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Das neue Übergangssystem in NRW

Informationen für Betriebs- und Personalräte und Mitarbeitervertretungen zur Berufsfelderkundung von Schülerinnen und Schülern

Liebe Kolleginnen und Kollegen,


im Rahmen der Berufsorientierung benötigen wir dringend Betriebe und Verwaltungen, die bereit sind, Schülerinnen und Schülern einen Einblick in den betrieblichen Alltag zu gewähren. Bis jetzt wurden von vielen Betrieben bereits Schülerpraktika angeboten. Ab sofort sind diesen Praktika Berufsfelderkundungen vorgeschaltet. Diesen Ansatz unterstützen wir. Um genügend Plätze anbieten zu können, bitten wir Betriebs-und Personalräte und Mitarbeitervertretungen gegenüber ihren Arbeitgebern, Geschäftsleitungen, sowie Dienstvorgesetzten für Berufsfelderkundungen zu werben. Angesichts absehbar sinkender Schülerzahlen sind Betriebsfelderkundungen der Erstkontakt zur zukünftigen Azubigeneration und damit letztlich auch im Interesse der Betriebe.

Was können Betriebs- bzw. Personalräte oder Mitarbeitervertretungen tun?

Der Arbeitgeber hat den Betriebsrat über die Personalplanung, sowie über Maßnahmen der Berufsbildung anhand von Unterlagen rechtzeitig und umfassend zu unterrichten. Dazu gehören auch Maßnahmen zur Berufsvorbereitung. Im Rahmen der Beratungen habt ihr die Möglichkeit Planungsstände abzufragen und für das Instrument zu werben. Gern unterstützen wir euch dabei. In den DGB-Regionen und beim DGB Bezirk NRW stehen euch hierzu die Kolleginnen und Kollegen mit weiteren Informationen zur Verfügung, denn nur gemeinsam können wir das neue Übergangssystem für die Jugendlichen erfolgreich gestalten.

Wozu dienen Berufsfelderkundungen genau?

Durch die Berufsfelderkundung sollen die Schüler/innen an drei Tagen in drei Berufsfeldern erste Einblicke in die Berufswelt und betriebliche Praxis erhalten, realistische Vorstellungen von verschiedenen beruflichen Tätigkeiten entwickeln, ihre eigenen Interessen entdecken, bewusst ein anschließendes Schülerbetriebspraktikum auswählen können.

Wie sollte eine Berufsfelderkundung aussehen?

Eine Berufsfelderkundung umfasst in der Regel einen Schultag und soll nicht nur einen Beruf, sondern ein Berufsfeld abdecken (Beispiele: Metallberufe, Bauberufe, kaufmännische Berufe) Sie sollte Beobachtungs-, Gesprächs- sowie Fragemöglichkeiten für die Schüler/innen vorsehen, Informationen z.B. über Ausbildungswege und Karrierewege umfassen, ggf. kleinere Mitmachaktionen ermöglichen. Was konkret sinnvoll und möglich ist, unterscheidet sich je nach Betrieb und Branche. Eine Berufsfelderkundung unterscheidet sich von einer Betriebsbesichtigung, in der Jugendliche über ein Unternehmen informiert werden. Bei einer Berufsfelderkundung sind die Jugendlichen nicht nur Zuschauer, sondern erkunden aktiv berufliche Tätigkeiten. Im Fokus steht die Erkundung, während Jugendliche beim Betriebspraktikum über einen längeren Zeitraum selbst praktische Tätigkeiten übernehmen. Wünschenswert sind aus gewerkschaftlicher Sicht auch Gespräche mit der Jugend- und Auszubildendenvertretung, dem Betriebs- oder Personalrat oder der Mitarbeitervertretung.

Was sollen die Schülerinnen und Schüler erkunden?

Die Schüler/innen sollen durch die Berufsfelderkundung möglichst konkrete Eindrücke in folgenden Bereichen mitnehmen:

Zu Tätigkeiten im Berufsfeld:
  • Typische Aufgabenbereiche, Tätigkeiten und Spezialisierungsmöglichkeiten

  • Verwendete Werkstoffe, Maschinen, Arbeitsmaterialien, vorgeschriebene Arbeitskleidung

  • Ort und Ausgestaltung der Arbeitsplätze

  • Arbeitsweise (z. B. allein oder im Team) und typische Arbeitszeiten

  • Gründe für Zufriedenheit der Berufstätigen/Highlights im Berufsalltag

  • Berufswege und Aufstiegsmöglichkeiten

Zu Ausbildungsmöglichkeiten im Berufsfeld
  • Benötigte Schulabschlüsse

  • Ausbildungen/Hochschulstudiengänge

  • Dauer von Ausbildungen und/oder Studiengängen

  • Talente/Eigenschaften und Fähigkeiten für Ausbildung/ Studium/Beschäftigung im Berufsfeld

Wie viele Jugendliche können an einer Erkundung teilnehmen und welche Berufsfelder können angeboten werden?

