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Im Dienst der Beschäftigten

Sabine Skubsch ist eine Art Handlungsreisende. Was sie anzubieten hat, kostet nichts. Sie will nichts verkaufen, in erster Linie will sie helfen. "Ich bin eigentlich immer auf Dienstreise", sagt Sabine Skubsch. Als Konzernbetriebsratsvorsitzende des Internationalen Bundes, eines gemeinnützigen, nicht konfessionellen Trägers sozialer Einrichtungen, ist sie unterwegs im Dienst der Beschäftigten. Egal, wohin sie kommt, irgendjemand fragt immer: "Sabine, kannst du da nicht etwas machen?" So wie die Schwangere, die nur eine befristete Stelle hat und nun fürchtet, weder eine Entfristung noch eine Vertragsverlängerung zu bekommen. Sabine Skubsch und ihre Mitstreiter/innen vom Betriebsrat können nicht immer gleich etwas ändern, aber mit Geduld, Argumenten und Hartnäckigkeit schon.

Das beste Modell für den Betrieb

Sabine Skubsch denkt in dieser Woche besonders an die älteren Beschäftigten. Eigentlich auch an die jüngeren, denn früher oder später endet für alle das Berufsleben. Sabine Skubsch hat sich die letzten vier Tage deshalb in der ver.di-Bildungsstätte Clara Sahlfeld in Berlin mit dem Renten- und Sozialrecht beschäftigt. Draußen vor der Tür, nur ein paar Schritte über die Straße liegt der Wannsee, auf ihm etliche Segelschiffe. Da kann Urlaubsstimmung aufkommen. Doch Sabine Skubsch sitzt vormittags und nachmittags in Seminarräumen und will erfahren, welche Möglichkeiten zur Altersteilzeit oder zum vorzeitigen Ruhestand es gibt. Was vielleicht das beste Modell für ihren Betrieb wäre? Außerdem ist sie selbst bereits 59 Jahre, die man ihr kein bisschen ansieht, fast jugendlich wirkt sie noch mit ihrem kurzen blonden Bop. Aber in ihrem Alter denkt man schon auch an den eigenen Ruhestand.

14.000 Beschäftigte hat der Internationale Bund derzeit, 14.000 Menschen, für die sie und die anderen im Konzernbetriebsrat und auch die Betriebsräte in den Regionen die Arbeitsbedingungen so gut wie möglich gestalten wollen. Und das ist über die Jahre nicht leichter geworden, seit sich der ursprüngliche Trägerverein in sechs gemeinnützige Unternehmen aufgesplittet hat. Seit dem Jahr 2000 ist Sabine Skubsch freigestellte Betriebsrätin, seit 2011 die Konzernbetriebsratsvorsitzende. Sie zählt nicht zu den Lauten, redet mit Bedacht, ruhig und konzentriert, mit einer gewissen Bestimmtheit. Im Gespräch bekommt die Zuhörerin eine Ahnung davon, wie sich Sabine Skubsch gegenüber dem Arbeitgeber durchzusetzen weiß.

So haben sie und ihre Betriebsratskollegen es zum Beispiel im vergangenen Jahr geschafft, nach sieben Jahren mit immer wieder neuen Anläufen, eine Konzernbetriebsvereinbarung zur Eindämmung von befristeten Stellen abzuschließen. Sabine Skubsch war es ein wichtiges Anliegen. "Es heißt ja immer, Betriebsräte täten nichts für die jungen Beschäftigten", sagt sie. Dem wollte der Konzernbetriebsrat etwas entgegensetzen, sind es doch vor allem die jungen Beschäftigten, die von Befristungen betroffen sind. "Wie soll man an Familienplanung denken, wenn man nicht weiß, ob man in ein paar Monaten noch Arbeit hat?" Die Befristungsquote im Konzern liege zwar immer noch bei über 20 Prozent, aber mit der Vereinbarung seien Befristungen nun enge Grenzen gesetzt: Wer bereits zwei Jahre lang eine sachgrundlose Befristung hatte, kann nur noch ein weiteres Jahr und auch nur mit einem Sachgrund wie etwa einer Schwangerschaftsvertretung befristet werden.

