Förderung der beruflichen Weiterbildung

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Die Bundesagentur für Arbeit setzt auf immer mehr auf Mini-Module bei der Qualifizierung von Erwerbslosen

Beitrag von Hermann Nehls, DGB Bundesvorstand, Bereich Bildung, Qualifizierung, Forschung

Zielsetzung des BA Projektes ist die bundeseinheitliche Entwicklung von Teilqualifikationen. Teilnehmerinnen und Teilnehmer an Weiterbildungsmaßnahmen sollen Qualifikationen erwerben, die für Unternehmen erkennbar praxisrelevant und für den potenziellen Einsatzbereich relevant sind. Die Unternehmen sollen durch eine bundesweit einheitliche Qualifizierungs- und Zertifizierungsstruktur die Kompetenzen und Potentiale der Bewerber besser einschätzen können.

Als Referenzrahmen zur Gestaltung der Teilqualifikationen dienen bestehende Berufsbilder. Als Auswahlkriterium gilt, dass sich die Berufe für die Zielgruppe der Geringqualifizierten eignen. Zusätzlich besteht die Option, in bislang nicht beruflich geordneten Tätigkeitsfeldern Teilqualifikationen zu entwickeln. Deren Umfang soll dem eines zweijährigen Berufes entsprechen. Jede Teilqualifikation bildet tatsächliche Arbeits- und Geschäftsprozesse ab und soll die unmittelbare Arbeitsmarktverwertbarkeit sichern. In der Summe bilden 6-8 Teilqualifikationen einen Beruf oder ein Tätigkeitsfeld ab. Die einzelnen Module sind akkumulierbar und individuell zertifizierbar. Sie sollen auf entsprechende Aus- und Fortbildungsberufe anrechenbar sein. Es soll zu einer Verknüpfung von Berufsordnungsarbeit und betrieblicher Praxis kommen.

Zum Konzept gehört die Entwicklung eines geeigneten Zertifizierungsverfahrens. Das Ziel ist die individuelle Zertifizierung der erworbenen Kompetenzen. Die ausgewählten Berufe sind: Maschinen und Anlagenführer/-in, Verfahrensmechaniker/-in für Kunststoff- und Kautschuktechnik, Berufskraftfahrer/-in, Fachkraft für Schutz und Sicherheit, Servicefachkraft Dialogmarketing und Fachmann/-frau für Systemgastronomie (obwohl sich der DEHOGA dagegen ausgesprochen hat). Es sollen entsprechende Teilqualifikationen entwickelt und geeignete Zertifizierungsverfahren ermittelt werden. Danach sollen in 10 ausgewählten Arbeitsagenturbezirken diese standardisierten Weiterbildungsmaßnahmen erprobt werden.

Die BDA hat vor zwei Jahren - streng auf ihrer Linie der Flexibiliserung - einen Vorschlag zur Modularisierung der Berufsausbildung gemacht. Der BDA Vorschlag war für die Gewerkschaften seinerzeit eine Kampfansage an die Berufsausbildung, die einen qualifizierten Berufsabschluss auf der Basis eines Ausbildungsvertrages über die gesamte Ausbildungszeit und eine Ausbildungsvergütung beinhaltet. Die BDA Ansätze sind - das ist offensichtlich - in das Forschungsprojekt der BA eingeflossen.


Grundsätzlich ist zu dem Vorhaben anzumerken:

Geringqualifizierte sind eine wichtige Zielgruppe, die es zu qualifizieren gilt. Dabei darf nicht nur einseitig der betriebliche Bedarf in den Blick genommen wird. Hier ist es von großer Bedeutung, dass insbesondere auch die langfristigen Berufs- und Entwicklungsmöglichkeiten der Menschen im Fokus der Betrachtungen stehen.

Qualifizierung kann immer vorgenommen werden. Wenn es sich dabei um Berufsausbildung handelt, gibt es dafür aber klare, gesetzlich geregelte und inhaltliche Vorgaben. Die im Projekt zu entwickelnden Teilqualifikationen sind eindeutig unterhalb der Berufsausbildung zu verorten, sie liegen außerhalb der entsprechenden Vorgaben des BBiG und betreffen nicht den Bereich Ausbildung.

Teilqualifikationen mit Berufsausbildung zu vermischen, ist grundsätzlich kritisch zu bewerten. Sie sind kein gleichwertiger Ersatz für eine vollwertige Berufsausbildung. Das Lernen im Prozess der Arbeit kann nicht segmentiert werden: Reflektiertes Lernen im Arbeitsprozess ist ein kontinuierlicher Prozess, den man nicht „häppchenweise" vermitteln kann.

Generell deuten verschiedene Studien darauf hin, dass Tätigkeiten für Geringqualifizierte in Zukunft abnehmen werden. Daher ist auch mit einem zurückgehenden Bedarf an solcherart qualifizierten Arbeitskräften zu rechnen. Stattdessen besteht ein zunehmender Bedarf an Fachkräften mit einer breiten Grundqualifikation: Junge Menschen benötigen in der heutigen technologie- und wissensorientierten Gesellschaft eine breite Grundqualifizierung, die sie u. a. auch zum Weiterlernen (Lernkompetenz) befähigt und ihnen als Sockel für Weiterbildung und lebenslanges Lernen dienen kann. Teilqualifizierungen bringen diese Breite nicht mit und können daher diese Sockelfunktion mit Blick auf lebenslanges Lernen nicht erfüllen.

Es besteht kein Bedarf an einem standardisierten, qualitätsgesicherten und bundeseinheitlichen Zertifizierungsverfahren. Eine Zertifizierung unterhalb des Berufsabschlusses würde die Bestimmungen des Berufsbildungsgesetzes unterlaufen. Dort heißt es (BBiG, §1 Abs.3): „Die Berufsausbildung hat die für die Ausübung einer qualifizierten beruflichen Tätigkeit in einer sich wandelnden Arbeitswelt notwendigen beruflichen Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten (berufliche Handlungskompetenz) in einem geordneten Ausbildungsgang zu vermitteln. Sie hat ferner den Erwerb der erforderlichen Berufserfahrungen zu ermöglichen".

Bedarf besteht für ein standardisiertes, qualitätsgesichertes und bundeseinheitliches Zertifizierungsverfahren auf der Weiterbildungsebene, besonders mit Blick auf die Entwicklungen im Rahmen der Etablierung eines Deutschen Qualifikationsrahmens. Hier gibt es derzeit noch Forschungs- und Entwicklungsbedarf.


Deshalb meine Empfehlung:

Die Eckpunkte des BA Projekts liegen völlig konträr zu den im DGB Positionspapier ‚Modernisierung der Ausbildungsberufe' entwickelten Vorstellungen von moderner Beruflichkeit. Auf der Grundlage des Projektansatzes kann es keinen Konsens mit für Berufsausbildung verantwortlichen Akteuren geben.

DIHK und ZDH haben abgelehnt, im Projektbeirat mitzuarbeiten. Der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften tun gut daran, sich vor dem Hintergrund der Bewertung des Projekts auch nicht am Projektbeirat zu beteiligen.


Quelle: WAP, Homepage der IG Metall

Schlagworte zu diesem Beitrag: Qualifizierung, Öffentliche Beschäftigungspolitik
Dieser Beitrag wurde zuletzt aktualisiert am 09.02.2010