Nachrichten-Archiv

Zurück zur Übersicht

SGB II und III geförderte Weiterbildung in Nordrhein-Westfalen

Humboldt trifft Vergabegeschehen

Steuerungsinstrumente, Zahlen aber auch Menschen standen am 03. Februar 2011 im Fokus einer spannenden ver.di-Veranstaltung in Düsseldorf. Als sachkundiger Gesprächspartner stand der Leiter des Regionalen Einkaufszentrums NRW der Bundesagentur für Arbeit (REZ), Matthias Elvenkemper, den Mitgliedern des Betriebsrätenetzwerks Weiterbildung zur Verfügung.

Öffentliche Auftraggeber sind gesetzlich verpflichtet, Aufträge zur Deckung ihres Bedarfs an Gütern, Arbeitsmarktdienstleistungen und zur Durchführung ihrer Baumaßnahmen grundsätzlich im Rahmen von Ausschreibungen zu vergeben. Steuer- und Beitragsmittel sollen nach transparenten und wirtschaftlich nachvollziehbaren Kriterien vergeben werden. BA und ARGEN engagieren sich, um durch individuelle Hilfen Türen in den Arbeitsmarkt zu öffnen.

Das REZ NRW hat 2010 1.695 Lose für Arbeitsmarktdienstleistungen an über 200 verschiedene Auftragnehmer mit einer großen Spreizung der Preise vergeben. Die dafür aufgewandten Mittel waren niedriger als 2009 (insb., weil im Vorjahr eine große Zahl BvB-Maßnahmen mit 2 Jahren Laufzeit vergeben worden war und der Trend zu länger laufenden Rahmenverträge auch im Segment Erwachsenenmaßnahmen anhält), aber höher als vor der Wirtschaftskrise. Etwa 10 % der Angebote mussten wegen formellen Fehlern ausgeschlossen werden, fast 20 % scheiterten an der fachlichen Wertung. Nur in 30 % erfolgte der Zuschlag an das preislich günstigste Angebot. In 70 % der Vergaben führte die Gewichtung von Qualität und Preis nach der erweiterten Richtwertmethode dazu, dass nicht die preislich günstigsten Angebote die wirtschaftlichsten waren sondern sich höherpreisige Anbieter durchsetzen konnten.

Mit Blick auf die vielen 2011 zu vergebenden Berufsvorbereitungsmaßnahmen appellierte Herr Elvenkemper: „Ein Angebot ist das Bewerbungsschreiben des Bildungsunternehmens. Entsprechend hochwertig sollte es sein, damit die Qualität auch erkennbar wird.“ Nach seiner Einschätzung gewinnt die Qualitätssicherung weiter an Bedeutung, auch für den Bildungsteil der Grundsicherung.

„Arbeitsmarktdienstleistungen werden weiterhin mit erheblichen öffentlichen Mitteln gefördert. Längere Laufzeiten von Rahmenverträgen und das Ziehen von Optionen kommen den flexiblen Bildungsunternehmen entgegen.“

Mitglieder des Betriebsrätenetzwerks Weiterbildung berichteten auf der Veranstaltung, dass ihr Arbeitsalltag von höchstmöglicher Vielfalt und Flexibilität geprägt ist. In den Unternehmen herrscht ein enormer Druck auf die Beschäftigten, damit die geforderte Qualität sichergestellt, mögliche Optionen gezogen und die Basis für künftige Aufträge geschaffen wird.

„Destrukturierte Maßnahmen ohne Gruppenkontinuität und mit sehr unterschiedlichen Teilnehmenden“, so ein Betriebsrat „sind betreuungsintensiver als die früheren Bildungsangebote. Uns fehlt vielfach die Zeit, auch wegen der gestiegenen Aufgaben in der Dokumentation, Vermittlung und im Fallmanagement“. Beschäftigte fühlen sich fremdbestimmt, können sich vielfach nicht ausreichend vorbereiten und würden sich lieber intensiver um jeden Einzelnen kümmern.

„Meine Kolleginnengen und Kollegen leisten pädagogische Arbeit, die vom gegenseitigen Vertrauen lebt. Neben dem Aufwand für Dokumentation und Teilnehmendenbefragungen stört uns das darin zum Ausdruck kommende Misstrauen“ berichtete eine Betriebsrätin. Viele Beschäftigte sind mit ihren prekären Arbeitsbedingungen bei gleichzeitig höchster Arbeitsbelastung unzufrieden „und das liegt auch am Vergabeverfahren und dem zugrundeliegenden Qualitätsbegriff.“

Unter großem Beifall führte ein Kollege aus: „Wir leisten unseren Bildungsauftrag im Sinne von Wilhelm von Humboldt: Uns geht es um den aufgeklärten Menschen die Vervollkommnung der Persönlichkeit und seine Teilhabe. In der Verfolgung des Bildungsideals „Sich-Bildender-Menschen“ fühlen wir uns dabei immer stärker von Marktprozessen instrumentalisiert.“

ver.di kündigte auf der Veranstaltung an, dass zeitnah eine Konkretisierung der Beschäftigtenanliegen – vor allem zu Dokumentation und zu Teilnehmendenbefragungen - erfolgen wird.


Quelle: ver.di - Landesbezirks NRW, Ressort Fachbereich Bildung, Wissenschaft und Forschung, 7. Februar 2011


Verweise zu diesem Artikel:
Schlagworte zu diesem Beitrag: Öffentliche Beschäftigungspolitik, Berufliche Weiterbildung, Ausbildung
Dieser Beitrag wurde zuletzt aktualisiert am 12.02.2011