Tarifinformationen

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Tarifverhandlungen „Ostangleichung“ beim IB e.V. Arbeitgeber zeigt sich unnachgiebig – Beschäftigte machen eindrucksvoll Druck!

Petra Gerstenkorn, Mitglied des ver.di-Bundesvorstandes, hielt auf der Streikversammlung folgende Rede:

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

im Namen des ver.di-Bundesvorstandes begrüße ich Euch auf dieser Kundgebung anlässlich der heute stattfindenden Tarifverhandlungen zur Ost-Angleichung beim IB e.V.



Ich bin froh, dass so viele Beschäftigte aus dem Tarifgebiet Ost hier sind.
Dies wird sicherlich auch die Mitglieder der gewerkschaftlichen Tarifkommission freuen, die ich ebenfalls hier begrüße. Dass die Betroffenen Unterstützung für unsere Forderungen bekunden und sich selbst engagieren, stärkt unserer Tarifkommission den Rücken! Wir sind alle gespannt, wie es aktuell in den Tarifverhandlungen aussieht und werden gleich vom Kollegen Uwe Meyeringh mehr hierzu erfahren.

Auch die Vertreter der Arbeitgeber sind zu uns gekommen. Meine Damen und Herren, ich freue mich, dass Sie da sind. Es zeigt, dass Sie sich Ihrer Verantwortung bewusst sind. Der Verhandlungsführer der Arbeitgeber, Herr Rainer Scholl, wird gleich ebenfalls Gelegenheit nehmen, Stellung zu den Tarifverhandlungen zu beziehen.

Auf einer Übersicht des IB e.V. habe ich kürzlich einen Zeitstrahl gesehen, der wichtige Daten aus der IB-Geschichte vermerkt.

Hinter dem Datum 1990 steht dort zu lesen: „Der IB engagiert sich von der ersten Stunde an in Ostdeutschland.“

Dazu möchte ich Ihnen allen gratulieren, denn Ihre Arbeit hat in dieser bewegenden Zeit vielen Menschen geholfen, sich eine Lebensperspektive im geeinten Deutschland aufzubauen.



Angesichts dieser erfolgreichen Arbeit von zwanzig Jahren und der mehr und mehr gewachsenen Einheit ist es mehr als berechtigt, die Angleichung der Ost- an die West-Tariftabelle zu verlangen:
  • Die Preise in Ostdeutschland haben längst das West-Niveau erreicht. Wenn aber z.B. Benzin, Lebensmittel, Urlaub und Heizung in Ost und West gleich teuer sind, dann muss das auch für den Preis der Ware Arbeitskraft gelten. Nur wer gleiche Einkommen erzielt, kann auch gleiche Preise zahlen. Sonst entwickelt sich eine mindere Lebensqualität, die mit unserem Anspruch auf gleiche Lebensbedingungen nicht vereinbar ist.

  • ErzieherInnen und SozialarbeiterInnen im Tarifgebiet Ost leisten genauso viel, wie die KollegInnen im Tarifgebiet West. Wenn die Produktivität gleich ist, können die Menschen unabhängig vom Arbeitsort auch die gleichen Einkommen erwarten. Der einigungsbedingte Strukturwandel ist zu Ende. Deshalb haben auch unterschiedliche Tarifstrukturen keine Berechtigung mehr.

  • Am 19.01.2010 wurden die Ergebnisse einer neuen Armutsstudie veröffentlicht. Im Bundesdurchschnitt gelten 9,8 % der Bevölkerung als arm. Die geringste Armut verzeichnen Bayern mit 5,1 % und Baden-Württemberg mit 5,4 %. In den ostdeutschen Bundesländern beträgt die Armut jedoch ein Vielfaches:
    Berlin: 20 %,
    Mecklenburg-Vorpommern: 17 %,
    Sachsen-Anhalt: 16 %,
    Brandenburg und Sachsen: 14 %,
    Thüringen: 12 %.

Diese Armut hat ihre Ursachen vor allem in der höheren Arbeitslosigkeit und in der geringeren Tarifbindung. Gerade als sozialer Träger darf der IB e.V. die prekäre Lage am Arbeitsmarkt nicht ausnutzen. Er muss seinen selbstverständlichen Beitrag leisten, die soziale Einheit zu vollenden.


