Förderung der beruflichen Weiterbildung

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Auch bei der ersten Ausschreibung zur assistierten Ausbildung schlägt der Preis die Qualität

Weiterentwicklung der Assistierten Ausbildung zu einem flexiblen, bedarfsorientierten Förderangebot

Im Frühjahr dieses Jahres hat der Deutsche Bundestag die Verankerung der Assistierten Ausbildung (AsA) im SGB III, § 130, verabschiedet. Die Jugendsozialarbeit hat sich viele Jahre intensiv für die Einführung eines solchen Instruments eingesetzt. Der Bedarf an einer gelungenen Hinführung in die Ausbildung und an einer verlässlichen Begleitung bis zum erfolgreichen Berufsabschluss junger Menschen ist sehr groß. Deshalb ist aus Sicht der Jugendsozialarbeit alles zu tun, damit die Assistierte Ausbildung erfolgreich umgesetzt wird, zumal sie zunächst nur befristet bis 2018 im SGB III verankert ist.


Mit der „Allianz für Aus- und Weiterbildung“ sind Bundesregierung, Spitzenverbände, Gewerkschaften, Länder und Bundesagentur für Arbeit (BA) angetreten, gemeinsam die berufliche Bildung zu stärken und jeden ausbildungsinteressierten jungen Menschen frühestmöglich zu einem Berufsabschluss zu führen. Vorrang soll hierbei die betriebliche Berufsausbildung haben. Die Allianz-partner haben sich darauf verständigt, für das Ausbildungsjahr 2015/2016 bis zu 10.000 Plätze für die Assistierte Ausbildung anzubieten. Das Instrument Assistierte Ausbildung wurde befristet bis zum Ausbildungsjahrgang 2018/2019 eingeführt.

Von den vorgesehenen 10.000 Plätzen wurden bisher 5.241 Plätze ausgeschrieben. Hierbei hat sich bereits gezeigt, dass das Verfahren der Ausschreibung teilweise negative Effekte hervorgebracht hat: Bewährte Träger der Assistierten Ausbildung – wie etwa „carpo“ in Baden-Württemberg – haben keine Zuschläge erhalten und Jugendliche müssen mitten in der Ausbildung zu einem neuen Träger wechseln.

Die nächsten Ausschreibungen sind für den Herbst 2015 vorgesehen. Nur wenn die Qualität und Erfahrung mit der Assistierten Ausbildung einen neuen Stellenwert in der Ausschreibung bekommen, besteht eine Chance, eine optimale Förderung der vorgesehenen Zielgruppe zu erreichen. Darüber hinaus sind Anpassungen und Weiterentwicklungen sowohl in der Leistungsbeschreibung als auch im Fachkonzept erforderlich. Daraus ergeben sich schließlich weitreichende Konsequenzen für die Durchführung und die Vergabepraxis der Assistierten Ausbildung.


A) Empfehlungen zur Anpassung und Weiterentwicklung der Leistungsbeschreibung

Ausbildungsvorbereitung sichern!


In der ersten Ausschreibung wurde die gerade für benachteiligte junge Menschen so wichtige ausbildungsvorbereitende Phase verkürzt oder gar nicht ausgeschrieben. Dies ist vermutlich der verspäteten Ausschreibung geschuldet. Künftig muss die Phase I mit dem vorgesehenen Umfang von sechs Monaten jedoch immer Bestandteil der Leistungsbeschreibung in der Ausschreibung sein. Sollte es in einem Bundesland eine anderweitige anschlussfähige Ausbildungsvorbereitung für alle potenziellen Teilnehmenden geben, könnte diese alternativ zu Phase I genutzt werden. Hierfür bedarf es einer Kooperationsverpflichtung zwischen dem jeweiligen Träger und der länderspezifischen Ausbildungsvorbereitung. Phase I und Phase II müssen feste Bestandteile des Instruments sein. Für den/die Jugendliche/-n ist die Phase I fakultativ. Dies ermöglicht auch, dass Teilnehmende direkt in Phase II zugewiesen werden.

Bedarfsorientiert zum Ausbildungserfolg!

Die ausbildungsvorbereitende Phase I sollte als individuelle Ausbildungsvorbereitung konzipiert sein und breite Handlungsspielräume zulassen, um die berufsorientierende und berufsvorbereitende Förderung individuell zu gestalten. In der Leistungsbeschreibung ist jedoch eine Anwesenheit der Jugendlichen in der Maßnahme von 39 Stunden pro Woche vorgesehen. Aus Sicht der Praxis sollte die Anwesenheitszeit nicht grundsätzlich vorgeschrieben werden, sondern bedarfsgerecht – und im Einzelfall begründet – sukzessive bis auf 39 Stunden erhöht werden können.

