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Bundestagswahl 2009 beflügelt die Förderung der beruflichen Weiterbildung durch die BA

In ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage DER LINKEN (Bundestagsdrucksache 17/1725) erklärte die Bundesregierung: „Die Förderung der beruflichen Weiterbildung ist ein wesentliches Element der Bildungspolitik auf Bundesebene und zugleich ein Kernbereich der aktiven Arbeitsmarktpolitik. Wegen der Wirtschaftskrise und der Qualifizierungsinitiative der Bundesregierung wurden die Anstrengungen in diesem Bildungsbereich im vergangenen Jahr nochmals erheblich verstärkt. … So wurden alleine in der beruflichen Weiterbildungsförderung rund 620 000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in beiden Rechtskreisen mit einer Weiterbildungsmaßnahme gefördert (gegenüber rd. 463 000 Eintritten im Jahr 2008).“



Soweit, so gut. Tatsache ist, die Zahl der Neueintritte in Maßnahmen der beruflichen Weiterbildung (FbW) bei der Bundesagentur für Arbeit (BA) hat 2009 den höchsten Stand seit 7 Jahren erreicht. Tatsache ist aber auch, das im ersten Halbjahr 2010 insgesamt ein Rückgang von 17,9 %, im Bereich des SGB III ein Rückgang von 26,9 % bei der FbW zu verzeichnen ist. Wenn der Anstieg in 2009 aufgrund der Wirtschaftskrise stattfand, wie die Bundesregierung erklärt, dann müssen wir feststellen. Noch nie lagen der Höhepunkt einer Wirtschaftskrise und der Zeitpunkt einer Bundestagswahl so nah beieinander wie 2009. Der Wahlmonat September 2009 verzeichnet mit 70.365 Neuzugängen1) in den Rechtskreisen SGB II und III einen absoluten Rekord. Der Höchststand an Teilnehmern wird nach einem rasanten Anstieg im Juni 2009 mit 227.819 TeilnehmerInnen erreicht, im Januar waren es erst 190.316. Nach der Wahl nimmt die Zahl der TeilnehmerInnen kontinuierlich ab, in 2010 liegt sie unter 200.000.



Noch viel ausgeprägter ist diese Entwicklung im Bereich des Rechtskreises SGB III. Auch hier wird der höchste Wert im September 2009 mit 42.243 Neueintritten in Maßnahmen der beruflichen Weiterbildung erreicht. Danach geht es steil bergab. Im Durchschnitt der ersten 6 Monate in 2010 sind es gerade noch 23.110 Neuzugänge im Monat. Gegenüber dem Rekord vom September 2009 ist das ein Rückgang von 47,7 %. Zumindest bei der Förderung der beruflichen Weiterbildung durch die BA ist die Wirtschaftskrise Geschichte.

Gut ist, was kurz ist

Mit dem Umbau der arbeitsmarktpolitischen Instrumente infolge der Hartz-Gesetze hatten auch Qualifizierungsmaßnahmen für die BA nur noch einen Sinn: schnelle Vermittlung in den Arbeitsmarkt! Vorherige berufsqualifizierende Maßnahmen wurden „abgewickelt“. In der oben erwähnten Bundestagsdrucksache2) gibt es Daten zur durchschnittlichen Teilnehmerzahl und der Maßnahmedauer. Während im Zeitraum 2003 bis 2005 die durchschnittliche Maßnahmedauer steigt und die der Neueintritte zurückgeht, finden wir ab 2005 die genau gegenläufige Tendenz: Immer mehr TeilnehmerInnen finden sich in immer kürzeren Bildungsmaßnahmen. Bis 2005 mussten die bereits bewilligten Umschulungsmaßnahmen (in der Regel 2 Jahre) „abgewickelt“ werden. Da die BA gleichzeitig die Gesamtausgaben im Bereich FBW zurückgefahren hat, wurden in dieser Zeit auch nur wenige kurzfristige Weiterbildungsmaßnahmen genehmigt. Ab 2005 wurden die Gelder der ausgelaufenen berufsqualifizierenden Maßnahmen frei für kurzfristige Anpassungsqualifikationen. 2009 ist die durchschnittliche Maßnahmedauer auf 3,7 Monate gesunken! Diese kurze Maßnahmedauer erklärt zu einem guten Teil die hohe Zahl der Neueintritte. Je kürzer die Maßnahme, desto mehr Teilnehmerinnen können sich einen Platz im Laufe des Jahres teilen. Damit steigt die Zahl der Neueintritte, ohne das tatsächlich mehr für die berufliche Weiterbildung getan wird.



