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DQR: Kultusminister wollen nun doch Abitur und Ausbildungsberufe auf eine Niveaustufe setzen

Klaus Heimann Es ist ruhig geworden um den Deutschen Qualifikationsrahmen. Wird daran nicht mehr gearbeitet?

Doch die Arbeiten gehen weiter: Der Arbeitskreis DQR hat auch während der Sommerpause getagt, vorbereitet wird derzeit ein Spitzengespräch auf höchster Ebene und auch das Thema nicht-formal und informell erworbene Kompetenzen ist vorangetrieben worden. Und nur zur Erinnerung: Bereits im März 2011 wurden die Arbeiten an der DQR-Matrix, den Definitionen und den entsprechenden Erläuterungen im Konsens abgeschlossen. Insoweit gibt es den DQR bereits.

Klaus Heimann Spitzengespräch – das heißt doch, es gibt Probleme?

Ja, das stimmt. Im Arbeitskreis DQR gab es keine Einigung darüber, auf welcher Niveaustufe das Abitur platziert werden soll. Hinter dieser eher technischen Debatte um die Niveaustufen-Zuordnung steckt die Frage der Wertigkeit von Bildungswegen. Das deutsche Abitur mit der Berufsausbildung gleichzusetzen – das ist für viele Verfechter der gymnasialen Bildungswelt schwer verdaulich.

Die Vertreter der Schulseite in der Kultusminister-Konferenz, wollten unbedingt die allgemeine Hochschulreife auf das Niveau fünf setzen und das Fachabitur auf die Niveaustufe vier. Die Vertreter der beruflichen Bildung (Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften) forderten stattdessen beide Abiturvarianten zusammen mit den drei, dreieinhalbjährigen Berufen auf der Niveaustufe vier zu verankern. Dieser Dissens muss noch aufgelöst werden, dazu soll das Spitzengespräch im Oktober dienen.

Klaus Heimann Es hat ja bereits ein vorbereitendes Gespräch dazu gegeben, was kam denn dabei heraus?

Ja, auch das stimmt. Das war ganz interessant: Es zeigte sich, dass die Position der Sozialparteien und Wirtschaftsverbände auch von der Bundesregierung geteilt wird. Bildungsminister und Wirtschaftsminister wollen das Abitur und die Berufsbildung auf die Niveaustufe vier setzen. Das war in dieser Eindeutigkeit bislang so klar nicht. Die Verfechter der Gleichwertigkeit haben damit einen wichtigen Punkt gemacht.

Klaus Heimann Also: Die KMK-Position wackelt?

Insbesondere auch deshalb, weil es in diesem Zusammenhang noch eine neue Entscheidung gibt. Die Wirtschaftsminister der Ländern weisen einmütig daraufhin, dass es (1) nach den Beschreibungen der Qualifikationsniveaus keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür gibt, die allgemeine Hochschulreife einem höheren Qualifikationsniveau zuzuordnen als die Fachhochschulreife und die fachgebundene Hochschulreife. Und dann heißt es (2) weiter - und das ist eine faustdicke Überraschung: Die drei- und dreieinhalbjährigen Ausbildungsberufe sind nach dem Berufsbildungsgesetz und der Handwerksordnung im Vergleich zur Allgemeinen Hochschulreife gleichwertig einzuordnen. Die Wirtschaftsministerkonferenz spricht sich deshalb für eine einheitliche Zuordnung zum Niveau 4 aus. Mit dieser Entscheidung stellen sich die Länder-Wirtschaftsminister klar gegen ihre Kultusminister.

Klaus Heimann Damit ist die KMK doch mit ihrer Position völlig isoliert?

Wir müssen jetzt genau überlegen, welche Brücke wir der KMK bauen. Es darf beim DQR keine Verlierer und Gewinner geben. Das Thema ist zu schwierig, es ist gut wenn alle mitgenommen werden. Dennoch: Von der Gleichwertigkeit zwischen schulischer, hochschulischer Bildung einerseits und der beruflichen Bildung andererseits gibt es kein abrücken mehr. Die Sonntagsreden haben jetzt eine reale Struktur und das ist wichtig.

Klaus Heimann Also kommt der DQR in 2012?

Ja, davon gehe ich aus. Wir reden ja schon davon, mit welchen Gremien der DQR auch in der Zukunft, also ab 2012 begleiten wird. Da wird es eine neue Kooperations-Struktur zwischen Bund und Ländern geben, einen neuen Akzent in Sachen gemeinsamer Bildungspolitik. Ich werbe dafür, dass auch die Sozialparteien in die neue Gremien-Struktur einbezogen werden.

Vergessen wir nicht: Die deutsche Bildungspolitik steckt in einer tiefen Legitimationskrise. Die Bürger sind die Streitereien zwischen Bund und Ländern in Sachen Bildung leid. Sie wollen ein besseres Bildungssystem und keine Kompetenzquerelen. Der DQR beinhaltet die Chance, die Bildung in Deutschland auf eine neue Basis zu stellen. Die Sozialparteien mit den Akteuren von Bund und Ländern zusammen - das kann am Ende ein Neuanfang in der Bildung bedeuten. Ich vermute allerdings, dass solch weitgehende Veränderungen die zentralen Akteure insbesondere in den Ländern nicht wollen.


Quelle: WAP Homepage der IG Metall


Schlagworte zu diesem Beitrag: Lebenslanges Lernen, Deutscher Qualifikationsrahmen
Dieser Beitrag wurde zuletzt aktualisiert am 08.09.2011