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Förderung der beruflichen Weiterbildung durch die Bundesagentur für Arbeit stagniert auf mittlerem Niveau

Mehr TeilnehmerInnen bei FbW, weniger bei Trainings- und Eignungsfeststellungsmaßnahmen

Die Zahl der TeilnehmerInnen an Maßnahmen der beruflichen Weiterbildung bei der Bundesagentur für Arbeit (BA) lag 2009 im Durchschnitt bei 215.880. Die Teilnehmerzahl schwankt zwischen 190.316 im Januar 2009 und 233.741 im November 2009. Noch bis Anfang 2008 wurden die Teilnehmerzahlen für Reha-Maßnahmen und Teilnehmern an Maßnahmen der beruflichen Fortbildung (FbW) getrennt ausgewiesen. Nimmt man die letzten verfügbaren Daten, so befanden sich durchschnittlich ca. 30.000 TeilnehmerInnen in Reha-Maßnahmen. Korrigiert man die angegebenen Werte um die durchschnittliche Teilnehmerzahl aus dem Reha-Bereich, waren 2009 im Bereich FbW im Durchschnitt ca. 185.880 TeilnehmerInnen. Gegenüber 2008 stieg die Teilnehmerzahl im Bereich FbW 2009 damit um ca. 30 %. Immerhin noch eine deutliche Zunahme gegenüber 2008.



Auf der anderen Seite reduzierte die BA die Teilnehmerzahlen in Trainings- und Eignungsfeststellungsmaßnahmen erheblich. In der ersten Jahreshälfte 2009 nahmen im Durchschnitt 66.760 Erwerbslose an diesen Maßnahmen teil. Das entspricht dem langjährigen Trend in diesem Bereich von Qualifizierungsmaßnahmen. In der zweiten Jahreshälfte waren es im Durchschnitt nur noch 10.280 TeilnehmerInnen. Innerhalb eines halben Jahres sank die Teilnehmerzahl hier um gut 84 %. In den letzten 3 Jahresmonaten waren es im Durchschnitt 5050 TeilnehmerInnen, ein Rückgang von über 92 %.

Trainings- und Eignungsfeststellungsmaßnahmen sind nach den Neuregelungen bei der Förderung von Erwerbslosen, die Anfang 2009 in Kraft traten, offensichtlich nicht mehr gefragt. Was bei den Teilnehmerzahlen im Bereich FbW dazukam (im Durchschnitt ca. 43.000 ohne Reha-Maßnahmen), wurde im Bereich der Trainings- und Eignungsfeststellungsmaßnahmen abgebaut (im Durchschnitt ca. 56.000).


Weiterbildung während der Kurzarbeit, bisher ein Flop

Am Anfang stand eine einfache Idee. Beschäftigte sollten die Zeit der Kurzarbeit nutzen, um sich weiterzubilden. Oder wie es Franz Alt, Vorstandsmitglied der BA in der Welt online ausdrückte: „Wir haben zunächst mal 50.000 Menschen qualifiziert in diesem Jahr in der Kurzarbeit. Das ist gar nicht so schlecht. 50.000 sind 50.000 klügere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mehr nach der Krise als vor der Krise.“ Das eigentliche Ziel, die Kurzarbeit als Mittel für eine erheblich verstärkte Beteiligung bei der beruflichen Weiterbildung zu nutzen, wurde jedoch deutlich verfehlt.



Im ersten Halbjahr war die Teilnehmerzahl sehr gering. Im Juni 2009 überschritt sie mit 11.315 erstmals die Zahl von 10.000 Teilnehmern. Doch selbst im zweiten Halbjahr lag die durchschnittliche Teilnehmerzahl nur bei 12.650. Für die niedrige Beteiligung an diesem insbesondere für Arbeitgeber sehr günstigem Angebot (die BA zahlte neben den Weiterbildungskosten auch noch die Sozialversicherungsbeiträge der Beschäftigten) hat Franz Alt ebenfalls eine Erklärung. Für viele Betrieb gäbe es ein organisatorisches und logistisches Problem. Wenn in einem Betrieb auf einen Schlag 5.000 Beschäftigte in Kurzarbeit geschickt würden, könnte es einfach nicht klappen, alle in eine Weiterbildung zu stecken. „Wie wollen Sie dort Bildungsträger so schnell an diesen Betrieb heranbringen, dass man 250 oder 300 Lehrkräfte zur Verfügung hat, um 5.000 Menschen zu schulen. Wo haben Sie die Inhalte, die dort vermittelt werden müssen?,“ so Alt.