Möglich ist, die Erkundung sowohl für eine Schülerin/einen Schüler anzubieten als auch für eine Gruppe. Dies richtet sich nach den Möglichkeiten des Betriebs. Wenn ein Betrieb mehrere Berufsfelder zur Erkundung anbieten kann und möchte (z. B. kaufmännische Berufe wie auch gewerblich-technische Berufe), ist das ebenso möglich wie die Erkundung eines Berufsfelds. Zudem können sich auch mehrere Betriebe ein Berufsfeld teilen.

Finden alle Berufsfelderkundungen in einem bestimmten Zeitraum statt?

Die zeitliche Abfolge sollte regional (v. a. zwischen den Schulen und der Wirtschaft) abgestimmt werden.

Wie sind die Schülerinnen und Schüler versichert?

Die Schüler/innen sind bei der Berufsfelderkundung so versichert wie beim Schülerbetriebspraktikum. Da es sich um eine Schulveranstaltung handelt, unterliegen Berufsfelderkundungen der gesetzlichen Unfallversicherung. Die Schüler/innen sind auf dem Hin- und Rückweg sowie während der Berufsfelderkundung unfallversichert. Der Schulträger muss wie beim Schülerbetriebspraktikum für die Dauer der Berufsfelderkundung eine Haftpflichtversicherung abschließen und die dafür entstehenden Kosten übernehmen.

Hat der Betrieb eine Dokumentationspflicht?

Es gibt keine Verpflichtung der Betriebe Teilnahmebescheinigungen, Zertifikate oder ähnliches auszufüllen. Zum Teil gibt es hierzu abweichende Absprachen vor Ort.

Welche Rahmenbedingungen (Arbeitssicherheit, Gesundheitsschutz, Versicherungspflicht etc.) müssen berücksichtigt werden?

Nach Auskunft des Arbeitsministeriums gelten die Rahmenbedingungen, die für andere Kurzzeitpraktika auch gelten. Detaillierte Informationen findet ihr unter: Berufsorientierung NRW/Materialien

Wer sind Ansprechpartner für die Betriebe, die Berufsfelderkundungen anbieten wollen?

Betriebe können sich an die zuständige Kammer oder ihren Arbeitgeberverband wenden. Betriebs- und Personalräte können sich an den örtlichen DGB wenden. Die Kolleginnen und Kollegen vor Ort unterstützen euch gern mit weiteren Informationen.


Das meint der DGB NRW:

In der Vergangenheit sind jährlich über 20.000 Jugendliche in NRW ohne Ausbildung geblieben. Das kann nicht so bleiben. Nur wenn mehr Betriebe ihrer Ausbildungsverpflichtung nachkommen kann sich diese Situation verbessern. Erschwerend kommt hinzu: Die Berufsorientierung war lückenhaft und unsystematisch angelegt, viel zu viele Jugendliche landeten in Warteschleifen. DGB, Landesregierung, Kammern und Arbeitgeber haben sich darauf geeinigt, dies zu ändern. Es wurden Standardelemente für eine systematische Berufsorientierung entwickelt, die nach und nach im ganzen Land Anwendung finden sollen. Einen Überblick über das neue Übergangssystem findet ihr hier:

Kein Abschluss ohne Abschluss

Wir sehen in dem neuen Übergangssystem durchaus Chancen: Jugendliche erkennen besser ihre Interessen und das vorhandene Potential an Ausbildungsplätzen kann besser ausgeschöpft werden. Trotzdem besteht die Gefahr, dass gut orientierte Jugendliche nach wie vor ohne Ausbildung verbleiben und Erwartungshaltungen nicht erfüllt werden können. Als Gewerkschaften wollen wir uns dafür einsetzten, dass die versprochene Ausbildungsgarantie endlich Realität wird.


Quelle: Flyer des DGB Nordrhein-Westfalen, Sommer 2014

Verweise zu diesem Artikel:
Schlagworte zu diesem Beitrag: Ausbildung
Dieser Beitrag wurde zuletzt aktualisiert am 29.08.2014