Förderung der beruflichen Weiterbildung

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DGB-Vorschläge für eine bessere Arbeitsmarktpolitik

Perspektiven eröffnen – Sozialen Aufstieg ermöglichen – Schutz stärken.

Rolle der Weiterbildung in einer neuen Arbeitsmarktpolitik

Der Arbeitsmarkt steht vor großen Herausforderungen. Vor allem die Digitalisierung, aber auch Umstrukturierungen in der Energiewirtschaft und im Handel sowie die demografische Entwicklung erfordern, dass die Beschäftigten mitgenommen werden. Bis 2025 werden laut Studien 1,5 Mio. Arbeitsplätze verloren gehen, an anderer Stelle entstehen neue Arbeitsplätze. Der Bedarf an komplexen bzw. hochkomplexen Tätigkeiten nimmt zu, während Routinetätigkeiten und Einfacharbeitsplätze zurückgehen werden (vgl. IAB 2016). Für die Gewerkschaften ist zentral, dass die Wandlungsprozesse möglichst ohne Entlassungen bewältigt werden. Der beruflichen Weiterbildung kommt hierbei eine Schlüsselrolle zu.

Arbeitsmarktpolitik muss sich neben den zukünftigen Erfordernissen aber auch noch mehr den aktuellen Herausforderungen stellen.
  • Noch immer bleiben dauerhaft etwa 13 Prozent eines Ausbildungsjahrgangs ohne Ausbildung (vgl. BMBF 2017). Beim Dresdner Bildungsgipfel im Jahre 2008 wurde beschlossen, die Zahl von damals 17 Prozent auf 8,5 Prozent bis zum Jahr 2015 zu halbieren. Bisher sind die Fortschritte bescheiden.

  • Rund ein Viertel der Ausbildungsverträge wird vorzeitig gelöst. In einigen Branchen liegt die Zahl der gelösten Ausbildungsverträge bei nahezu 50 Prozent (vgl. BMBF 2017). Eine bessere berufliche Beratung in der Übergangsphase zwischen Schule und Beruf kann zu einer Reduzierung der Abbruchquote beitragen.

  • In einigen Regionen und Berufen sind bereits Fachkräfteengpässe zu spüren. Gleichzeitig liegt die Zahl der Unterbeschäftigten bei rund 3,5 Mio. Menschen. Hinzu kommt die Zahl derer, die in unfreiwilliger Teilzeit feststecken und gerne mehr arbeiten würden. So möchte etwa jede vierte erwerbstätige Frau ihre Arbeitszeit gern um mehr als vier Stunden pro Woche erhöhen (vgl. IAB 2017b).

  • Das Renteneintrittsalter wird schrittweise auf 67 Jahre angehoben. Die Möglichkeiten zum vorzeitigen Rentenbeginn sind weitgehend beseitigt worden. Darauf muss Arbeitsmarktpolitik durch eine Verbesserung der Möglichkeiten zum lebenslangen Lernen reagieren, insbesondere die Gruppe der älteren Beschäftigten braucht bessere Zugänge zu Weiterbildung.
Möglichst jede/r sollte einen beruflichen Abschluss erreichen, das Nachholen von Abschlüssen muss auch in späteren Lebensjahren möglich sein. Die Weiterbildung muss deshalb insbesondere im Hartz-IV-System gestärkt werden. Etwa zwei Drittel aller Arbeitslosen befinden sich im Hartz-IV-System, aber nur 40 Prozent der Maßnahmen zur beruflichen Weiterbildung richten sich an diese Zielgruppe. Während in der Arbeitslosenversicherung fast jede/r vierte Geförderte an einer beruflichen Weiterbildung teilnimmt, sind es im Rechtskreis des SGB II (Hartz IV) nur 13 Prozent (vgl. BA 2017). Dieses Missverhältnis muss beseitigt werden. Auch Hilfebedürftige brauchen eine Chance.


Lösungen:

Eine konsequente Weichenstellung für eine umfassende Weiterbildungsstrategie ist nötig. Die Weiterbildungsstrategie soll aus mehreren Elementen bestehen.


A) Weiterbildungsberatung flächendeckend einführen

Weiterbildungsberatung gibt es derzeit nur punktuell. Eine transparente und flächendeckende Beratungslandschaft fehlt. Notwendig ist aber, dass jeder/m Ratsuchenden eine unabhängige Weiterbildungsberatung zur Verfügung steht. Die Bundesagentur für Arbeit führt derzeit Modellversuche durch. Nach Abschluss der Modellversuche und wenn die Erfahrungen ausgewertet sind, muss die Weiterbildungsberatung flächendeckend eingeführt werden. Dabei sollte es eine enge Kooperation mit bereits bestehenden Angeboten zur Weiterbildungsberatung geben.


