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Bundesregierung verkürzt die Weiterbildungspolitik auf die Arbeitsmarktperspektive

(31.08.2018) Der Weiterbildung soll künftig eine größere Bedeutung zukommen – so jedenfalls liest es sich im Koalitionsvertrag. Dort taucht der Begriff 46 mal auf. Dabei wird schnell klar: Weiterbildung wird insbesondere im Kontext von Arbeitsmarktpolitik gedacht.

Digitalisierung ist unbestritten eine der zentralen gesellschaftlichen Herausforderungen und wird auch die Arbeitswelt radikal verändern. Unter dieser Überschrift haben die Koalitionsparteien viele Absichten zusammengefasst. Dort findet sich auch das Ziel, mit einer „Nationalen Weiterbildungsstrategie“ den beruflichen Aufstieg zu erleichtern und die Beschäftigungsfähigkeit nachhaltig zu fördern. Die Regierung weckt die Erwartung, durch Bündelung aller Landes- und Bundesprogramme, die Verzahnung von arbeitsmarkt- und bildungspolitischen Instrumenten sowie den Rechtsanspruch auf Weiterbildungsberatung die „losen Enden“ zusammenzuführen. Vieles bleibt jedoch vage. Außerdem stellen sich Fragen zum Beispiel zu Bildungsfreistellung und -finanzierung: Werden die Angebote für lebenslanges Lernen künftig auch diejenigen erreichen, die sich Weiterbildung bisher schlicht nicht leisten können? In welcher Richtung soll die Bundesagentur für Arbeit beraten, wenn wir „noch“ nicht wissen, welche Fachkräfte morgen gebraucht werden?

Die Gefahr zeichnet sich ab, dass die Regierung ihre Weiterbildungspolitik zu eng auf die heutige Arbeitsmarktperspektive fokussiert und vorwiegend auf schnell verwertbares Wissen setzt. Unbedingt zu berücksichtigen sind aber auch die Folgen anderer gesellschaftlicher Transformationsprozesse und des demografischen Wandels. Was fehlt, ist eine Vision und ein ganzheitlicher Bildungsansatz im Humboldtschen Sinne, bei dem selbst und kritisch zu denken zentrale Lernziele sind.

Weiterbildung soll allen Menschen die Teilhabe an guter Erwerbsarbeit und persönlicher Entwicklung ermöglichen. Was deshalb in Zukunft gebraucht wird, sind lernmethodische Kompetenzen. Qualifizierung in diesem Sinne ist nicht nur der Schlüssel zu einer sicheren beruflichen Entwicklung auch unter Bedingungen, die sich laufend und teilweise radikal ändern. Sie ist auch die wichtigste Voraussetzung für die Integration von Menschen, die zu uns kommen, um hier in Sicherheit leben zu können. Der Anspruch des lebenslangen Lernens muss deshalb das gesamte Bildungssystem in den Blick nehmen und darauf abzielen, dass die Stationen des Lernens wie Zahnräder ineinandergreifen. Das setzt ein grundlegendes Umdenken voraus.

Von Anne Voss


Quelle: biwifo report 2/2018


Verweise zu diesem Artikel:
Schlagworte zu diesem Beitrag: Öffentliche Beschäftigungspolitik, Qualifizierung
Dieser Beitrag wurde zuletzt aktualisiert am 31.08.2018