Die Unterstützungsleistungen für Teilnehmer/-innen während der Ausbildung – also in Phase II – (z. B. Stütz- und Förderunterricht) von mindestens vier bis maximal neun Unterrichtsstunden pro Woche zusätzlich zur täglichen Ausbildungszeit sind nicht bei allen Jugendlichen erforderlich. Beispielsweise benötigen einige Jugendliche zwar eine starke persönliche Begleitung – insbesondere in Krisensituationen –, sind aber durchaus in der Lage, die berufsschulischen Anforderungen während der Ausbildung ohne entsprechende Hilfe zu erfüllen.

Der Stütz- und Förderunterricht muss also flexibel gestaltet werden und sollte mit einem durchschnittlichen Bedarf von vier Stunden pro Teilnehmer/-in und Woche kalkuliert werden. Daraus entsteht ein Stundenpool, woraus je nach Bedarf Zeit für eine Einzelfallförderung eines anderen Jugendlichen genutzt werden kann. „Ungenutzte“ Stunden können dann verwendet werden, um für einzelne Jugendliche flexible und individuelle Begleitung durch z. B. Einzelcoaching, sozialpädagogische Begleitung oder auch notwendige besondere Sachleistungen anzubieten. Ein Nachweis dieser Stunden wäre dann im Rahmen einer entsprechenden schriftlichen Dokumentation zu führen.

Einrichtung von berufsfeldübergreifenden Fördergruppen zur Realisierung des Stütz- und Förderunterrichts bei kleinen Losen

Die angegebene Personalressource (eine Vollzeitstelle auf 36 TN bei mind. vier Wochenstunden Stütz- und Förderunterricht pro TN) reicht bei kleinen Losen und gleichzeitig vielen unterschiedlichen Berufsfeldern mit hohem Bedarf an Einzelförderung nicht aus, um die „Pflichtstunden“ abzudecken. Mit der Unterstellung von 28 Wochenstunden Unterrichtszeit bei einer Vollzeitstelle lassen sich nur sieben TN mit je vier Unterrichtsstunden fördern. Bei Einzelunterricht wäre also eine Personalressource von 5,143 Vollzeitstellen notwendig. Fasst man die TN jedoch zu Fördergruppen mit 5 bis 7 TN zusammen, kann die Förderung im Rahmen der gegebenen Personalressource – berufsfeldunabhängig bzw. berufsfeldübergreifend – durchgeführt werden.

Individuelle Laufzeit der Gesamtmaßnahme

Flexibilisierung ist nicht nur in den einzelnen Phasen nötig, sondern auch im Hinblick auf die Laufzeit der Gesamtmaßnahme. Denn sowohl in Phase I wie auch in Phase II sind Verlängerungen möglich, wodurch sich Prüfungstermine oder/und auch die gesamte Ausbildungszeit zeitlich verschieben. Auszubildende können jederzeit in laufende Maßnahmen nachrücken – auch dadurch ergeben sich unterschiedliche Prüfungstermine, Wiederholungsprüfungen, Ausbildungsverlängerungen etc., welche sich auf die Laufzeit der Gesamtmaßnahme niederschlagen. Eine Verlängerung der Maßnahmen sollte auch über das Ende des Ausbildungsjahrgangs hinaus möglich sein. Bei den Trägern sind diese bei entsprechender finanzieller Absicherung z. B. durch Mindestpersonalausstattungen sicherzustellen.


B) Hinweise zur Fortschreibung des Fachkonzeptes

Auflösung der Trennung von Ausbildungsbegleitung und Sozialpädagogischer Fachkraft


Im Fachkonzept sind zwei Ansprechpartner/-innen für Jugendliche vorgesehen: Ausbildungsbegleitung und Sozialpädagoge/-in. Aus fachlicher Sicht halten wir demgegenüber eine konstante, verlässliche Bezugsperson, die den Ausbildungsprozess unterstützend begleitet, für unabdingbar. Sowohl der/die Jugendliche als auch der Betrieb und die Berufsschule sind in diesen Prozess involviert. Pädagogische Begleit- und Unterstützungsleistungen sowie moderierende lösungsorientierte Angebote im Gesamtausbildungsprozess sind gefordert. Dies sind Aufgaben für sozialpädagogische Fachkräfte mit Erfahrung im Ausbildungsgeschehen. Möglicher formaler Unterstützungsbedarf für den individuellen Ausbildungsverlauf (Teilzeit, Unterbrechungen etc.) kann ebenfalls durch sozialpädagogische Fachkräfte mit Erfahrungen im Ausbildungsgeschehen in Kooperation mit Kammern sichergestellt werden. Die Kompetenz eines Meisters hingegen bezieht sich in erster Linie auf das fachliche Experten-/-innenwissen, das die Betriebe nach eigener Auskunft selber mitbringen. Hier scheint eine externe Unterstützung in der Regel nicht notwendig zu sein. Zudem hilft das Fachwissen in einem Berufsfeld wenig, wenn eine Vielzahl unterschiedlicher Berufsausbildungen in einem Förderangebot anzutreffen ist. Hiervon ist bei der Assistierten Ausbildung auszugehen.

