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.info netzwerk-weiterbildung 06/11

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Liebe Kolleginnen und liebe Kollegen,

seit Monaten geistert eine Hiobsbotschaft durch die Medien. Ein drohender Fachkraeftemangel koennte alle wirtschaftspolitischen Erfolge im Kampf gegen Ratingagenturen und Boersenspekulanten zunichtemachen. Die Bluete der wirtschaftlichen Prosperitaet ende aufgrund fehlender Arbeitskraefte, die den wirtschaftlichen Aufschwung durch ihrer Kopf und Haende Arbeit schaffen muessen. Ploetzlich sind es Menschen, jetzt Fachkraefte genannt, die den wirtschaftlichen Wohlstand sichern und nicht Mikroprozessoren. Marx ist tot. Aber die Lehre vom Wohlstand der Nationen, den schon Adam Smith bei der Arbeit verortet hat und den Marx in seiner Arbeitswertlehre abschloss, feiert froehlich ihre Auferstehung.

Marx stellt fest, dass nur die Arbeitskraft vermehrt Werte schafft, die ueber entsprechende Ausbildung verfuegt. "Je weniger Bildungszeit eine Arbeit (...) erfordert, desto geringer sind die Produktionskosten des Arbeiters, um so niedriger ist der Preis seiner Arbeit, sein Arbeitslohn." Das schrieb Marx 1849 in "Lohnarbeit und Kapital". Einfache Arbeit ohne Ausbildung wird in Deutschland kaum noch nachgefragt. Fachkraefte hingegen fallen nicht vom Himmel, sie muessen durch Ausbildung und Weiterbildung erst "geschaffen" werden.

Was nun tut die Bundesregierung, um vermehrt Fachkraefte auszubilden und damit den Wohlstand der Nation zu foerdern? Da ergibt sich kein klares Bild. Meint sie es wirklich ernst, wenn sie von der Foerderung der Bildung und Weiterbildung spricht?

Auf der einen Seite hat sie 2008 die Bildungspraemie eingefuehrt und vor kurzem verlaengert. "Die Nachfrage nach der Bildungspraemie ist in den vergangenen Monaten stark gestiegen. Sie hat sich teilweise von Monat zu Monat verdoppelt. So konnten seit Programmbeginn ueber 150.000 Praemiengutscheine ausgegeben werden. 74 Prozent der Beguenstigten sind Frauen, 89 Prozent Beschaeftigte in Kleinen und Mittleren Unternehmen, 15 Prozent haben einen Migrationshintergrund." So das Bundesbildungsministerium in einer Presseerklaerung im November 2011.

Auf der anderen Seite kuerzt sie die Mittel fuer die Weiterbildung gerade bei denen, die sie besonders benoetigen, den Beziehern von Arbeitslosengeld II. So ist die Zahl der Erwerbslosen im Bereich des SGB II von Oktober 2010 zu Oktober 2011 gerade einmal um 3,7 Prozent gesunken. Die Zahl der Teilnehmer/innen an Massnahmen im Bereich der Foerderung der beruflichen Weiterbildung ging von 84.098 im Juli 2010 um 22,5 Prozent auf nur noch 65.156 im Juli 2011 zurueck. Die Ausgaben gingen von 67,9 Millionen Euro (Juli 2010) auf 51,3 Millionen Euro (Juli 2011) zurueck, ein Minus von 24,3 Prozent. Knapp 2 Millionen Erwerbslosen im Bereich des SGB II stehen durchschnittlich 65.000 Teilnehmer/innen im Bereich der Foerderung der beruflichen Weiterbildung gegenueber.

Wollte die Bundesregierung den Fachkraeftemangel bekaempfen, dann muesste sie nicht weniger sondern mehr Geld in die Foerderung der beruflichen Weiterbildung investieren. Es koennte sich aber auch herausstellen, dass der Fachkraeftemangel nichts weiter ist als eine "statistische Taeuschung". "Ein Phantom der Unternehmer", wie Prof. Gerd Bosbach im einblick 19/2011 die Debatte beschreibt. Einzig angezettelt zu dem Zweck, teure inlaendische Arbeitskraefte durch billigere auslaendische Arbeitskraefte zu ersetzen. Womit wir wieder bei Marx waeren. "Der Wert der Arbeitskraft bestimmt (sich) durch den Wert der Lebensmittel, die zur Produktion, Entwicklung Erhaltung und Verewigung der Arbeitskraft erheischt sind." (Lohn, Preis und Profit 1865) Demnach wuerde die Foerderung der beruflichen Weiterbildung von Beziehern von ALG II nur Kosten verursachen und zudem deren Arbeitskraft verteuern. Das wollen weder die Bundesregierung noch die Wirtschaft. Insofern ist die scheinbar widerspruechliche Haltung der Bundesregierung (gleichzeitig mehr Fachkraefte zu fordern und bei der Weiterbildung zu kuerzen) ganz im Sinne der Marx'schen Analyse. Billige Bildung und Weiterbildung schafft eben billige Arbeitskraft.

Hoffen wir fuer die Weiterbildung und auskoemmliche Loehne fuer die dort Beschaeftigten, dass Marx nicht recht behaelt. Uebrigens: Kurz vor Weihnachten entscheidet der Tarifausschuss ueber den Mindestlohn in der Weiterbildung. Hoffentlich gibt es danach ein frohes Fest fuer die Beschaeftigten, zu wuenschen ist es ihnen.


