Der Kommentar

Zurück zur Übersicht

Schwarzbuch 2 . Arbeit in Integrationskursen

DozentInnen in Integrationskurse wehren sich gegen miserable Bezahlung

Die Broschüre gibt ein guten Überblick über die Lage der DozentInnen in Integrationskursen. Mehr als dürftige Honorare von im Durchschnitt 18 Euro die Unterrichtsstunde reichen zum Leben nicht aus und ermöglichen keine wirkliche Vorsorge für das Alter. Die Aktionen von Betroffenen werden gut beschrieben. Auch die Versuche, über politische Initiativen zumindest die Oppositionsparteien im Bundestag für die berechtigten Belange der DozentInnen zu gewinnen, fehlen in der Situationsbeschreibung nicht. Kurz um: Die Broschüre gibt den gegenwärtig Stand der Auseinandersetzung um eine ausreichende Bezahlung von DozentInnen in Integrationskursen zutreffend wider.

Bleibt die Frage, wie es weitergehen soll. Vor allem aber fehlt eine Antwort auf die Frage, wie eine gewerkschaftliche Strategie zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen von Honorarkräften in Integrationskursen entwickelt werden kann. Denn die Lage ist schwierig. Die Betroffenen sind über das ganze Land zerstreut, beschäftigt bei fast 2.000 Bildungsträgern. Das geht von Dumpinganbietern über staatliche Träger wie die Volkshochschulen bis hin zum Goethe-Institut. Es gibt keinen Arbeitgeberverband, den die Gewerkschaft als Verhandlungspartner hat. Es gibt Initiativen von Betroffenen, die räumlich zersplittert und oft zeitlich begrenzt sind.

Bleibt da wirklich nur der Ruf nach dem moralischen Einsehen der politisch Verantwortlichen? Ein wenig klingt es so an im Vorwort von Stephanie Odenwald vom GEW-Hauptvorstand, wenn sie schreibt: „Wann endlich werden diejenigen, die für Integration arbeiten, nicht mehr durch ihre Arbeitsbedingungen in das soziale Abseits gedrängt? Eine konkrete materielle Würdigung ihrer Arbeit steht noch immer aus.“

In ihren GEW-Forderungen fordert sie, die „skandalöse Diskriminierung endlich zu beenden“, die DozentInnen in Integrationskursen erfahren müssten. Unter Diskriminierung wird hier verstanden, dass DozentInnen in Integrationskursen gleichzusetzen sind mit LehrerInnen im Schuldienst. Der Anspruch ist verständlich. Um in Integrationskursen unterrichten zu dürfen, ist üblicherweise ein Abschluss im Bereich Lehramt notwendig. Aus dieser Situation leitet sich logisch die Hauptforderung ab: Festanstellung und „Bezahlung der Lehrkräfte wie im Öffentlichen Dienst und Ankoppelung an dessen Tarifentwicklung“.

Das ist eine rein politische Forderung. Sie ist mit gewerkschaftlichen Mitteln nicht durchsetzbar. Gewerkschaft kann diese Forderung, die von vielen DozentInnen inzwischen aufgestellt wird, lediglich unterstützen. Ersatzweise wird ein Mindesthonorar von 30 Euro/Unterrichtsstunde gefordert.

Doch wer ist nun wiederum der Adressat dieser Forderung. Die Politik hat sich über das System „Staat – Bildungsträger – DozentIn“ erst einmal vom Acker gemacht. Honorare sind Sache von Bildungsträgern und DozentInnen. Ein Staat, der keine Festanstellung will, will auch keine Honorarfestlegung per Gesetz. Bleibt der Bildungsträger, dem durchaus mit gewerkschaftlichen Mitteln begegnet werden kann. Dann wären wir bei Tarifverhandlungen für „arbeitnehmerähnliche Beschäftigte“ nach dem Tarifvertragsgesetz. In Berlin wird dieser Weg an der VHS und den Musikschulen inzwischen versucht. Beschrieben wird der Weg in der Broschüre; wird er wirklich auch gewollt?

Moralische Empörung und kollektive Bettelei liegen häufig nah beieinander. Für eine gewerkschaftliche Strategie zur Verbesserung der Lebensbedingungen von Beschäftigten, ob Honorar oder Festangestellt, reiht das nicht. „Sicher ist es der Wille des Kapitalisten, zu nehmen, was zu nehmen ist. Uns kommt es darauf an, nicht über seinen Willen zu fabeln, sondern seine Macht zu untersuchen, die Schranken dieser Macht und den Charakter dieser Schranken.“ (Karl Marx in Lohn, Preis und Profit).

„Allein machen sie dich ein“, das ist eine uralte Erfahrung der Gewerkschaftsbewegung. Darum wünscht sich die GEW: „Kräfte zu bündeln – das macht die Zusammenarbeit mit Initiativen und anderen Gewerkschaften wie ver.di erforderlich.“ Das sollten wir tun. Und gemeinsam eine gewerkschaftliche Strategie zur Bekämpfung der skandalösen Zustände im Bereich der Integrationskurse entwickeln.


Peter Schulz-Oberschelp
St. Vorsitzender der Selbstständigen in ver.di


Sie können das Schwarzbuch hier als pdf-Datei herunterladen.

Schlagworte zu diesem Beitrag: Honorar, Freiberufler/Selbstständige, Integrationskurse
Dieser Beitrag wurde zuletzt aktualisiert am 23.10.2012