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AfD und Bildung

Welche bildungspolitischen Positionen vertritt die AFD?

Der politische Erfolg der AfD und vergleichbarer europäischer Gruppierungen nährt sich insbesondere von einem großen Misstrauen in der Bevölkerung gegenüber den politischen und ökonomischen Eliten. Zwei Drittel der Wählerinnen und Wähler der AfD geben an, sie aus Enttäuschung über die anderen Parteien gewählt zu haben. Unter den verschiedenen Wählergruppen, die den Erfolg der AfD tragen, fallen aus Perspektive gewerkschaftlicher Bildungspolitik vor allem zwei Gruppen auf: Die AfD ist unter anderem stark bei den Jungen und bei den Arbeitnehmern: In Sachsen-Anhalt wählten 28,5 Pro-zent der 25- bis 35jährigen bei der letzten Landtagswahl die AfD, in Baden-Württemberg waren es 18 Prozent der 35- bis 45jährigen. Unter der „klassischen“ Industriearbeiterschaft beträgt der Anteil der AfD-Wähler 30 Prozent in Baden-Württemberg, 35 Prozent in Sachsen-Anhalt und immerhin noch 17 Prozent in Nordrhein-Westfalen. Gleichwohl ist die AfD, entgegen ihrer Selbstinszenierung, weder in ihrer sozialen Zusammensetzung noch aufgrund ihrer inhaltlichen Positionen eine „Partei der kleinen Leute“.

Diese Wirkung erhält die AfD vielmehr durch das von ihren Vorderleuten virtuos beherrschte Spiel auf der Klaviatur des rechten „Populismus“: Soziale Probleme werde aufgenommen, vorhandene Ängste überzeichnet und systematisch geschürt. Dabei beziehen sie sich u.a. auf diejenigen Krisen, die sich aus der ökonomischen und politischen Wucht des Neoliberalismus ergeben. Diese haben bei vielen Beschäftigten, Familien mit geringem Einkommen, Rentnern und Erwerbslosen zu großer Einkommensunsicherheit und zu begründeten Ängsten um den Erhalt ihres materiellen, sozialen und kulturellen Status geführt. Der Neoliberalismus und die Vermarktlichung großer Bereiche der Gesellschaft haben dazu geführt, dass „der Einzelne vor der gänzlich unerfüllbaren Aufgabe (steht), individuelle Lösungen für gesellschaftlich produzierte Probleme zu finden“, wie der polnische Soziologe Zygmunt Baumann schreibt.

Zu diesen mitunter komplexen Problemen propagiert die AfD die bekannten einfachen Lösungen. Ausländer und Flüchtlinge werden ausgegrenzt, der Bezug auf das Nationale erscheint als Teil einer umfassenden Lösung.

Vor diesem Hintergrund müssen wir die Auseinandersetzung mit den Positionen der AfD führen. Den Gewerkschaften kommt in diesem Prozess eine wichtige Aufgabe zu, weil sie zu den gesellschaftlichen Akteuren gehören, die in den hier angesprochenen Wählergruppen noch Vertrauen genießen.

Die Forderung nach sozialer Gerechtigkeit und mehr sozialer Sicherheit ist auch in der Bildungspolitik der zentrale Diskurs in der Auseinandersetzung mit den rechtspopulistischen Parteien und Strömungen. Dies bedeutet auch, dass wir den Menschen Perspektiven darüber eröffnen müssen, wie sie in einer sich stark verändernden Umgebung vor Dequalifikation und Statusverlust geschützt werden und stattdessen den Wandel aktiv gestalten können.

Neben den inhaltlichen Fragen muss aber auch geklärt werden, wie diese Auseinandersetzung erfolgen soll. Der Philosoph Jürgen Habermas empfiehlt die „Dethematisierung“ der von der AfD gesetzten Skandale. Es geht darum, populistische Scheinlösungen als solche erkennbar zu machen und solidarische Antworten zu entwickeln. Wir benötigen eine Art Doppelstrategie, indem wir den Menschen reale Lösungsangebote unterbreiten und gleichzeitig eine klare Kante ziehen gegenüber Ausgrenzung, Hetzerei und deren Protagonisten.

