Grundsätzliches zur Weiterbildung

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Der Deutsche Volkshochschulverband fordert gemeinsame strategische Planung und operative Umsetzung in der Weiterbildung

Wahlprüfsteine zur Bundestagswahl 2017

Für ein zukunftsfähiges Deutschland, das sich den gesellschaftspolitischen, ökonomischen und technologischen Herausforderungen gewachsen zeigt, sollte die neue Bundesregierung mit einer kraftvollen Weiterbildungsoffensive die beträchtlichen Potentiale der Erwachsenenbildung nutzen – für gesellschaftlichen Zusammenhalt, für eine nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung und für die persönliche Entfaltung jedes Einzelnen.


Weiterbildungspolitik

Bildungsaufgaben sind von übergeordneter Bedeutung und erfordern eine gemeinsame strategische Planung und operative Umsetzung. Der Bund muss in die Lage versetzt werden, sich in Abstimmung mit Ländern und Kommunen in der Weiterbildung strukturell und finanziell stärker zu engagieren.

Unsere Forderungen:

Kooperativer Föderalismus: Damit Bund, Länder und Gemeinden in der Weiterbildung gesamtstaatliche Verantwortung wahrnehmen, sich auf gemeinsame Ziele und Maßnahmen verständigen und die Weiterbildungsoffensive in der kommenden Legislaturperiode gemeinsam tragen und finanzieren können, sollte das Kooperationsverbot aufgehoben werden. Im Sinne des grundgesetzlichen Anspruchs auf gleichwertige Lebensverhältnisse muss der Bund die Länder darin unterstützen, den staatlichen Bildungsauftrag umfassend zu definieren und die Weiterbildung als kommunale Aufgabe ausreichend zu finanzieren.

Weiterbildungskabinette: Um eine inhaltliche und fachübergreifende Abstimmung zwischen den mit Weiterbildung befassten Ressorts sicherzustellen, sollen horizontal (auf Bundesebene zwischen den mit Weiterbildungsfragen befassten Ressorts) und vertikal (zur Abstimmung von Weiterbildungsfragen zwischen Bund, Ländern und Gemeinden) Kabinettsausschüsse zur Weiterbildung eingerichtet werden.

Enquete-Kommission „Zukunft der Weiterbildung“: Eine Enquete-Kommission soll eine umfassende und strukturierte Analyse der Realität der Weiterbildung in Deutschland vornehmen, Reformbedarfe identifizieren und erforderliche Rahmenbedingungen inklusive der Finanzierungs- bzw. Förderstrukturen aufzeigen.


Weiterbildungsbeteiligung

Die Weiterbildungsförderung muss über den Arbeitsmarkt hinaus reichen und im Sinne eines ganzheitlichen Bildungsverständnisses den Erwerb von Kompetenzen für eine souveräne Teilhabe am beruflichen und gesellschaftlichen Leben fördern.

Unsere Forderungen:

Weiterbildungs-BAföG: Das Aufstiegs-BAföG soll zu einem Weiterbildungs-BAföG ausgebaut werden, das eine systematische Weiterbildung unterstützt, die der Persönlichkeitsentwicklung dient, wichtige Schlüsselqualifikationen fördert und zur bürgerschaftlichen Teilhabe befähigt, auch jenseits konkreter beruflicher Aufstiegsperspektiven.

Erfolgsprämien: Erwachsene, die einen Schulabschluss nachholen oder an abschlussbezogenen Grundbildungsangeboten teilnehmen, sollen bei erfolgreichem Abschluss ebenso eine Prämie erhalten wie der bisher bereits in der Arbeitsförderung (§ 131a AWStG) begünstigte Personenkreis.

Steuerliche Absetzbarkeit: Weiterbildungsangebote, die im öffentlichen Interesse liegen, sollen steuerlich absetzbar sein und die Breite der geförderten Angebote muss erhöht werden. Dazu gehören neben beruflich verwertbaren Weiterbildungsmaßnahmen u.a. auch Angebote politischer Bildung, kompensatorischer Weiterbildung, abschlussbezogener Grundbildung sowie Angebote zum Erwerb von Schlüsselqualifikationen.