B) Berufliche Weiterbildung und Nachqualifizierung von Arbeitslosen stärken

Im Rahmen der Arbeitslosenversicherung wurden die Mittel für die Förderung von Weiterbildung deutlich aufgestockt. Notwendig ist auch, im vom Bund verantworteten Hartz-IV-System die Weiterbildung zu stärken. Die Mittel für Weiterbildung sollten bedarfsgerecht ausgestaltet und in einem separaten Weiterbildungstitel gebündelt werden.
  • Arbeitslose sollen einen Rechtsanspruch auf Beratung zur Weiterbildung erhalten. Wenn diese Beratung bei Arbeitslosen ergibt, dass eine Weiterbildung für die stabile berufliche Integration notwendig ist, muss sie im Rahmen eines Rechtsanspruches gewährt werden.

  • Für Arbeitslose ohne abgeschlossene Berufsausbildung sollte es generell einen Rechtsanspruch auf eine Nachqualifizierung geben. Das Programm „Zweite Chance“, das sich derzeit an junge Erwachsene über 25 Jahre ohne abgeschlossene Berufsausbildung richtet, muss auf hohem Niveau fortgeführt und weiter gestärkt werden.

  • Oftmals scheitert der Zugang zu Weiterbildung auch an zielgruppenspezifischen Hindernissen. Insbesondere Frauen mit Kindern haben Schwierigkeiten, Weiterbildungsangebote und Kinderbetreuung zu vereinbaren. Zudem können Personen mit negativen oder lang zurückliegenden Bildungserfahrungen Vorbehalte gegen Weiterbildungen haben. Manchmal stehen aber auch rein organisatorische Hindernisse wie lange Wegezeiten, fehlende Modulangebote etc. im Weg. Hier braucht es – neben passgenauen umschulungsbegleitenden Hilfen, sozialflankierenden Hilfen (Kinderbetreuung) und zielgruppensensibler Beratung – Antworten auf konzeptioneller Ebene und adressatenorientierte Lernformen, um diese Weiterbildungshürden abzubauen.

  • Besonders wichtig ist, die finanziellen Rahmenbedingungen für Teilnehmende an einer abschlussbezogenen Weiterbildung zu verbessern. Die Weiterbildungsprämien, die derzeit befristet sind, sollten verstetigt werden. Bei abschlussbezogenen Maßnahmen sollte neben dem Arbeitslosengeld bzw. der Hartz-IV-Regelleistung ein ergänzendes Unterhaltsgeld in Höhe von zehn Prozent des Arbeitslosengeldes, mindestens aber in Höhe von 100 Euro im Monat, gezahlt werden. Dieser Sockelbetrag begünstigt gezielt Personen mit geringen Unterstützungsleistungen. Das hilft, eine abschlussbezogene Maßnahme durchzuhalten. Die Regelung muss auch analog für das Hartz-IV-System gelten. Der materielle Zugewinn bei einer Weiterbildungsteilnahme muss mindestens so hoch sein wie bei einem Ein-Euro-Job.


C) Transfer-Maßnahmen verstärkt für Weiterbildung nutzen.

Das Instrument Transfer ist geschaffen worden, um Menschen in Umbruchsituationen zu unterstützen. Die Weiterbildung in der Transferphase ist ein wichtiger Baustein zur Wiedereingliederung und zur Erhaltung der Qualifikation. Vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels ist es notwendig, die Elemente der Weiterbildung zu stärken, indem die Bundesagentur für Arbeit (BA) sich bei bestimmten Fallkonstellationen auch an den Kosten der Weiterbildung beteiligt:

1. Übernahme der Weiterbildungskosten im Insolvenzfall zu 100 Prozent durch die BA als Rechtsanspruch.

Derzeit ist die Übernahme von Weiterbildungskosten nur als Kann-Leistung im Insolvenzfall möglich. Dadurch entstehen Rechtsunsicherheiten, die zu einer geringeren Weiterbildungsteilnahme führen. Die Klarstellung stärkt die Weiterbildung im Insolvenzfall.

2. Bei kleinen und mittleren Unternehmen (KMU, bis 250 Beschäftigte) beteiligt sich der Arbeitgeber mit 20 Prozent an den Kosten der Weiterbildung. Die übrigen Kosten der Weiterbildung werden durch die Agenturen für Arbeit getragen.