Vom 2- zum 3-Phasen-Modell

Die Assistierte Ausbildung besteht laut Fachkonzept aus zwei Phasen. Aus fachlicher Sicht ist eine dritte Phase notwendig und sinnvoll, die für eine nachhaltige Sicherung der Ausbildung durch die sozialpädagogische Begleitung der Teilnehmer/-innen beim Übergang von Ausbildung in Beschäftigung sorgt. Diese Phase wurde weder im Fachkonzept aufgenommen noch von der BA ausgeschrieben. Wünschenswert wäre es jedoch, eine Nachbetreuung einzubauen, um die Auszubildenden weitere drei Monate nach Beendigung der Lehrzeit im Übergang in die Beschäftigung an der zweiten Schwelle zu begleiten. In dieser Zeit könnten auch Nachprüfungsvorbereitungen für Auszubildende, die ihren Abschluss im ersten Anlauf nicht erreicht haben, angeboten werden.

Entwicklung von speziellen Länderkonzeptionen nach § 130 Abs. 8 SGB III

Um spezifische Länderkonzeptionen zu ermöglichen, sollte die BA aktiv mit den Bundesländern ins Gespräch kommen. Auf dieser Ebene kann vereinbart werden, wie seitens der BA an bereits bestehende Landesprogramme und Projekte angeknüpft werden kann. Auch sollte die BA mit ihren Regionaldirektionen die Bundesländer dabei aktiv unterstützen, inwieweit es im Rahmen länderspezifischer Bedarfe und Konzeptionen möglich ist, weitere Zielgruppen (z. B. „Altbewerber/-innen“ oder Jugendliche mit (traumatischer) Fluchterfahrung etc.) nach § 130 Abs. 8 SGB III in das Angebot der Assistierten Ausbildung einzubinden.


Ausblick: Zur Bewertung der Qualität und der Erfahrungen der Träger

Im abgeschlossenen Ausschreibungsverfahren wurden bei der Vergabe der Maßnahme die Qualität und die Erfahrung der Träger durch das Einbeziehen guter Integrationsquoten und geringer Abbruchquoten der bietenden Träger beim Instrument der außerbetrieblichen Berufsausbildung (BaE, kooperatives Modell) in vergleichbaren Arbeitsagenturbezirken gewertet. Die Erfahrungen und Kompetenzen aus EU-, Bundesmodellprojekten oder Landesprogrammen der Assistierten Ausbildung fanden im Vergabeprozess keine Berücksichtigung. Damit wurden auch einschlägige Praxiserfahrungen und nachweisliche Erfolge im Bereich der Assistierten Ausbildung, z. B. aus den Projekten „Efa“, „carpo“ in Baden-Württemberg oder „Zukunftschance assistierte Ausbildung“ in Sachsen-Anhalt sowie Teilzeitausbildung in verschiedenen Bundesländern außen vor gelassen. Die Bewertungsmodalitäten sind hier unbedingt nachzubessern: In der Jugendsozialarbeit erfahrene Träger, die maßgeblich zur Entwicklung dieses Instruments im SGB III beigetragen haben, müssen die Möglichkeit erhalten, diese entsprechend in das Ausschreibungsverfahren einzubringen. Um dies sicherzustellen, müssen sie einen Qualitätsbonus erhalten. Auf keinen Fall sollte allein ein anderes Instrument des SGB III – wie im abgeschlossenen Ausschreibungsverfahren geschehen – als Referenzgrundlage bei der Einführung eines neuen Instruments zugrunde gelegt werden.

Qualität und Kontinuität müssen endlich Vorrang haben!

Die Konkurrenz bei der Preisgestaltung der gegenwärtigen Ausschreibungspraxis führt immer wieder dazu, dass unerfahrene, nicht vernetzte Träger den Zuschlag für die Durchführung erhalten. Kontinuität und Netzwerke erfahrener Jugendhilfeträger gehen dabei verloren bzw. bestehende Strukturen werden zerschlagen. Hier liegt die Vermutung nahe, dass der Preis der Maßnahmen einen höheren Stellenwert als die Qualität guter, erfahrungsbasierter Konzepte hat. Besonders problematisch ist die Situation aktuell dort, wo Jugendliche im kommenden Ausbildungsjahr durch diese Vergabepraxis neuen Trägern der Assistierten Ausbildung zugewiesen werden, die den Zuschlag für das neue Ausbildungsjahr erhalten haben. Der Anspruch, für die Zielgruppe der Jugendsozialarbeit klare Strukturen sowie kontinuierliche, verlässliche Beziehungen im Sinne von Hilfen aus einer Hand zu bieten, wird durch diese Förderpraxis konterkariert. Jugendlichen muss die Sicherheit erhalten bleiben, ihre Ausbildung durchgängig in der Begleitung eines Trägers abschließen zu können.


Quelle: Stellungnahme des Kooperationsverbunds Jugendsozialarbeit vom Juli 2015

Sie können die Stellungnahme hier als pdf-Datei herunterladen.

Schlagworte zu diesem Beitrag: Ausbildung, Öffentliche Beschäftigungspolitik
Dieser Beitrag wurde zuletzt aktualisiert am 31.07.2015