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Arbeitsmarktpolitik rutscht in eine neue Krise

Nur hin und wieder finden sich in der Presse einzelne Informationen zu anstehenden Veränderungen in der Arbeitsmarktpolitik - hier eine Kürzung, dort die Neuordnung der Instrumente. Doch alles zusammen ergibt ein neues Krisenszenario, das an die Jahre 2003 bis 2006 erinnert.

Statistisch sinkt die Zahl der Arbeitslosen und die der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse steigt. Leider ist dieses positiv gezeichnete Bild nicht tragfähig. Was nämlich vor allem zunimmt ist die prekäre Beschäftigung wie (Zwangs-)Teilzeit und Minijobs. Das heutige Arbeitsvolumen entspricht in etwa dem vor der Finanz- und Wirtschaftskrise – verteilt auf mehr Menschen. Selbst die Bundesagentur für Arbeit gibt mittlerweile in jeder Monatsstatistik einen Wert für Unterbeschäftigung an und weiß, dass die offizielle Zahl der Arbeitslosen nicht besonders viel aussagt.

Die dramatische Entwicklung vollzieht sich in drei sich gegenseitig verstärkenden Schritten:
  • Im Juni 2010 verkündete die Bundesregierung Sparmaßnahmen: Der Haushaltstopf für Hartz-IV-Empfänger wurde für die Jahre 2011 bis 2014 um über 8 Milliarden Euro gekürzt.

  • Im Frühjahr 2011 kam der mühsame Kompromiss zu Hartz IV zu Stande. Neben der skandalösen Erhöhung des Hartz-IV-Regelsatzes um nur fünf Euro wurde das „Bildungspaket“ verabschiedet. Die dafür benötigten 4 Milliarden Euro werden dem Haushalt der Arbeitslosenversicherung durch eine Finanzrochade de facto entzogen.

  • Die Bundesregierung hat eine so genannte Instrumentenreform vorgelegt. Zwar liegen die konkreten Ausführungsbestimmungen noch nicht vor und einzelne Regelungen mögen so gar akzeptabel sein. Doch insgesamt geht es darum, Pflichtleistungen zu streichen und Standardisierungen durchzusetzen. Die Leid tragen den sind vor allem Langzeitarbeitslose und Hartz-IV-Empfänger.

Von den massiven Kürzungen der aktiven Arbeitsmarktpolitik betroffen sind neben den Arbeitslosen auch die Beschäftigten bei den Bildungsträgern. Absehbar ist eine Verschärfung der Lage auf dem eh schon ruppigen Markt für Arbeitsmarktdienstleistungen. Bereits jetzt zeichnet sich ein deutlicher Stellenabbau ab, der aufgrund der extrem hohen Befristungsquote in der Branche zunächst noch still und leise durch einfaches Auslaufen der Verträge von statten gehen wird. Auch Insolvenzen sind zu erwarten.

Dabei existiert im Prinzip ein gutes Instrument, um den Druck auf die ohnehin schon stark gedrückten Gehälter zu reduzieren: ein allgemeinverbindlicher Mindestlohntarifvertrag. Der liegt auch schon vor und die Branche Weiterbildung ist in das Entsendegesetz aufgenommen worden. Allein – es fehlt der politische Wille. Dabei wurde dieser Tarifvertrag im Rahmen des Hartz IV Kompromisses im vergangenen Frühjahr mit verhandelt – doch herausgekommen ist nur eine „wohlwollende Prüfung.“

Für ver.di steht viel auf dem Spiel:
  • Es gilt, endlich den allgemeinverbindlichen Mindestlohntarifvertrag durchzusetzen.

  • Die Kürzungen müssen zurückgenommen werden. Die aktive Arbeitsmarktpolitik muss ausreichend, dauerhaft und verlässlich finanziert werden.

  • Sinnvolle Maßnahmen der Arbeitsmarktpolitik müssen allen Erwerbslosen als Pflichtleistung zustehen.

Gelingt das nicht, wird ein weiteres Stück Sozialstaat endgültig zerbrechen – von den Perspektiven der betroffenen Menschen ganz zu schweigen.


Von Roland Kohsiek


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Schlagworte zu diesem Beitrag: Öffentliche Beschäftigungspolitik, Mindestlohn
Dieser Beitrag wurde zuletzt aktualisiert am 14.07.2011