Und auch befristet aufgestockte Teilzeitvertretungen sind nicht mehr so leicht von der Arbeitgeberseite durchzusetzen. "Wir hatten den Fall einer Erzieherin in Mecklenburg Vorpommern, die einen Basisvertrag über 32 Stunden in der Woche hatte, aber jede Woche um sechs bis sieben Stunden aufstockte." Solchen Arbeitsverhältnissen schiebt der Gesetzgeber keinen Riegel vor, sagt Sabine Skubsch. Mit der neuen Vereinbarung in ihrem Betrieb haben die Beschäftigten jetzt hingegen einen Rechtsanspruch darauf, einen Vertrag über ihre tatsächliche Wochenarbeitszeit zu bekommen. Der Anspruch auf unbefristete Erhöhung der Wochenarbeitszeit auf die durchschnittlich tatsächlich geleistete Arbeitszeit besteht nach drei Jahren aufgestockter Teilzeit. Und das betrifft etliche Beschäftigte. Die Erzieherin aus Mecklenburg war kein Einzelfall. Rund 700 Betroffene zählte der Betriebsrat am Ende.

Das Ende des Frusts

"Fristverträge sind Frustverträge" war das Motto, mit dem sämtliche Betriebsräte des Internationalen Bundes - nahezu jeder Betrieb hat einen Betriebsrat - und der Konzernbetriebsrat 2010 die Geschäftsführung erstmals zu Verhandlungen aufforderte. Über 2.400 Unterschriften von den damals erst rund 9.000 Beschäftigten wurden überreicht. Beeindruckt hat es die Geschäftsführung seinerzeit nicht.

"Kein Unternehmen muss eine solche Vereinbarung unterschreiben", sagt Sabine Skubsch. Man müsse überzeugen, gute Argumente haben. Wenn sie heute zurückblickt, die Hände auf den Knien zusammenfaltet, muss sie gestehen, dass ihnen die Flüchtlinge, die 2015 in Massen nach Deutschland kamen, die triftigsten Argumente lieferten. Allerorts mussten Fachkräfte gehalten und viele neue gefunden werden, um die Neuankömmlinge richtig betreuen und begleiten zu können. "Und an Fachkräften mangelt es bis heute", sagt Sabine Skubsch. Die Stellen bei sozialen Trägern seien nicht gut bezahlt, viele verdienen nicht mehr als 2.500 Euro brutto, Befristungen machten sie zusätzlich unattraktiv. Und da der Internationale Bund händeringend Fachkräfte benötigte, war er 2015 schließlich bereit, über die Eindämmung von Befristungen zu verhandeln. 2016 stand die Konzernbetriebsvereinbarung.

Sabine Skubsch weiß selbst am besten, was das für die vielen befristeten Beschäftigten bedeutet. Sie hat 1993 auch als Befristete beim Internationalen Bund begonnen, als Lehrerin in der beruflichen Bildung für benachteiligte Jugendliche. 1997 wurde sie in Karlsruhe in ihrem Betrieb in den Betriebsrat gewählt. "Aber obwohl meine Vorgesetzten mich geschätzt haben und Lehrerinnen gebraucht wurden, war ich die einzige, deren Vertrag nicht verlängert wurde." Sie habe es geschafft, sich einzuklagen. "Aber das war eine harte Zeit. Ich war anderthalb Jahre nicht im Betrieb, bis ich endlich Recht bekam." Der Klageweg sei aber keine Lösung für alle Befristeten. "Wenn ich die Unterstützung meiner Familie nicht gehabt hätte, hätte ich das nicht geschafft."

Durch die jetzige Vereinbarung mit dem Konzern haben alle Beschäftigten etwas in der Hand, mit dem sie aus der Befristung herauskommen können. Und weil das eine außergewöhnliche Vereinbarung ist, ist der Konzernbetriebsrat auch für den diesjährigen Betriebsrätepreis (s. Kasten) nominiert. Die Beschäftigten schätzten ihre Betriebsräte ohnehin. "Die wissen, dass wir etwas für sie tun", sagt Sabine Skubsch. Und ist sich ganz sicher, dass die Wahlbeteiligung bei den Betriebsratswahlen im kommenden Jahr groß sein wird: "In meinem Betrieb wählen die Leute, die finden das gut."

Von Petra Welzel


Quelle: ver.di publik 6/2017


Schlagworte zu diesem Beitrag: Öffentliche Beschäftigungspolitik
Dieser Beitrag wurde zuletzt aktualisiert am 04.10.2017