Zielgruppenansprache: Zur Sicherstellung einer verlässlichen Grundversorgung mit Angeboten zur beruflichen, politischen, gesundheitlichen, kulturellen und sprachlichen Teilhabe im ländlichen Raum und zur Steigerung der Weiterbildungsbeteiligung bisher nicht erreichter Zielgruppen sollen Modellprojekte aufgelegt werden.


Kompensatorische Bildung

Es gefährdet nicht nur die individuelle Existenzsicherung, sondern auch den wirtschaftlichen Fortschritt unseres Landes, wenn Menschen aufgrund eines Scheiterns im Schulsystem, Unterbrechungen in der Berufsbiografie oder wegen anderer Gründe vom lebenslangen Lernen ausgeschlossen werden.

Unsere Forderungen:

Funktionaler Analphabetismus: Um die dramatisch hohe Zahl von 7,5 Mio. Erwachsenen in Deutschland, die nicht ausreichend lesen und schreiben können, zu vermindern, bedarf es in der von Bund und Ländern ausgerufenen Nationalen Dekade für Alphabetisierung und Grundbildung neben der Förderung von Entwicklungsprojekten auch einer staatlichen Regelförderung, die allen Betroffenen die Teilnahme an Alphabetisierungs- und Grundbildungsangeboten ermöglicht.

Zweiter Bildungsweg: Alle Erwachsenen müssen die Möglichkeit erhalten, Schulabschlüsse nachzuholen – unabhängig von Alter, Erwerbs- und Aufenthaltsstatus sowie nationaler Herkunft. In Deutschland verlassen jährlich rund 70.000 junge Menschen die Schule ohne einen Abschluss. Von den nach Deutschland zugewanderten Erwachsenen verfügt über ein Drittel nicht über einen Schulabschluss.

Bildungsübergänge und Weiterbildungsberatung: Im Sinne erfolgreicher Lern- und Bildungsbiographien müssen Förderangebote als Bildungsketten miteinander verbunden werden, damit Anschlüsse eröffnet und Übergänge erleichtert werden. Alphabetisierung, Grundbildung, Integration und Zweite Bildungswege stehen vielfach unverbunden nebeneinander.
Insbesondere müssen auch Strukturen der Weiterbildungsberatung ausgebaut und abgesichert werden.


Digitale Weiterbildung

Die rasanten Prozesse der Digitalisierung erfordern den Erwerb umfassender Nutzungs- und mündiger Entscheidungskompetenzen. Menschen müssen dabei nicht nur mit digitalen Produkten und Funktionalitäten vertraut werden und ihre Informations- und Lerntechniken kontinuierlich erweitern, sondern auch ihre Analysefähigkeiten schärfen, um Informationen und Sicherheitsrisiken beurteilen zu können.

Unsere Forderungen:

Förderprogramme: Alle Förderprogramme der „Bildungsoffensive für die digitale Wissensgesellschaft“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) müssen so ausgestaltet werden, dass auch die Weiterbildung für die Erfordernisse und Möglichkeiten der digitalen Wissensgesellschaft gestärkt wird.

Zugang für alle: Digitale Bildung beschäftigt alle Menschen - lebenslang. Um einer drohenden digitalen Spaltung der Gesellschaft entgegenzuwirken, müssen insbesondere auch Ältere, arbeitssuchende Menschen, Berufsrückkehrer/-innen und Arbeitnehmer/-innen mit unregelmäßigen Arbeitszeiten sowie Erwachsene mit Grundbildungsbedarf in der Strategie des BMBF berücksichtigt werden.