Heute ist in Klein- und Mittelbetrieben oft nicht genügend Masse vorhanden, um im Rahmen der Transfer-Maßnahme Weiterbildung ausreichend zu finanzieren. Deswegen sollte eine höhere Unterstützung erfolgen.

3. Bei abschlussbezogener Weiterbildung beteiligt sich das abgebende Unternehmen nur mit einem Festbetrag von 2.500 Euro an den Kosten der Weiterbildung. Die weiteren Kosten werden durch die Agenturen für Arbeit getragen. Die Teilnehmenden verbleiben in der Transfer-Gesellschaft (TG) bis zum Ende. Im Anschluss führt die BA die Weiterbildung bei Zahlung von „Arbeitslosengeld bei Weiterbildung“ (ALG-W) fort.

In der Praxis zeigt sich, dass die Weiterbildung in der Transfermaßnahme durch die zur Verfügung gestellten Budgets begrenzt wird. Das heißt, wegen zu geringer Budgets wird von den Trägern keine längerfristige Weiterbildung empfohlen, auch wenn diese eine sinnvolle Option wäre, weil die Maßnahmen (für wenige Teilnehmer) einen erheblichen Teil des Budgets binden. Durch die Befristung der Beteiligung des Arbeitgebers bzw. der Transfergesellschaft sollen die Rahmenbedingungen für abschlussbezogene Maßnahmen verbessert und eine transparente Kalkulation ermöglicht werden.

4. Kurzlaufende Weiterbildungen flexibilisieren (Änderung § 111a, SGB III).

Derzeit können (nicht abschlussbezogene) Weiterbildungen, die über die Transfermaßnahme hinaus reichen, nicht begonnen werden. Aber auch kürzer laufende Weiterbildungen sind oft sinnvoll, z. B. zum Erwerben bestimmter Zertifikate. Deswegen sollte die BA nach Abschluss der Transfer-Gesellschaft in die Maßnahme eintreten, wenn dies vorher vereinbart wird. Ohne diese Möglichkeit müssen Teilnehmende auf den Beginn der Arbeitslosigkeit warten, um eine von der Agentur als sinnvoll angesehene Maßnahme überhaupt beginnen zu dürfen.


D) Weiterbildung für Beschäftigte fördern

Durch den strukturellen Wandel wird es immer wichtiger, die individuelle Beschäftigungsfähigkeit zu erhalten, und zwar möglichst ohne zwischengeschaltete Arbeitslosigkeit. Derzeit finanzieren weitgehend die Arbeitgeber die betriebliche Weiterbildung von Beschäftigten. Doch Handlungsbedarf besteht bei Geringqualifizierten, älteren Beschäftigten und Menschen, die vom Strukturwandel betroffen sind.

Mit dem BA-Programm „Weiterbildung geringqualifizierter und beschäftigter älterer Arbeitnehmer in Unternehmen“ (WeGebAU) kann die Weiterbildung von Geringqualifizierten sowie älteren Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen insbesondere in kleinen und mittleren Unternehmen gefördert werden. Dieses Programm sollte weiter gestärkt und die Rahmenbedingungen so verbessert werden, dass mehr Beschäftigte erreicht werden. Zudem sollte WeGebAU auf die Beschäftigten ausgeweitet werden, die nur über eine zweijährige Ausbildung verfügen. WeGebAU sollte auch im Hartz-IV-System etabliert werden. Bisher sind hilfebedürftige Beschäftigte bzw. Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft von der Weiterbildung ausgeschlossen. Zugleich stehen Beschäftigte, die ihren Lohn durch Hartz IV aufstocken, nicht ausreichend im Förderfokus der Jobcenter. Hier ist dringend der Bund gefordert, mehr für die Weiterbildungschancen von Aufstockern und Aufstockerinnen im Hartz-IV-System zu tun.

Darüber hinaus müssen auch individuelle Weiterbildungsanliegen zur beruflichen Entwicklung besser als bisher unterstützt werden.


Quelle: Perspektiven eröffnen – Sozialen Aufstieg ermöglichen – Schutz stärken, DGB-Vorschläge für eine bessere Arbeitsmarktpolitik, Oktober 2017


Die komplette Broschüre zur Arbeitsmarktpolitik können Sie hier als pdf-Datei herunterladen.

Schlagworte zu diesem Beitrag: Berufliche Weiterbildung, Öffentliche Beschäftigungspolitik, Qualifizierung
Dieser Beitrag wurde zuletzt aktualisiert am 30.10.2017