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Es muss sich was ändern!

Bremische Bildungspolitik

Forderungen zu den Wahlen 2011 im Land Bremen

Zum Bereich der Weiterbildung fordert der Fachbereich von der Politik in Bremen:

Weiterbildung im Land Bremen
  • Überarbeitung der von Bremer Weiterbildungsträgern eingesetzten Honorarordnung.

  • Schaffung sozialversicherungspflichtiger Beschäftigungsverhältnisse im Weiterbildungsbereich bzw. Rücknahme des Abbaus sozialversicherungspflichtiger Beschäftigungsverhältnisse im Weiterbildungsbereich.

  • Zahlung eines Mindesthonorars für freiberufliche DozentInnen in Höhe von 40 Euro.

  • Ernsthafte Bestrebungen für freiberufliche DozentInnen einen Tarifvertrag für arbeitnehmerähnliche Personen mit der Gewerkschaft ver.di ab-zuschließen (inkl. Zuschuss zu Sozialversicherungsbeiträgen, Urlaubsanspruch, Urlaubsentgelt)

  • Ein neues Weiterbildungsgesetz, welches Standards und Regelungen für Träger und TeilnehmerInnen formuliert und damit ein akzeptables Qualitätsniveau der einzelnen Weiterbildungskurse gewährleistet wird.

  • Evaluation des neuen Bremischen Bildungsurlaubsgesetzes, in Kraft seit 01.04.2010, und Veröffentlichung

  • Einführung eines allgemeinenverbindlichen Mindestlohnes und Mindestarbeitsbedingungen in der gesamten Branche.

  • Zuschuss für KMU (klein- und mittelgroße Unternehmen) bei Inanspruchnahme von Bildungsurlaub durch ArbeitnehmerInnen.

Die Bremer Honorarordnung (aus 1999 und zuletzt geändert Ende 2009) resultiert aus völlig veralteten Annahmen: Vor über 10 Jahren war es durchaus üblich, dass Frauen und Männer für ihren Berufseinstieg oder „nebenbei“ als DozentInnen an der Bremer VHS oder bei weiteren Bildungsträgern tätig waren. So gab es klischeehaft die „Makramee-Kurse“. Dieses Bild hat sich völlig gewandelt. Immer mehr Menschen erhalten keinen existenzsichernden Arbeitsplatz im Weiterbildungsbereich und arbeiten freiwillig oder unfreiwillig als Solo-Selbständige. DozentInnen versuchen zunehmend, ihre Existenz über Honorartätigkeit aufrecht zu erhalten. An der Bremer VHS sind rund 1.000 DozentInnen tätig. Alleine im Land Bremen gehen wir von über 10.000 DozentInnen aus. Laut Bremer Honorarordnung erhalten DozentInnen bei einer Einzeldozentur seit dem 01.01.2010 19 Euro inkl. Fahrtkosten und MwST, bei Doppeldozenturen 16 Euro. Dieses Stundenhonorar ist als Arbeitgeberbruttolohn gleichzusetzen. Dies bedeutet rd. 22 Prozent Abzug! Berechnen die KollegInnen Vorbereitungszeiten etc. verbleibt häufig nur ein Stundenlohn von 5 Euro! Auch im Hochschulbereich werden DozentInnen oft nach diesem nicht existenzsichernden Honorarsatz vergütet.

Der ver.di Fachbereich Bildung, Wissenschaft und Forschung fordert entweder eine Stundenvergütung von mindestens 40 Euro pro Unterrichtsstunde oder das diese gut ausgebildeten DozentInnen die Möglichkeiten eines existenzsichernden Arbeitsplatzes im Weiterbildungsbereich erhalten. Eine Mindestforderung ist die Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen bei denjenigen, die freiberuflich von ihrer Honorartätigkeit leben wollen. Wer gute Weiterbildung will, muss die Beschäftigten in der Weiterbildungsbranche entsprechend ihrer Tätigkeit und not-wendigen Qualifikation entlohnen. Einschnitte bei Neueinstellungen von 40 bis 50 Prozent unter dem Einkommen vergleichbarer Bereiche wie z.B. LehrerInnen in öffentlichen Schulen oder der Einsatz von freiberuflichen DozentInnen zu nicht existenzsichernden Honoraren sind nicht hinnehmbar.

Ein neues Weiterbildungsgesetz muss Rechtsansprüche von ArbeitnehmerInnen auf Weiterbildung festschreiben. Zur Finanzierung müssen branchenspezifische Weiterbildungsfonds eingerichtet werden. Arbeitslose bekommen das Recht auf berufliche Weiterbildung mit Berufsabschluss; SGB II und III sind entsprechend anzupassen. Die Bundesagentur für Arbeit muss ihre Ausschreibungspraxis für Weiterbildungsmaßnahmen ändern: Vorgegebene Vergabekriterien müssen erarbeitet werden. Notwendig ist ein Qualitäts- statt Dumpingwettbewerb. Ein ganzer Bildungsbereich, der weitgehend dem „freien Markt“ ausgeliefert ist, kann die immer wieder geforderten und postulierten Ziele wie Transparenz und Qualität nicht erfüllen.

Die Laufzeit des Branchentarifvertrages, den die Zweckgemeinschaft des Bildungsverbandes mit der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di und der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft für die berufliche Bildung geschlossen hat, wurde aktuell verlängert. Damit wurde auch arbeitgeberseitig der Willen bekundet, Mindeststandards für diese Branche zu etablieren. Wenn jedoch die Sparschraube in der Weiterbildung weiter angezogen wird, brauchen wir mehr denn je einen allgemeinverbindlichen Mindestlohn. Nur so kann ein weiteres Lohndumping in der Aus- und Weiterbildung verhindert werden.