Foto's: Christoph Schlüter


Das gewerkschaftliche WSI hat am 20.01.2010 eine Bilanz über die Tarifarbeit des Jahres 2009 gezogen. Danach sind die Tarife in West-Deutschland im letzten Jahr um 2,6 % gewachsen, im Osten als Folge anhaltender Angleichungsprozesse um 3,0 %. Da die Verbrauchspreise in 2009 nur um 0,4 % stiegen, ist es zu einem spürbaren realen Anstieg der Einkommen gekommen.

Aus dieser Perspektive heraus war der Tarifabschluss des Jahres 2009 beim IB e.V. ein guter Abschluss. Die Einmalzahlung von 1.200 EUR in beiden Tarifgebieten und die Tabellenerhöhung von 2,75 % im Tarifgebiet West und 3,25 % im Tarifgebiet Ost können sich sowohl unter dem Aspekt „Kaufkrafterhöhung“ als auch unter dem Aspekt „überproportionale Ost-Erhöhung“ sehen lassen.

Dass als Ergebnis der Tarifeinigung 2009 beim IB e.V. über die weitere Angleichung der Tabellen verhandelt wird, ist dennoch dringend geboten. Denn die Entgelttabelle Ost bleibt mit ihren 89,4 % deutlich hinter anderen Tarifverträgen zurück.

Die Tariflöhne Ost sind inzwischen nach WSI-Zahlen bei einem Durchschnittswert von 95,2 % der Westlöhne angekommen. Das liegt vor allem an den Branchen, die inzwischen identische tarifliche Bestimmungen geschaffen haben.
Beispielhaft sind zu nennen:
  • Stahlindustrie Ost seit dem 01.10.2009,
  • Chemische Industrie ebenfalls seit dem 01.10.2009,
  • Öffentlicher Dienst seit dem 01.01.2010, nachdem in diesem Monat auch die höheren Einkommen gleichgezogen sind, bei den unteren und mittleren Einkommen besteht die Tarifidentität schon seit dem 01.01.2008.

Dass die Effektiveinkommen in Ostdeutschland dennoch deutlich hinter denen im Westen zurückbleiben liegt nicht an den Tarifverträgen. Ursächlich sind vor allem die geringere Tarifbindung der Unternehmen und die Kurzarbeit.

Der IB e.V. hat sich ein Leitbild gegeben. Deses Leitbild soll ein verbindlicher Orientierungs- und Handlungsrahmen sein. Darin stehen unter der Überschrift „Funktion für die Mitarbeiterschaft“ zwei wichtige Aussagen.

Aussage 1:
„Der Umgang miteinander ist von Wertschätzung und gegenseitigem Respekt getragen.“

Wie ich gehört habe, liegen dem Arbeitgeber Unterschriften von über 1.200 Beschäftigten vor. Darin werden die gewerkschaftlichen Forderungen unterstützt. Ich frage die Arbeitgeber:

Wie können Sie das bei den Kolleginnen und Kollegen im Tarifgebiet Ost bestehende Einkommensgefälle mit dem Anspruch auf Wertschätzung und Respekt vereinbaren?

Was sagen Sie den hier stehenden Kolleginnen und Kollegen zu der gefühlten Zweitklassigkeit, zu geringer Lebensqualität als Folge niedrigerer Kaufkraft und zur späteren Schlechterstellung bei der Rente?

Aussage 2:
„Der Erfolg des IB … ist an der Zufriedenheit von … Mitarbeitern messbar.“

Heute ist ein hohes Maß an Unzufriedenheit bei den Kolleginnen und Kollegen an der bestehenden Ungleichbehandlung zu erkennen!

Es ist an der Zeit die noch bestehende Lohnmauer zum Tarifgebiet West hin zu durchbrechen!

Ich wünsche uns gemeinsam und vor allem Euch, den Beschäftigten, viel Erfolg für die Tarifverhandlungen!


Inzwischen liegt auch der Film über die Tarifrunde vor. Er kann auf Youtube abgespielt werden.

Verweise zu diesem Artikel:
Dieser Beitrag wurde zuletzt aktualisiert am 13.02.2010