Auf ihrem Bundesparteitag im Frühjahr 2016 beschloss die AfD ein Grundsatzprogramm. Es ist in Gänze wie in einigen Teilen, z.B. zur Wirtschafts- und Sozialpolitik, bereits kritisiert worden. Bisher blieb aber weitgehend unbeachtet, was die AfD zur Bildungspolitik fordert. Deswegen ist zu begrüßen, dass sich der seit nunmehr 12 Jahren existierende Wissenschaftliche Beraterkreis von ver.di und IG Metall in diesem „Argumente“-Papier mit den zentralen bildungspolitischen Forderungen der AfD auseinandergesetzt hat. Diese Forderungen werden herausgearbeitet, bewertet und auf die hinter ihnen liegenden sozialen und gesellschaftlichen Problemlagen analysiert. Es wird gefragt, welche Themen angesprochen werden und welche nicht. Es wird gefragt, in welchem Interesse die Forderungen sind, wem sie nutzen und wem nicht. Und es werden die angebotenen Lösungen diskutiert.

Das auf dem vor einigen Wochen auf dem Wahlparteitag beschlossene Wahlprogramm der AfD bezieht sich in seinen Forderungen zur Bildungspolitik auf das Grundsatzprogramm und bestätigt damit die dort beschlossenen Formulierungen.

Alles in allem kann man sagen, dass die bildungspolitischen Forderungen – würden sie politisch umgesetzt – keinen Beitrag zur Verbesserung der Bildungschancen der Arbeitnehmer/innen und der sozial Schwachen in dieser Gesellschaft leisten würden. Es wird ein ständisch gegliedertes Bildungssystem und ein Bildungsverständnis präsentiert, in dem Bildungschancen und die Zugänge zu Bildungswegen wenigen vorbehalten bleiben.

Allgemeine und berufliche Bildung werden strikt getrennt, ein konservatives Wissenschaftsverständnis und ein autoritäres Verständnis von Pädagogik offenbart, aber zu den großen Zukunftsthemen der Bildung wenig bis gar nichts sagt. Ungleichheiten würden zementiert und gerade keine Wege an-geboten, wie Menschen die sie umgebenden Prozesse gestalten können.

Das „Argumente“-Papier wurde in der Absicht geschrieben, einen Beitrag zu einer Debattenkultur zu leisten, in deren Zentrum die Urteilsfähigkeit steht. Es wendet sich an Multiplikatorinnen und Multiplikatoren in den Gewerkschaften, in Verbänden und in der Politik. Es ist uns bewusst, dass die Auseinandersetzung mit den formulierten und beschlossenen Positionen hierbei nur ein Element sein darf, kommt es doch auch auf die Bewertung des politischen Handelns der AfD in den Parlamenten und in der Gesellschaft sowie auf die Sichtbarmachung der engen Verflechtung der AfD mit anderen konservativen bis hin zu rechtsextremistischen Gruppen an. Umgekehrt bleibt aber die Bewertung der AfD verkürzt, wenn nicht auch ihre programmatischen Aussagen analysiert werden.

Wir hoffen, dass dieses Papier einen Beitrag in der Auseinandersetzung mit der AfD leisten wird. Dem Wissenschaftlichen Beraterkreis, insbesondere der Redaktionsgruppe, sagen wir Dank für diese notwendige Arbeit.


Quelle: Vorwort der Argumente Ausgabe 06/2017,
Ute Kittel, ver.di Bundesvorstand
Dr. Hans-Jürgen Urban, Geschäftsführender Vorstand der IG Metall


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Dieser Beitrag wurde zuletzt aktualisiert am 11.08.2017