Im Geschäftsbericht 2009 der BA liest sich das so:

„Förderung der beruflichen Weiterbildung“
Die Förderung der beruflichen Weiterbildung ist als eines der wesentlichen Elemente der aktiven Arbeitsförderung anzusehen. Sie soll dazu beitragen, die Diskrepanz zwischen den qualifikatorischen Anforderungen bei der Nachfrage nach Arbeitskräften und den bei Arbeitsuchenden vorhandenen Qualifikationen auszugleichen. Die BA leistet damit einen wichtigen Beitrag zur Deckung des Fachkräftebedarfs.“

Was verbal als wesentlicher Beitrag zur beruflichen Qualifikation von Erwerbslosen daherkommt, entpuppt sich als kurzfristige Anpassungsqualifikation „der Nachfrage nach Arbeitskräften“. Steigende Eintrittszahlen in Zeiten eines Wahljahres können nicht verdecken, worum es der BA geht. Berufliche Qualifizierung ist und bleibt seit den Hartz-Gesetzen Mittel zum Zweck; der schnellen Vermittlung in den ersten Arbeitsmarkt. Alles andere zählt nicht mehr.

Ausgaben für die FbW kurzfristig auf Rekordniveau



Die BA hat sich und den Beitragszahler den kurzfristigen Hype bei der beruflichen Weiterbildung einiges kosten lassen. Mit 298 Millionen Euro im 3. Quartal 2009 erreichten die Ausgaben für die FbW einen zulässt Ende 2004 erreichten Spitzenwert. Doch bereits im ersten Quartal 2010 fielen die Ausgaben wieder unter die Marke von 200 Millionen Euro, Tendenz weiter fallend. Der Anstieg der finanziellen Mittel (hier handelt es sich nur um den Bereich des SGB III) übersteigt deutlich den Zuwachs der Teilnehmerzahlen. In Zeiten des Wahlkampfes 2009 (oder sollten wir nach der Terminologie der Bundesregierung eher der Wirtschaftskrise sagen?) wurde alles „eingekauft“, was auf dem Markt war. Der Hype ist vorbei, der Wahlkampf auch. Der Tor hat seine Schuldigkeit getan, er wird wieder auf das normale Maß in der Instrumentenkammer der BA zurückgestutzt.

Bleibt noch die Frage, was von der Qualifizierungsinitiative der Bundesregierung übrig bleibt, von der sie in der Antwort auf die Kleine Anfrage DER LINKEN sprach? Die geplanten Kürzungsrunden im Rahmen der Haushaltskonsolidierung werden es zeigen. Immerhin 5 Mrd. Euro sollen im Rahmen der Arbeitsmarktpolitik bis 2014 jährlich eingespart werden. Und spätestens ab da gilt wieder der Grundsatz: „Gut ist, was schnell in Arbeit vermittelt“. Egal, ob die Weiterbildung gut ist, egal, ob die vermittelte Arbeit gut ist.“ Hauptsache raus aus der Statistik.

Politik für mehr und bessere Weiterbildung sieht anders aus.

1) Amtliche Statistik der BA, Aktuelle Daten – Arbeitsmarkt in Deutschland Januar 2009 – Juli 2010

2) Bundestagsdrucksache 17/1725, Kosten und Nutzen von Qualifizierungsmaßnahmen nach dem Zweiten und Dritten Buch Sozialgesetzbuch


Peter Schulz-Oberschelp
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Verweise zu diesem Artikel:
Schlagworte zu diesem Beitrag: Öffentliche Beschäftigungspolitik, Berufliche Weiterbildung
Dieser Beitrag wurde zuletzt aktualisiert am 24.07.2010