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Soziale Teilhabe sicherstellen – Langzeitleistungsbezug wirkungsvoll abbauen

Der Leistungsbezug im SGB II stellt für viele Personen nicht lediglich eine vorübergehende Hilfe dar, die sie als Arbeitsuchende in einer Notlage beanspruchen. Stattdessen sind viele Personen längerfristig auf diese Leistung angewiesen – oftmals über Jahre. Hinzu kommt, dass die Langzeitleistungsbeziehenden eine sehr heterogene Gruppe sind, die sich von Jobcenter zu Jobcenter ganz unterschiedlich zusammensetzt. Die Hebel, um sie beruflich zu integrieren, sind genauso unterschiedlich wie die Probleme, die der Hilfebedürftigkeit zugrunde liegen.

Daraus leiten sich unmittelbare Konsequenzen ab: Die Jobcenter müssen dem Abbau des Langzeitleistungsbezugs eine hohe Priorität einräumen. Denn mitunter betrifft er vier von fünf Leistungsbeziehenden eines Jobcenters. Und: Es gibt keine Schablone für eine erfolgreiche Vermittlung. Jedes Jobcenter muss für sich die individuelle Zusammensetzung von Teil- Zielgruppen identifizieren und individuelle Antworten finden.

Die individuelle Stärke der Jobcenter kann nur zum Tragen kommen, wenn die grundsätzlichen Rahmenbedingungen stimmen. Um angemessen und wirkungsvoll mit Langzeitleistungsbeziehern arbeiten zu können, müssen die Voraussetzungen für die tägliche Arbeit in den Jobcentern verbessert werden.

Die Optionskommunen leiten daraus folgende Forderungen ab:
  1. Die sozialpolitische Dimension anerkennen:
    Die Jobcenter haben eine sozialpolitische Verantwortung für fast 6,2 Millionen Erwachsene und Kinder in Deutschland. Diese muss sich widerspiegeln – in den Zielen, aber auch in den Mitteln und Instrumenten, die den Jobcentern an die Hand gegeben werden. Dabei geht es neben der Integration in Arbeit auch und gerade darum, soziale Teilhabe sicherzustellen. Es bedarf der Möglichkeiten, auch präventiv handeln zu können, um eine Verfestigung der Hilfebedürftigkeit zu vermeiden.

  2. Realistische Ziele ausgeben:
    Die Realitäten im SGB II müssen anerkannt werden. Das bedeutet, realistische Erwartungen an die Jobcenter zu richten. Eine offene und ehrliche Betrachtung bedeutet auch, die Grenzen und Möglichkeiten anzuerkennen. Sie bedeutet aber nicht, Menschen vom Fördern und Fordern auszugrenzen.

  3. Nachhaltigkeit fördern:
    Bund, Länder und Kommunen müssen nachhaltiges, langfristiges Handeln der Jobcenter stärker honorieren als kurzfristige Erfolge. Nur so kann dem Langzeitleistungsbezug nachhaltig begegnet und die Chancen gesteigert werden, dass eine Integration in den Ersten Arbeitsmarkt gleichbedeutend ist mit der Aufnahme einer existenzsichernden Erwerbstätigkeit.

  4. Stigmatisierung beenden:
    Politik und sozialpolitische Akteure müssen sich offen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende bekennen. Es ist eine große und verantwortungsvolle Leistung, jedem Menschen ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen; das ist der Kern des deutschen Sozialstaats. Politik und sozialpolitische Akteure tragen die Verantwortung dafür, dass Jobcenter und Leistungsbeziehende in einem wertschätzenden Umfeld gemeinsam daran arbeiten können, den Leistungsbezug schnellstmöglich zu beenden.

  5. Bedarfsgerechte Budgets bereitstellen:
    Die vom Bund zur Verfügung gestellten finanziellen Mittel müssen ausreichend und aufgabenadäquat bemessen sein. Im Rahmen der Zusammenlegung von Sozial- und Arbeitslosenhilfe waren ca 3.200 € pro erwerbsfähigem Leistungsberechtigten und Jahr für Aktivierung, Eingliederung und Leistungsgewährung veranschlagt, im Jahr 2012 standen dagegen nur ca. 1.700 € zur Verfügung. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, inwiefern die Veränderungen in der „Struktur“ der Leistungsbeziehenden – v. a. der kontinuierlich steigende Anteil „arbeitsmarktferner“ Personen – höhere Budgets zur Aktivierung und Qualifizierung erforderlich machen.

  6. Langfristige Strategien ermöglichen:
    Die Jobcenter benötigen eine Haushalts- und Finanzplanung, die längerfristige Strategien und überjährige Verpflichtungsermächtigungen in ausreichender Höhe ermöglicht.

  7. Instrumente flexibilisieren:
    Gerade für Langzeitleistungsbeziehende ist es in vielen Fällen geboten, flexible Lösungen zu finden, um die erforderlichen Fortschritte zu erzielen. Der Handlungsspielraum zum Einsatz und zur Ausgestaltung von Instrumenten muss vergrößert, der Einsatz individueller Maßnahmen erleichtert werden. Und die Möglichkeiten zum Einsatz langjähriger Instrumente müssen verbessert werden. Drei weitere konkrete Anpassungen für Langzeitleistungsbeziehende sind zudem geboten:

    1. Eine individuelle Nachbetreuung nach der Integration muss möglich sein, um diese zu stabilisieren. Dabei muss Dauer und Intensität bedarfsgerecht gestaltet werden können.

    2. Die Möglichkeiten und Förderansätze zur beruflichen Fort- und Weiterbildung für die zahlreichen Langzeitleistungsbeziehenden mit Bedarfen in diesem Bereich muss verbessert werden.

    3. Die modellhafte Erprobung des „Passiv-Aktiv-Tausch/Transfer“ muss im SGB II rechtlich verankert werden.

  8. Sozialen Arbeitsmarkt gewährleisten:
    Im Sinne der sozialpolitischen Verantwortung muss auch solchen Personen eine würdige Teilhabe an der Gesellschaft ermöglicht werden, die den Sprung in den ersten Arbeitsmarkt nicht schaffen. Die Optionskommunen bekräftigen daher die Forderungen der kommunalen Spitzenverbände nach einem Sozialen Arbeitsmarktes bzw. einer öffentlich geförderten Beschäftigung. Damit aus solcher Beschäftigung neue Perspektiven erwachsen, ist es notwendig, darin auch Qualifizierungsanteile zu integrieren.

  9. Integrierte Sozialgesetzgebung aufsetzen:
    Perspektivisch ist es Aufgabe des Gesetzgebers, die Rahmenbedingungen für eine umfassende Unterstützung der Leistungsbeziehenden zu verbessern. Im Interesse der betroffenen Bürger/innen muss eine integrierte (Sozial-)Gesetzgebung auf den Weg gebracht werden. So könnten auf kommunaler Ebene die Kräfte gebündelt und für die Erarbeitung besserer (Lebens-) Perspektiven von Leistungsberechtigten genutzt werden. Die Rechte der Bürger/innen, insbesondere bezüglich des Datenschutzes müssen dabei selbstverständlich gewahrt werden.


Berlin, November 2013


Quelle: Positionspapier Langzeitleistungsbezug der Optionskommunen beim SGB II


Weitere Informationen sowie das gesamte Positionspapier als pdf-Datei finden Sie auf der Homepage Benchlearning der Optionskommunen.


Schlagworte zu diesem Beitrag: Öffentliche Beschäftigungspolitik
Dieser Beitrag wurde zuletzt aktualisiert am 21.12.2013