Die Förderung der Weiterbildung während der Kurzarbeit soll in 2010 weiter möglich sein. Doch Alt selber glaubt nicht mehr so recht an einen Erfolg. Den sieht er eher in ferner Zukunft. „Ich glaube, dass die Personalchefs der Unternehmen in diesem Jahr gelernt haben, dass es sinnvoll ist, für die nächste Krise etwas in die Schublade zu legen, und das man vorbereitet ist auf so eine Herausforderung,“ so Alt. Der Glaube versetzt bekanntlich Berge. Ob er hilft, die betriebliche Weiterbildung voranzubringen, darf zumindest bezweifelt werden.


Die Anstrengungen der BA im Bereich der beruflichen Qualifizierung treten auf der Stelle

Seit Anfang 2009 weist die BA die Teilnehmerzahl im Bereich der beruflichen Qualifizierung zusammen aus. Zusammengefasst werden hier die Teilnehmerzahlen im Bereich FbW (einschl. Reha-Maßnahmen), Trainings- und Eignungsfeststellungsmaßnahmen und Teilnehmer im Bereich der Kurzarbeiterregelung. Im Jahresdurchschnitt wurden hier 2009 knapp 263.000 TeilnehmerInnen ausgewiesen.



Die Entwicklung ist zweigeteilt. Im ersten Halbjahr wurden durchschnittlich 281.993 TeilnehmerInnen gezählt, im zweiten Halbjahr dagegen 243.726. Das sind durchschnittlich 38.267 oder 13,6 % weniger als im ersten Halbjahr 2009. Da in dieser Zahl die TeilnehmerInnen an Weiterbildungsmaßnahmen während der Kurzarbeit und im Bereich Reha enthalten sind, müssten wir im zweiten Halbjahr 2009 ca. 12.650 Teilnehmer im Bereich Kurzarbeit und Weiterbildung und 30.000 TeilnehmerInnen aus dem Bereich Reha abziehen, um die Werte halbwegs mit den Förderzahlen aus 2008 vergleichbar zu machen.

In den klassischen Bereichen FbW für Erwerbslose und Trainings und Eignungsfeststellungsmaßnahmen wären dann durchschnittlich etwa 201.076 TeilnehmerInnen im zweiten Halbjahr 2009 gefördert worden. 2008 gab es durchschnittlich 142.300 TeilnehmerInnen im Bereich FbW und 62.190 TeilnehmerInnen im Bereich Trainings- und Eignungsfeststellungsmaßnahmen, zusammen sind das 206.490. Gegenüber 2008 haben sich die Förderzahlen bei Qualifizierungsmaßnahmen der BA bezogen auf das zweite Halbjahr 2009 nicht verändert. Die Teilnehmer sind lediglich von einer Maßnahmenform zu einer anderen Maßnahme gewechselt.


Die Förderung der beruflichen Weiterbildung liegt weiterhin deutlich unter dem Niveau vom Anfang des Jahrzehnts

Die relativ konstanten Förderzahlen bei Qualifizierungsmaßnahmen schlagen sich demnach in einer Erhöhung der Teilnehmerzahlen bei der FbW nieder, während Trainings- und Eignungsfeststellungsmaßnahmen zum Auslaufmodell geworden sind. Doch selbst im Bereich FbW kann der deutliche Anstieg in 2009 nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Förderung gegenüber den ersten Jahren des Jahrzehnts deutlich zurückgegangen ist.



In den Jahren 2000 bis 2002 waren durchschnittlich 345.000 TeilnehmerInnen in FbW-Maßnahmen. 2009 waren es mit den Reha-Fällen, die damals nicht mitgezählt wurden, 215.880 (2009A) oder 37,5 % weniger. Geht man von durchschnittlich 30.000 Reha-Fällen aus, dann sinkt die Teilnehmerzahl auf 185.880 (2009B). Das sind gut 46 % weniger Förderungen in der beruflichen Weiterbildung. Die Teilnehmerzahlen bewegen sich gerade einmal auf dem Niveau von 2004, eingerechnet die TeilnehmerInnen in Weiterbildungsmaßnahmen in der Kurzarbeit. Ein verstärkter Ausbau der Förderung der beruflichen Weierbildung durch die BA sähe anders aus.


