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Berufliche Weiterbildung für Arbeitslose stärker fördern

Die Arbeitslosigkeit ist in den vergangenen Jahren zurückgegangen – allerdings haben Hartz-IV-Arbeitslose von dieser Entwicklung deutlich weniger profitiert. Im Land Bremen sind 30.000 Menschen arbeitslos gemeldet und erhalten Arbeitslosengeld II. Etwa zwei Drittel verfügen über keine anerkannte Berufsausbildung. Und jeder zweite Arbeitslose im Hartz-IV-System ist langzeitarbeitslos. Die Chancen auf einen Job haben sich inzwischen wieder verschlechtert: Bundesweit gelang monatlich im Jahr 2012 nur 3,2 Prozent der Arbeitslosen im Hartz-IV-System der Sprung in eine Beschäftigung. „Damit kommt es zu einer weiteren Verfestigung der Langzeitarbeitslosigkeit. Es drohen diejenigen zurückzubleiben, die auf umfassende Qualifizierung angewiesen sind“, mahnt Ingo Schierenbeck, Hauptgeschäftsführer der Arbeitnehmerkammer. Eine neue Studie der Arbeitnehmerkammer unter dem Titel „Qualifizieren statt aktivieren“ rückt deshalb die Frage der Qualifizierung von Arbeitslosen in den Mittelpunkt. Sie macht deutlich, dass vor allem abschlussbezogene Weiterbildungen nötig sind, damit Erwerbslose eine reale Chance auf Beschäftigung erhalten.


Hohes Arbeitslosigkeitsrisiko für Menschen ohne Berufsausbildung

Besonders betroffen von Arbeitslosigkeit sind Menschen ohne anerkannte Berufsausbildung. Sie werden auf dem deutschen Arbeitsmarkt zunehmend abgedrängt, weil Arbeitsplätze verloren gehen, die keine formale Berufsausbildung erfordern. Zudem bevorzugen Arbeitgeber auch für einfache Tätigkeiten oft Beschäftigte mit Berufsabschluss. So liegt die Arbeitslosenquote von Menschen ohne Berufsausbildung bei 19,6 Prozent und ist damit knapp viermal höher als bei denjenigen, die eine abgeschlossene Lehre oder einen Fachschulabschluss vorweisen können (s. Grafik S. 4 im pdf-Anhang). Im Vergleich zu Hochschul- oder Fachhochschulabsolventen ist die Arbeitslosenquote gar achtmal höher.

Und selbst wenn der Sprung aus Arbeitslosigkeit in Beschäftigung gelingt, ist diese oft prekär, niedrig entlohnt und wenig nachhaltig. Bundesweit dauerten mehr als die Hälfte der neu eingegangenen Beschäftigungsverhältnisse von Hartz-IV-Beziehenden weniger als sechs Monate und die Hälfte der Arbeitsaufnahmen führte nicht zur Überwindung des Hartz-IV-Bezugs. „Diese Menschen sind gefangen in einem Kreislauf aus Arbeitslosigkeit und kurzfristiger, oft schlecht entlohnter Beschäftigung. Und diesen Kreislauf gilt es zu durchbrechen“, betont Schierenbeck.


Qualifizierungsförderung: Anstrengungen reichen noch nicht aus

Es ist positiv, dass das Jobcenter Bremen im Vergleich zum Bundesschnitt einen deutlich höheren Anteil seiner Fördermittel für das Qualifizierungsinstrument „Förderung beruflicher Weiterbildung“ nutzt – und das mit steigender Tendenz. „Wir begrüßen, dass das Jobcenter Bremen hier bundesweit eine Vorreiterrolle einnimmt“, betont Ingo Schierenbeck. Im Jahr 2012 hat das Jobcenter 35,5 Prozent und damit 13,7 Millionen Euro von insgesamt 38,7 Millionen Euro auf Qualifizierung konzentriert (s. Abb. Seite 4 im pdf-Anhang). Da aber der Bund die Fördermittel drastisch reduziert hat und dem Jobcenter im vergangenen Jahr 31,7 Millionen Euro weniger für die Förderung zur Verfügung standen als noch 2010, sind die absoluten Ausgaben deutlich gesunken.

Die Anzahl der „Förderungen beruflicher Weiterbildung“ sind deutlich zurückgegangen: Von 2010 bis 2012 von 4.050 auf 2.085 Förderungen (s. Abb. Seite 5 im pdf-Anhang), darunter die Förderungen mit Abschluss von 630 auf 440, in diesem Jahr wird die Zahl von 500 Eintritten wieder überschritten werden. In den Interviews, die die Arbeitnehmerkammer im Rahmen ihrer Studie geführt hat, berichten die Arbeitsuchenden, wie schwer der Zugang zu Weiterbildungen ist. „Hier wird noch einmal deutlich, dass viele Arbeitsuchende gern einen Berufsabschluss nachholen wollen, dies unter den gegebenen Rahmenbedingungen aber nicht möglich ist. Da werden Chancen vergeben, Menschen dauerhaft in den Arbeitsmarkt zu integrieren“, betont Schierenbeck.