Die Sparbeschlüsse der Bundesregierung beinhalten massive Einschnitte in der Arbeitsmarktpolitik. Die Bundesagentur für Arbeit soll sparen. Zuschüsse oder Darlehen aus dem Bundeshaushalt zur Finanzierung von Arbeitsmarktprogrammen sollen gestrichen werden. Rechtsansprüche Arbeitssuchender sollen abgebaut und durch „Ermessensleistungen“ ersetzt werden, die je nach Kassenlage vergeben werden. Besonders gefährdet ist in diesem Rahmen erneut die berufliche Aus- und Weiterbildung. Bereits die Hartz-Gesetze haben ab 2005 zu einer massiven Reduzierung der Weiterbildungsmaßnahmen um 2/3 geführt. Der Verlust von mehr als 30.000 Arbeitsplätzen bei Trägern der beruflichen Bildung war die Folge. Es gab in den letzten Jahren zwar eine Stabilisierung auf verbessertem Niveau, dies liegt jedoch noch weit vor Inkrafttreten der Hartz-Gesetze.

Wenn die Weiterbildung vernachlässigt wird, droht ein Fachkräftemangel bei gleichzeitig hoher Arbeitslosigkeit. Anstatt sinnlose Ein-Euro-Jobs zu finanzieren, muss mehr für die Weiterbildung getan werden. Dies gilt vor allem für abschlussbezogene Maßnahmen. Das Verweisen von gering qualifizierten Arbeitslosen vor allem auf Niedriglohn-Jobs ist ein Irrweg. Der gesamte Weiterbildungsbereich bedarf einer ausreichenden und gesicherten öffentlichen Finanzierung.

Seit 2009 gibt es eine überarbeitete Version des Bremischen Bildungsurlaubsgesetzes. Bis dahin gab es für ArbeitnehmerInnen im Lande Bremen die Möglichkeit, zwei Wochen Bildungsurlaub innerhalb von zwei Jahren zu nehmen und diesen auch übertragen zu lassen. Das Minimum war das Fünf-Tages-Seminar, also eine Woche. Mit der Novellierung ist es nun möglich, bereits einen Tag Bildungsurlaub anzubieten. Die Übertragungsmöglichkeiten wurden eingeschränkt. Des Weiteren wurden private Anbieter zugelassen, wobei eine Clearingstelle einzuschalten ist.

Der ver.di Fachbereich Bildung, Wissenschaft und Forschung hatte sich gegen diese Änderungen ausgesprochen. Zwar wurde die Problematik erkannt, dass immer weniger ArbeitnehmerInnen Bildungsurlaub in Anspruch nehmen, sei es aufgrund der Arbeitsdichte oder Angst um den Arbeitsplatz oder weil eine Woche Abwesenheit zu viel sei. Wir bezweifeln jedoch, dass ArbeitnehmerInnen durch diese Zerstückelung verstärkt an politischen Bildungsmaßnahmen teilnehmen. Im Gegenteil: Wir befürchten, dass der Druck auf ArbeitnehmerInnen zunimmt. Dies unterstützt nicht eine Bildung zum/zur mündigen und aktiven BürgerIn in einem demokratischen Gemeinwesen. Gerade die desolate Beteiligung von BürgerInnen an der letzten Bundestagswahl hat die Bedeutung dieses Bildungsprozesses deutlich gemacht. Wir befürchten, dass sich Mehrtages-Seminare aufgrund der Nachfrage immer mehr zu Ein-Tages-Seminaren entwickeln, also politische Bildung „light“. Eintägige Bildungsurlaube und Anerkennung privater Träger bergen die Gefahr, dass der Bildungsurlaub auf betriebliche Qualifizierung verkürzt wird. Die Qualität der Arbeit ist in Gefahr.

Statt der Zerstücklung sind vielmehr alle gesellschaftlichen Gruppen gefordert, auf die Teilnahme an Bildungsurlauben zu fördern: Für die Schaffung politischer Rahmenbedingungen und ein Klima, welches ArbeitnehmerInnen motiviert an Seminaren teilzunehmen und nicht die Angst vor einer Kündigung die Teilnahme verhindert. ArbeitnehmerInnen haben gemeinsam mit Gewerkschaften für die Fünf-Tages-Bildungsurlaube gekämpft. Die Einschränkung durch eine rot-grüne Regierung in Bremen wird sehr kritisch zur Kenntnis genommen. Die Zulassung privater Anbieter mit dem primären Ziel, Gewinne zu erwirtschaften, wird trotz Einrichtung einer Clearingstelle weiter abgelehnt. Der ver.di Fachbereich befürchtet, dass sich der Druck auf die Arbeitsplätze und Arbeitsbedingungen der im Weiterbildungsbereich beschäftigten ArbeitnehmerInnen und „Solo-Selbständigen“ verstärkt und sich die Prekarisierung der in diesem Bereich tätigen DozentInnen fortsetzt.


Quelle: Broschüre des Fachbereichs Bildung, Wissenschaft und Forschung in ver.di Bezirk Bremen-Nordniedersachsen zur Wahl im Land Bremen 2011


Sie können die vollständige Broschüre hier als pdf-Datei herunterladen.


Verweise zu diesem Artikel:
Schlagworte zu diesem Beitrag: Lebenslanges Lernen
Dieser Beitrag wurde zuletzt aktualisiert am 17.12.2010

Quelle: www.netzwerk-weiterbildung.info
Druckdatum: 28.03.2024