Weitere Inhalte:

1. Foerderinstrumente fuer Erwerbstaetige in Bund und Laendern
2. Chancen und Probleme der tarifpolitischen Gestaltung betrieblicher Weiterbildung
3. Gleichwertigkeit beruflicher und akademischer Bildung im Deutschen Qualifikationsrahmen
4. Impressum
5. .info Netzwerk-Weiterbildung abonnieren und kuendigen


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1. Foerderinstrumente fuer Erwerbstaetige in Bund und Laendern
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Seit Dezember 2008 gibt es die Bildungspraemie. Die erste Foerderperiode laeuft im November 2011 aus. Die Bewilligung der Praemie ist an eine Bildungsberatung gebunden, die vor der beruflichen Weiterbildung erfolgen muss. Inzwischen gibt es bundesweit 550 Beratungsstellen mit 1.200 Beraterinnen und Beratern, die die Gutscheine ausstellen koennen.

Das Bundesbildungsministerium hat jetzt eine Broschuere fuer die Beratungsstellen erstellt, in denen die wichtigsten Informationen zur Vergabe der Bildungspraemie enthalten sind. Ausserdem werden weitere Foerderinstrumente der Bundeslaender zur beruflichen Weiterbildung dargestellt.

Weitere Hinweise zur Broschuere finden sie auf der Seite Tipps/Dies und das . Dort koennen Sie die Broschuere auch als pdf-Datei herunterladen.


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2. Chancen und Probleme der tarifpolitischen Gestaltung betrieblicher Weiterbildung
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Berufliche Qualifizierung wurde in den letzten Jahren ein wichtiges Thema in der Tarifpolitik der Gewerkschaften. Reinhard Bahnmueller und Markus Hoppe haben in der aktuellen Ausgabe von Denk-doch-mal untersucht, warum sich die Gewerkschaften vermehrt des Themas der beruflichen Weiterbildung annehmen. Besonders der schnelle wirtschaftliche Wandel zwingt die Beschaeftigten, ihre Beschaeftigungsfaehigkeit durch regelmaessige berufliche Weiterbildungsanstrengungen zu sichern.

Eine berufliche Erstausbildung ist wichtig fuer den Einstieg in eine gesicherte Beschaeftigung. Fuer einen dauerhaften Erhalt der Beschaeftigung reiht das aber nicht mehr aus. Da liegt es nahe, dass sich die Gewerkschaften vermehrt des Themas Weiterbildung annehmen. Denn die betriebliche berufliche Weiterbildung entzieht sich weitgehend dem Einfluss von Gewerkschaften und betrieblichen Interessensvertretungen.

Weitere Informationen zum Artikel und einen Link zum kompletten Artikel finden sie auf der Seite zur Beruflichen Weiterbildung .


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3. Gleichwertigkeit beruflicher und akademischer Bildung im Deutschen Qualifikationsrahmen
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Der Streit um die Zuordnung von beruflichen Bildungsabschluessen und der allgemeinen Hochschulreife in den Stufen des Deutschen Qualifikationsrahmen (DQR) haelt weiter an. Waehrend die Kultusministerkonferenz (KMK) das Abitur auf der Stufe 5 ansiedeln und die beruflichen Bildungsabschluesse auf die Stufen 3 - 5 verteilen moechte, bestehen Gewerkschaften, Arbeitgeberverbaende und die Bundesregierung darauf, berufliche und allgemeine Bildungsabschluesse gleich zu behandeln.

In einer Antwort auf eine Kleine Anfrage DER LINKEN hat die Bundesregierung unmissverstaendlich klargestellt, dass sie die Auffassung der Kultusminister bezueglich der Zuordnung der beruflichen Bildungsabschluesse nicht teilt. Im Zuge der beruflichen Weiterbildung erworbene Bildungsabschluesse sollen nach ihrer Meinung oberhalb des Abiturs eingestuft werden. "Die Zuordnung der beruflichen Fort- bzw. Weiterbildungsabschluesse "Meister" und "Techniker" erfolgt ebenso wie die Zuordnung der Bachelorabschluesse auf Niveau 6 des DQR anhand der fachlichen Definitionen des Niveaus 6 ("Deskriptoren") der DQR-Matrix", so die Bundesregierung in ihrer Antwort.

Die wichtigsten Antworten der Bundesregierung auf die Anfrage finden Sie auf der Seite zum Lebenslangen Lernen.


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4. Impressum
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Herausgeber
Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft Landesbezirk Niedersachsen Bremen
Brigitte Schuett
Landesfachbereichsleiterin Bildung Wissenschaft Forschung
Goseriede 10
30159 Hannover

Redaktion: Peter Schulz-Oberschelp
mail to: mailto:mail@netzwerk-weiterbildung.info


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5. .info netzwerk-weiterbildung abonnieren und kuendigen
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Das .info netzwerk-weiterbildung ist ein kostenloser Service fuer die Beschaeftigten in der Fort- und Weiterbildungsbranche. Wenn sie in den Verteiler aufgenommen werden wollen oder wenn sie in Zukunft dieses Info nicht mehr zugeschickt bekommen wollen gehen sie bitte auf die Internet-Seite oder schicken sie eine e-mail an mailto:info@netzwerk-weiterbildung.info

Dieser Beitrag wurde zuletzt aktualisiert am 13.12.2011