Grundsätzliches zur Weiterbildung

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DGB-Bundeskongress 2014 beschließt:

Gute Bildung für gute Arbeit und gesellschaftliche Teilhabe

Für eine Weiterbildung mit System

In kaum einem anderen Politikfeld klafft die Lücke zwischen Sonntagsreden und Wirklichkeit mehr auseinander als in der Weiterbildung. Die steigenden Anforderungen am Arbeitsplatz, die zunehmend geringere Halbwertszeit von Wissen, der drohende Fachkräftemangel – all das macht eine kontinuierliche Qualifizierung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern notwendig. Das ist gesellschaftlicher Konsens. Doch auch bei der Weiterbildung gilt das Prinzip: Wer hat, dem wird gegeben. Gut ausgebildete junge Männer mit Vollzeitstellen können ihr Wissen ständig auffrischen. Wer Teilzeit arbeitet, geringfügig beschäftigt ist, wenig verdient oder keinen Schulabschluss hat, bekommt auch später die Chance zur Weiterbildung nicht mehr.

Ein Blick auf die Angebote in der Weiterbildung zeigt: Es gibt zu wenig Angebote für eine längerfristige berufliche Qualifizierung und gravierende Qualitätsprobleme. Der Markt ist intransparent, der persönliche und gesellschaftliche Nutzen dadurch zu oft nicht erkennbar. Zudem fehlen vielen Beschäftigten, die sich an einem zunehmend deregulierten Arbeitsmarkt behaupten müssen, schlicht die nötige Zeit und das Geld für Qualifizierungen.

Um die Chancen der Weiterbildung für Beschäftigte und Betriebe zu erhöhen, müssen Angebot und Nachfrage gestärkt werden. Ein neues und besseres Weiterbildungssystem kann nur vom Staat, den Tarifvertragsparteien und den Betrieben gemeinsam gestaltet werden. Nötig sind eine innovative betriebliche Weiterbildung, mehr Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen sowie eine aktive staatliche Weiterbildungspolitik.

Für eine Weiterbildung mit System fordern wir:
  • Eine Kultur Der zweiten Chance:
    Menschen ohne abgeschlossene Berufsausbildung benötigen eine „Zweite Chance“. Kurzfristig schlagen der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften ein steuerfinanziertes Bundesprogramm „Zweite Chance“ vor, das für Arbeitslose, die Hartz IV – Leistungen beziehen, das Nachholen von Berufs- und Schulabschlüssen fördert. In einem nächsten Schritt sollte die Ausbildungsförderung so erweitert werden, damit generell das Nachholen von Schulabschlüssen bis zum Abschluss der Sekundarstufe II sowie beruflicher Abschlüsse innerhalb und außerhalb der dualen Berufsausbildung gefördert werden kann. Hierbei muss es sich um eine Vollkostenforderung handeln. Verbunden ist das mit einem gesetzlich garantierten Recht auf Freistellung und Rückkehr in den Betrieb.

  • Eine neue Finanzarchitektur des lebenslangen Lernens:
    Bisher gibt es zahlreiche Elemente – BAföG, Meister - BAföG, Bildungsprämie etc. – die unverbunden nebeneinander stehen. Um Transparenz zu schaffen und Förderlücken zu schließen muss die Bundesregierung ein Finanzierungssystem aus einem Guss schaffen, dass dem Konzept des lebenslangen Lernens gerecht wird. Die Studienfinanzierung, das Nachholen schulischer und beruflicher Abschlüsse sowie die Weiterbildung und die Aufstiegsfortbildung sollen in einem Bildungsförderungsgesetz zusammengeführt werden. Je nach Ausbildungsgang und persönlicher Ausgangslage sind hier unterschiedliche Förder- und Finanzierungsansätze möglich.

  • Ein Weiterbildungsgesetz:
    Um die Weiterbildung in Deutschland voranzubringen, muss die Bundesregierung klare Strukturen schaffen, die für mehr Verbindlichkeit und Planungssicherheit für alle Beteiligten sorgen. In einem Bundesgesetz muss deshalb der Rahmen für ein Recht auf Weiterbildung, für rechtlich garantierte Lernzeiten, für eine sichere Finanzierung, mehr Beratung und Transparenz, für bessere Qualitätssicherung und Zertifizierung gesetzt werden.

  • Non-­formal und informell erworbene Kompetenzen validieren:
    Lernen, das sich außerhalb der formalisierten Bildung in offenen Kontexten vollzieht, wird nur in geringem Maße dokumentiert. Dabei erfordern Arbeitskonzepte in den Unternehmen eine umfassendere Kompetenzentwicklung und damit ein Lernen im Prozess der Arbeit. Die heutigen Berufsbiographien verlaufen selten linear und formale Zeugnisse geben immer weniger Auskunft über die berufliche Handlungskompetenz einer Person. Sie geben nur einen veralteten Stand von erworbener Bildung wieder. Um Lernen im Lebenslauf zu ermöglichen und auch non – formal und informell erworbene Kompetenzen sichtbar zu machen, muss deren Validierung in öffentlicher Verantwortung geregelt werden. Hierzu können entsprechende Regelungen aus anderen europäischen Ländern (z. B. Schweiz) als Vorbild dienen.

  • Mehr Investitionen in außerschulische politische Bildung:
    Politische Bildung gewinnt an Bedeutung, dies umso mehr, da angesichts globaler Wirtschafts- und Finanzkrisen mehr und mehr Menschen Zweifel an der Handlungsfähigkeit und Glaubwürdigkeit demokratischer Institutionen haben – sei es auf regionaler, nationaler oder internationaler Ebene. Politische Bildung darf kein neues Bildungsprivileg begründen. Sie muss für alle Menschen zugänglich sein. Ausgerechnet bei der politischen Bildung haben der Bund und die Länder ihr Versprechen gebrochen, mehr in Bildung zu investieren. Das zeigen die Einschnitte bei der Bundeszentrale und den Landeszentralen für politische Bildung sowie den Volkshochschulen. Notwendig ist vielmehr ein Ausbau der Mittel für die Bundeszentrale und die Landeszentralen für politische Bildung sowie für die Volkshochschulen, um den Informationsbedarf zu decken und Beteiligung zu erhöhen. Notwendig sind zudem Bildungsfreistellungsgesetze in allen Bundesländern mit bundeseinheitlichen, hohen qualitativen Standards. In Baden-Württemberg, Bayern, Sachsen und Thüringen müssen endlich Bildungsfreistellungsgesetze eingeführt werden.

Damit dieser Bildungsbereich fortentwickelt werden kann, sind sowohl innergewerkschaftlich wie gesamtgesellschaftlich die nötigen Ressourcen zur Verfügung zu stellen. Ein Abbau von Ressourcen ist mit dem Anspruch des Ausbaus der politischen Bildung nicht vereinbar.


Quelle: Beschluss des DGB Bundeskongress 2014

Den vollständigen Beschluss können sie hier als pdf-Datei herunterladen.


Verweise zu diesem Artikel:
Schlagworte zu diesem Beitrag: Berufliche Weiterbildung, Erwerbslose, Lebenslanges Lernen, Volkshochschule
Dieser Beitrag wurde zuletzt aktualisiert am 22.05.2014