Digitale Informationszentren: Auf kommunaler Ebene müssen bürgernahe Anlaufstellen eingerichtet werden, die bei allen Fragen rund um Medien- und Informationskompetenz und hinsichtlich aktueller Netzphänomene wie Fake News, Social Bots und Datamining Hilfestellung bieten. Die Weiterbildungseinrichtungen müssen am Aufbau und Betrieb der Informationszentren beteiligt werden, um eine Vernetzung mit ihren vielfältigen Bildungsangeboten sicherstellen zu können.


Zusammenhalt durch allgemeine Weiterbildung

Unsere Gesellschaft ist von unterschiedlichen Spaltungstendenzen betroffen. Weiterbildung stärkt durch ihre Bürgernähe und ihre Begegnungsangebote den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Ihre Programme müssen den Bildungsbedürfnissen der gesamten Bevölkerung gerecht werden, gleiche Zugänge ermöglichen und gemeinsame Bildungsprozesse initiieren.

Unsere Forderungen:

Gesellschaftlicher Zusammenhalt: Neben der etablierten politischen Jugend- und Erwachsenenbildung bedarf es eines Förderprogramms zur flächendeckenden Umsetzung von neuen, innovativen Dialog- und Beteiligungsformaten auf kommunaler Ebene, um Menschen mit unterschiedlichen Herkünften und Lebenslagen gemeinsam eine kritische und konstruktive Auseinandersetzung mit der Zukunft unserer Gesellschaft zu ermöglichen.

Gesamtgesellschaftliche Integration: Integration bedarf eines ganzheitlichen Bildungsansatzes, der (inter-) kulturelle, gesellschaftspolitische, berufliche und gesundheitsbezogene Bildung mit Sprachlernangeboten verknüpft. Darüber hinaus kann die Integration hunderttausender neu zugewanderter Menschen nur als ein gesamtgesellschaftlicher Prozess gelingen, in dem die Bildungsbedürfnisse von Zugewanderten und einheimischer Bevölkerung gleichermaßen berücksichtigt werden.

Integrationskurse und Qualifizierung: Die Maßnahmen des Bundes für Integration und Qualifizierung sind besser auszustatten. Sie müssen positive Lernbedingungen garantieren und die Lehrkräfte müssen angemessen vergütet und abgesichert werden. Insbesondere müssen auch die Träger ausreichend finanziert werden für die anspruchsvollen Organisations- und Betreuungsaufgaben. Eine nachhaltige Anhebung der Trägerpauschale ist hier unverzichtbar.


Personalstruktur

Mehr und mehr übernimmt die Weiterbildung Daueraufgaben, die im besonderen öffentlichen Interesse liegen und politisch gewünscht sind. Mit diesen Maßnahmen wächst die Zahl der Lehrkräfte, die im Haupterwerb in der Weiterbildung tätig, aber nicht (ausreichend) sozial abgesichert sind.

Unsere Forderungen:

Soziale Absicherung von Kursleitenden: Die von Bund, Ländern und Kommunen aufgelegten und verantworteten Weiterbildungsprogramme müssen finanziell so dimensioniert sein, dass Lehrkräfte leistungsgerecht bezahlt und bei Bedarf sozialversicherungspflichtig beschäftigt werden können. Zur sozialen Absicherung von Kursleitenden müssen gegebenenfalls Zuschläge zur anteiligen Deckung der Sozialversicherungskosten finanzierbar sein.

Weiterbildungssozialkasse: Die Einrichtung einer Weiterbildungssozialkasse oder alternativ die Aufnahme von Lehrkräften in die Künstlersozialkasse ist zu prüfen, um eine trägerübergreifende soziale Absicherung für freiberufliche Lehrkräfte sicherzustellen.


Quelle: Wahlprüfsteine des Deutschen Volkshochschulverbands zur Bundestagswahl 2017, 08. Mai 2017


Verweise zu diesem Artikel:
Schlagworte zu diesem Beitrag: Volkshochschule, Weiterbildung
Dieser Beitrag wurde zuletzt aktualisiert am 17.06.2017

Quelle: www.netzwerk-weiterbildung.info
Druckdatum: 29.03.2024