Ausblick in die Zukunft

Zwischen 2010 und 2011 klaffen offensichtlich Welten. Während die BA für 2010 (noch) auf eine Unterstützung durch die Regierung bauen kann, sieht es für 2011 anders aus. Immerhin hat der Verwaltungsrat der Bundesagentur für Arbeit (BA) beschlossen, die Mittel für Qualifizierungsmaßnahmen im Haushalt 2010 nicht zu kürzen. Für das Programm „Weiterbildung gering Qualifizierter und beschäftigter Älterer in Unternehmen (WeGebAU)“ sind wie im Vorjahr 400 Millionen Euro vorgesehen. Für die Fortbildung während Kurzarbeitergeldbezuges hat der Verwaltungsrat 100 Millionen Euro und für die Qualifizierung von wiedereingestellten Leiharbeitnehmern 25 Millionen Euro in den Haushalt eingestellt

Doch 2011 will die FDP den Haushalt der BA nutzen, um ihre Steuersenkungspläne durchzusetzen. Bereits im Herbst 2009 forderten Vertreter der Industrie, die Mittel für Qualifizierungsmaßnahmen bei der BA massiv zu kürzen. So sieht Hans-Peter Keitel, Vorsitzender des Bundesverbandes der Industrie (BDI) in der Welt-online vom 1. November 2009 „gewaltige Einsparpotentiale“ bei den Sozialsystemen. „Wenn ich frage, wo kommen die Arbeitskräfte her, sagen mir die Unternehmer, eben nicht über die Arbeitsagenturen.“ Dort werde aber sehr viel Geld für die Weiterbildung und Qualifizierung ausgegeben. „Das passt doch nicht zusammen“, so Keitel. Keitel will die Kosten der beruflichen Weiterbildung privatisieren. Beschäftigte und Erwerbslose sollen für die Weiterbildung zahlen.

Birgit Homburger, Fraktionschefin der FDP-Bundestagsfraktion fordert Anfang Januar 2010 zur Finanzierung der geplanten Steuersenkungen von 24 Milliarden Euro Einschnitte „beispielsweise bei der Bundesagentur für Arbeit oder auch im Etat des Familienministeriums“. Beide werden bekanntlich nicht von der FDP geführt. Der Vorstandsvorsitzende der BA folgt solchen Forderungen in bückender Haltung vor Politik und Wirtschaft und erklärte Ende Dezember 2009 gegenüber dpa in einem Interview über die künftige Beitragshöhe der BA: „Der jetzige Beitragssatz von 2,8 Prozent ist sicher zu wenig, um die Folgen der Finanz- und Wirtschaftskrise zu bewältigen.“ Doch ausreichende Beitragserhöhungen lehnt er ab. Weise meint, der zukünftige Beitragssatz müsse „näher bei 2,8 Prozent liegen als bei 4,5 Prozent“. Das mit einem Beitragssatz um die 3 Prozent die arbeitsmarktpolitischen Instrumente kaum noch zu finanzieren wären, ist auch Weise klar. Daher fordert er (zum wievielten Male eigentlich) einen effektiveren Einsatz arbeitsmarktpolitischer Instrumente. Zum offenen Kahlschlag mag er noch nicht aufrufen.

Klar ist, der Haushalt der BA und insbesondere die Förderung arbeitsmarktpolitischer Instrumente sind zum Kampfplatz der steuerpolitischen Wünsche der FDP geworden. Erst gibt es Mehrwertsteuergeschenke an Hoteliers, dann niedrige Beitragssätze bei der BA für die Arbeitgeber. Im ersten Fall zahlen die Kommunen und letztlich die Bürger und Bürgerinnen die Zeche durch eine schlechtere Infrastruktur in den Gemeinden, im zweiten die Erwerbslosen, denen vom „Fordern und Fördern“ nur noch das Fordern bleibt. Wer die Förderung der beruflichen Weiterbildung weiter als eine Kernaufgabe der BA erhalten möchte, der muss sich jetzt politisch einbringen. Sonst gibt es für Erwerbslose ab 2011 statt beruflichen Qualifizierungsmaßnahmen, die eine langfristige Beschäftigungsfähigkeit erhalten, Steuererleichterungen für Gutverdienende. Erwerbslose zahlen nun mal keine Einkommenssteuer.


Peter Schulz-Oberschelp
Netzwerk-Weiterbildung


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Schlagworte zu diesem Beitrag: Öffentliche Beschäftigungspolitik, Berufliche Weiterbildung, Qualifizierung
Dieser Beitrag wurde zuletzt aktualisiert am 07.01.2010