturen und von den Regionalen Einkaufszentren (REZ). Manche kontrollieren die Ausstattung, andere interessieren sich für die Durchführung der Maßnahme und den Personaleinsatz oder die finanzielle Solidität des Trägers. Die BA selbst sprach Anfang 2009 von einer Mängelquote von 42%. Der Bundesrechnungshof hat die Prüfaktivitäten der BA selbst untersucht und bei Trainingsmaßnahmen in 53,7% der Fälle Mängel festgestellt, bei berufsvorbereitenden Maßnahmen sogar in 57,7%.

Viele Beschäftigte sind stark verunsichert. Zum Teil sehen sie das Auftreten der Prüfgruppen kritisch, zumal sie häufig (mit-)verantwortlich gemacht werden für die negativen Ergebnisse. Dabei arbeitet ein Großteil von ihnen mit extrem hohem Engagement und guckt oft nicht auf die Uhr, wenn ein Teilnehmer mit einem Problem nach Kursschluss ankommt.

Es sind die Arbeitgeber, die sich mit nicht haltbaren Kalkulationen auf Maßnahmen bewerben und dann die Verträge unterschreiben. Eine sinnvolle Form der Qualitätsprüfung ist im Prinzip zu begrüßen, weil nur so solide von unseriösen Trägern zu unterscheiden sind. Die Leitungen der Träger sind aufgefordert, sich in einem Arbeitgeberverband breit zu organisieren. Der muss den Auftraggebern deutlich machen, dass die Qualitätsmängel ein von der BA selbst produziertes, strukturelles Problem darstellen.

Qualität und ihre Kontrolle zu politisieren, ist auch Sache der Betriebsräte und Beschäftigten. Auf Mängel ist der Arbeitgeber anzusprechen. Es ist eine Frage der Unternehmenspolitik, wie sich der einzelne Träger am Markt verhält und ob er sich an einer machtvollen Branchenvertretung beteiligt. Auf Seiten der Beschäftigten ist ver.di bereits dabei.


Rohland Kohsiek



Schlagworte zu diesem Beitrag: Öffentliche Beschäftigungspolitik, Berufliche Weiterbildung
Dieser Beitrag wurde zuletzt aktualisiert am 08.04.2014

Quelle: www.netzwerk-weiterbildung.info
Druckdatum: 28.03.2024