Förderungen in der Region stärker an Arbeitsmarktengpässen ausrichten

Verbesserungen sind aus Sicht der Arbeitnehmerkammer noch bei der Verknüpfung von Schulungszielen und den regionalen Arbeitskräfteengpässen nötig. „Gerade in gewerblich-technischen Berufen wird Nachwuchs gesucht, hier gibt es noch Nachholbedarf“, führt Ingo Schierenbeck aus. Engpässe bestünden unter anderem in der Metallbearbeitung, der Energietechnik und der Klempnerei, Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik. Diese Berufsgruppen werden jedoch in Form von Umschulungen vergleichsweise wenig gefördert. Zudem sollten auch wieder verstärkt Umschulungen zur Altenpflegefachkraft gefördert werden, da auch hier ein Bedarf an qualifizierten Beschäftigten besteht.


Qualifizierungsoffensive erfordert veränderte Rahmenbedingungen
Um den harten Kern der Arbeitslosigkeit aufzulösen, ist eine Qualifizierungsoffensive dringend geboten. Die Vermittlung eines Berufsabschlusses für Un- und Angelernte verbessert nicht nur die Beschäftigungschancen, die Beschäftigungen sind auch stabiler und nachhaltiger und die Aufstiegschancen am Arbeitsmarkt erhöhen sich. „Hier ist der Bundesgesetzgeber gefordert, die Weichen so zu stellen, dass in den Regionen und damit auch in Bremen eine Qualifizierungsoffensive gestartet werden kann“, appelliert Ingo Schierenbeck auch vor dem Hintergrund der begonnen Koalitionsverhandlungen.

Dabei sind aus Sicht der Arbeitnehmerkammer drei Punkte von herausgehobener Bedeutung:
  • Kürzungen für Fördermittel rückgängig machen
    Wer flächendeckend nachhaltige Teilhabechancen auf gute Arbeit auch für bislang in der Förderung benachteiligte Gruppen eröffnen will, muss die Förderanstrengungen erhöhen. Dies ist aufgrund finanzieller Engpässe in der aktuellen Situation nicht möglich. Dies gilt insbesondere, wenn verstärkt in abschlussbezogene und damit längerfristige Qualifizierungsmaßnahmen investiert werden soll.

  • Bessere Rahmenbedingungen für Jobcenter-Beschäftigte
    Im Fokus steht hier aus Sicht der Arbeitnehmerkammer eine Verbesserung der Betreuungsrelation, damit die Jobcenter-Beschäftigten ausreichend Zeit für die Beratung der Arbeitsuchenden haben. So werden die mit den Hartz-Reformen verbundenen Betreuungsrelationen von 1:150 in der Praxis immer noch deutlich überschritten, oft ist ein Berater für mehr als 200 Arbeitsuchende zuständig, wie die Interviews zeigen. Darüber hinaus gilt es, die Befristungsquote der Jobcenter-Beschäftigten weiter zu senken und die Qualifizierung zu stärken.

  • Finanzielle Unterstützung der Weiterbildungsteilnehmer
    Teilnehmerinnen und Teilnehmer einer Qualifizierung müssen Aufwandsentschädigungen und Bildungsprämien erhalten. Die Teilnahme an einer Weiterbildung ist mit einem Mehraufwand verbunden, der zu Lasten des ohnehin zu geringen Hartz-IV-Regelsatzes geht. Neben einer solchen Mehraufwandsentschädigung sollten mit Prämien bei erfolgreich bestandener Zwischen- und Abschlussprüfung zusätzliche Anreize gesetzt werden.

Die Veränderung solcher Stellschrauben würde dazu beitragen, die Perspektive auf abschlussbezogene Qualifizierung in der Arbeitsförderung wieder zu stärken. „Wir brauchen nachhaltige Vermittlung in gute Arbeit, und das gelingt am besten durch gute Qualifizierung – schnellstmögliche Vermittlung hat sich als Leitbild überlebt“, so Schierenbeck.


Quelle: Pressemitteilung der Arbeitnehmerkammer Bremen vom 29. Oktober 2013
Weitere Informationen:



Die Studie zum Herunterladen: Qualifizieren statt aktivieren! Förderung beruflicher Weiterbildung für Arbeitsuchende in Bremen können sie hier als pdf-Datei herunterladen.


Schlagworte zu diesem Beitrag: Berufliche Weiterbildung, Öffentliche Beschäftigungspolitik, Erwerbslose
Dieser Beitrag wurde zuletzt aktualisiert am 11.11.2013